Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Birma
Bịrma Fläche: 676 578 km2
Einwohner: (1995) 46,53 Mio.
Hauptstadt: Rangun (Yangon)
Verwaltungsgliederung: 7 Staaten, 7 Provinzen
Amtssprache: Birmanisch
Nationalfeiertag: 4. 1.
Währung: 1 Kyat (K) = 100 Pyas (P)
Zeitzone: MEZ + 51/2 Std.
(engl. Burma, birman. Myanmar, amtlich Pyidaungsu Myanmar Naingngandaw, dt. Union Myanmar), Staat im NW Hinterindiens, begrenzt von China im N und NO, Laos und Thailand im O, Bangladesh, Indien und dem Golf von Bengalen im W und der Andamanensee im S; erstreckt sich im S auf der Halbinsel Malakka bis zum Isthmus von Kra.
Staat und Recht: Laut Verf. von 1974 ist B. eine Republik, seit 1988 de facto durch ein Militärregime ersetzt. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist der Vors. des State Peace and Development Council (aus 19 Militärs bestehendes oberstes Machtorgan). Das Parlament (485 Abg.) bleibt trotz gültiger Wahl von 1990 aufgelöst. - Wichtigste Parteien: National League for Democracy (NLD), National Unity Party (NUP; Nachfolgeorganisation der Burma Socialist Programme Party [BSPP]).
Landesnatur: Wirtsch. und kulturelles Kerngebiet ist das von Hügel- und kleinen Gebirgsregionen durchsetzte, rd. 1 100 km lange Becken mit dem Stromgebiet des Irawadi und Chindwin. Die westbirman. Randgebirge (bis 3 826 m) schließen das Land gegen Indien ab. Den O nimmt das Shanhochland (bis 2 600 m) ein. Das trop. Klima ist von Monsunen beeinflusst, mit hohen sommerl. Niederschlägen im Küstengebiet und geringeren im Innern und einer winterl. Trockenzeit. Die Landesteile mit hohem Niederschlag (über 2 000 mm) sind mit trop. Regen- oder Bergwald bedeckt; Monsunwald herrscht in den Gebieten mit 2 000-1 000 mm Niederschlag, Busch-, Grasland oder Trockensteppe im Innern (unter 1 000 mm Niederschlag).
Bevölkerung: Sie besteht v. a. aus Birmanen (69 %), Shan (8,5 %), Karen (6,2 %), Chin (2,2 %), Mon (2,4 %) und Kachin; jährl. Bev.-Wachstum: 2,2 %; Stadtbev.: 24 %. Größte Städte: Rangun, Mandalay, Moulmein, Pegu und Bassein. - Schulpflicht vom 6. bis 10. Lebensjahr; Univ. in Rangun (1920 gegr.) und Mandalay (1964 gegr.); Analphabetenquote: 34 %. - 85 % der Ew. sind Buddhisten, ferner Animisten, Christen, Muslime, Hindus.
Wirtschaft, Verkehr: B. steht in der Welteinkommensskala am unteren Ende. Der andauernde Kriegszustand führte zu wirtsch. Stagnation und relativ hoher Auslandsverschuldung. Bedeutendster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft, die fast 50 % des Bruttoinlandproduktes erbringt und über die Hälfte der Erwerbstätigen beschäftigt. Im Deltatiefland des Irawadi werden bes. Reis und Zuckerrohr, in den trockeneren Gebieten Erdnüsse, Baumwolle, Jute, Tabak, im Tenasserimküstenland Kautschuk angebaut; Opiumgewinnung. Der Wald (fast 50 % der Landesfläche waldbedeckt) liefert Teak- u. a. Harthölzer. B. hat reiche Bodenschätze, die nur z. T. ausgebeutet werden: Erdöl, Zinn, Wolfram, Kupfer, Antimon, Blei, Zink, Eisen, Nickel, Silber, Steinkohle und Edelsteine. Die gering entwickelte Ind. erzeugt Erdölprodukte, Baustoffe, Nahrungsmittel, Textilien, Möbel und chem. Erzeugnisse. - Reis ist das wichtigste Exportprodukt, gefolgt von Teakholz, Kautschuk, Jute und Bergbauprodukten. Haupthandelspartner: Japan, EU-Länder, Singapur, China, Indonesien, Malaysia, Südkorea. - Wichtigste Verkehrswege sind die Straßen, rd. 23 400 km, daneben die rd. 5 800 km langen Binnenwasserstraßen (Irawadi, Chindwin) und Kanäle sowie Eisenbahnen (rd. 4 500 km). Haupthafen ist Rangun, internat. Flughafen Mingaladon bei Rangun. Nat. Fluggesellschaft Myanmar Airways Corp.
Geschichte: Seit dem 1. Jh. n. Chr. existierten auf dem Gebiet von B. mehrere unter ind. Kultureinfluss stehende Reiche. Durch die Eroberung des mächtigen Mon-Reiches von Thaton (Sudhammavati) dehnte das erste birman. Reich unter König Anoratha (1044-77) seinen Machtbereich bis nach Süd-B. aus. Der Einfall der Mongolen unter Kubilai setzte der Pagan-Dynastie (1044-1287) ein Ende. Nach einer Periode wechselvoller Kämpfe zw. Birmanen, Shan und Mon um die Vorherrschaft einigte Alaungpaya, der Gründer der birman. Konbaung-Dynastie (1752-1885), das Reich. Drei britisch-birman. Kriege führten 1886 zum Anschluss B.s an Britisch-Indien, aus dem es 1937 wieder herausgelöst wurde (eigenständige Kolonie mit Selbstverwaltung). Im Zweiten Weltkrieg besetzte Japan 1942-45 das Land. Durch einen 1947 von Aung San ausgehandelten Vertrag mit Großbritannien erlangte B. am 4. 1. 1948 die Unabhängigkeit. Kommunist. Aufstände (1948) und eine Erhebung der Karen (1949/50) konnten nur mühsam unterdrückt werden. U Nu, der als MinPräs. (1947-62 mit Unterbrechungen) eine Bodenreform einleitete und europ. Unternehmen verstaatlichte, wurde 1962 durch General Ne Win gestürzt. Dieser suspendierte die Verf. und verfolgte als Vors. eines Revolutionsrates einen staatssozialist. Kurs (»birman. Weg zum Sozialismus«, Nationalisierungs- und Verstaatlichungspolitik), gestützt auf die allein zugelassene Burma Socialist Programme Party (BSPP) und unter Abschließung des Landes von der Außenwelt. 1967 kam es zu antichines. Ausschreitungen. Nach In-Kraft-Treten einer neuen sozialist. Verf. (1974) wurde Ne Win Staatsratsvors. (bis 1981, Nachfolger San Yu). Die Wirtschaft verfiel zusehends (bedrohl. Rückgang der Reisproduktion). Eine Protestbewegung gegen die Einparteienherrschaft führte 1988 zum Rücktritt von Ne Win als Vors. der BSPP und von Staatspräs. San Yu. Nach mehrfachem Wechsel im Präsidentenamt übernahm im Sept. 1988 das Militär unter General Saw Maung die Macht und löste das Parlament auf. Neues Führungsorgan wurde der »Staatsrat für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung« (engl. Abk. SLORC). Nach Zulassung von Parteien im Sept. 1988 formierte sich rasch eine Opposition (Entstehung von mehr als 200 Parteien). Im Juni 1989 wurde der engl. Staatsname in »Union of Myanmar« geändert. Aus den Parlamentswahlen vom Mai 1990 ging trotz zahlr. Restriktionen die Oppositionspartei NLD siegreich hervor. Das Parlament wurde jedoch danach nicht einberufen; die Militärs blieben weiterhin an der Macht.
Repressive Maßnahmen gegen die im Rakhinestaat lebende muslim. Bev.-Gruppe (Rohingya) lösten Ende 1991 deren Massenflucht nach Bangladesh aus und waren von einem bewaffneten Grenzzwischenfall zw. B. und Bangladesh begleitet. Im April 1992 unterzeichneten beide Staaten ein Repatriierungsabkommen.1992 wurde General Than Shwe Staats- und Reg.-Chef. Im Rahmen einer sehr begrenzten polit. Liberalisierung wurde ein Teil der polit. Gefangenen entlassen (1996 jedoch erneut Inhaftierung zahlr. Oppositioneller); der Hausarrest (seit 1989) für die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi (Gen.-Sekr. der NLD 1988-91 und erneut seit 1995) wurde 1995 aufgehoben. Dennoch kritisierten die UNO-Menschenrechtskommission sowie Amnesty international und Human Rights Watch weiterhin die schlechte Menschenrechtslage in B., insbesondere die der ethn. Minderheiten (u. a. Zwangsumsiedlungen und verbreitete Zwangsarbeit). Den vom SLORC im Jan. 1993 einberufenen »Nationalkonvent« zur Ausarbeitung von Grundzügen einer neuen Verf. verließen die Vertreter der oppositionellen NLD Ende Nov. 1995. Gegenüber Kampforganisationen ethn. Minderheiten konnte der SLORC beträchtl. militär. Erfolge erzielen und mit fast allen größeren einen Waffenstillstand schließen; am 27. 1. 1995 eroberten Reg.-Truppen Manerplaw, wo sich das Hauptquartier der Karen und das Zentrum des birman. Widerstandes (Sitz der 1988 gegründeten »Democratic Alliance of Burma«, der aus versch. ethn. Rebellenarmeen gebildeten »National Democratic Front« und einer 1990 von acht geflüchteten Parlamentariern unter Sein Win gebildeten Gegen-Reg.) befunden hatten. Anfang 1996 stellte Khun Sa, der jahrzehntelang eine führende Rolle beim Opiumhandel im »Goldenen Dreieck« gespielt und im Dez. 1993 das Gebiet der Shan zu einem eigenen Staat proklamiert hatte, den Widerstand gegen die Zentral-Reg. ein. Im Nov. 1997 formierte sich die Militärjunta neu (Bildung des »Staatsrats für Frieden und Entwicklung« (engl. Abk. SPDC), in dem Than Shwe seine führende Position behaupten konnte.
Außenpolitisch verfolgte B. seit seiner Unabhängigkeit 1948 stets einen neutralen Kurs; es trat 1948 der UNO bei, stellte mit U Thant 1961/62-71 deren Gen.-Sekr. und war Gründungs-Mitgl. der Bewegung blockfreier Staaten. In der »Sozialismus«-Periode (1962-88) kapselte sich B. stark vom Ausland ab. Die Beziehungen zur VR China, die B. als einer der ersten Staaten 1949 anerkannt hatte, waren wegen der chin. Unterstützung für aufständ. Gruppen in B. längere Zeit gespannt, verbesserten sich jedoch in den 90er-Jahren wieder. Nach der blutigen militär. Unterdrückung der Unruhen in B. 1988 versuchten v. a. die USA, die EG (jetzt die EU) und Australien, den SLORC durch wirtsch. Sanktionen und diplomat. Druck zum Rücktritt zu veranlassen. Im Juli 1997 wurde B. Mitgl. der ASEAN.
Literatur:
H. Höfer, Burma, hg. u. entworfen v. Text v. W. Klein, Fotografien v. G. Pfannmüller. München 1988.
Dittmar, J.: Thailand u. Burma. Tempelanlagen u. Königsstädte zwischen Mekong u. Indischem Ozean. Köln 61989.
Bless, R.: »Divide et impera«? Britische Minderheitenpolitik in Burma 1917-1948. Stuttgart 1990.
Mya Maung: Totalitarianism in Burma. Prospects for economic development. New York 1992.
Smith, Martin: Burma. Insurgency and the politics of ethnicity. London 21993.
Blume, B.: Myanmar. Birma, Burma. Für Reisende ins Land der Pagoden. Hohenthann 1996.
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