Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bergbau
Bergbau,Wirtschaftszweig, der das Suchen nach (Explorieren), das Erschließen, den Abbau (das Fördern) und das Aufbereiten von Bodenschätzen umfasst (Gewinnungs-B.), daneben zur Wiedernutzbarmachung und Verwahrung stillgelegter B.-Anlagen den Sanierungs-B., weiterhin den Entsorgungsbergbau. Die zugehörigen Betriebe sind Bergwerke, Gruben oder Tagebaue bzw. Deponien oder Endlager. B. erstreckt sich auf Steinkohle, Braunkohle, Torf, Erdöl, Erdgas, Ölschiefer, Ölsande, Erze (zur Gewinnung von Metallen), Schwefel, Steinsalz, Kalisalze, Phosphate und Stickstoffminerale sowie auf Edelsteine und auf Steine und Erden aller Art. Abhängig von der geolog. Situation, der Beschaffenheit des Fördergutes und der Teufe (Tiefe), in der es gefunden wird, werden drei grundlegende Verfahrensarten der Erschließung angewandt: Bohrungen dienen der Gewinnung gasförmiger (z. B. Erdgas), flüssiger (z. B. Erdöl) und solcher Bodenschätze, die vergast oder verflüssigt werden können (z. B. Salze). Im Tagebau werden Lagerstätten abgebaut, die an oder nahe der Erdoberfläche liegen, v. a. Braunkohle und manche Erze, aber auch Steinkohle, Gold und Diamanten. Untertage-B. in Bergwerken wird bei tief unter der Erde liegenden Lagerstätten angewendet. Um diese zugänglich zu machen, muss man zunächst die Ausrichtung des Grubenfeldes betreiben, d. h. Stollen bis zur Lagerstätte vortreiben oder Schächte bauen und abteufen. Von den Schächten oder Stollen aus werden im Nebengestein weitere söhlige (waagerecht verlaufende) Ausrichtungsgrubenbaue angesetzt: die Richtstrecken und die etwa rechtwinklig von diesen abzweigenden, bis in die Lagerstätte vorgetriebenen Querschläge. Das so auf einem bestimmten Niveau entstehende Streckensystem heißt Sohle. Die Sohlen werden untereinander durch Blindschächte (Schacht) oder Fahrrollen (Rollloch) verbunden. Der Ausrichtung folgt die Vorrichtung, das Anlegen von Grubenbauen in der Lagerstätte selbst. Nach der Vorrichtung und nach dem Einbau der erforderl. Maschinen, Förderanlagen u. a. beginnt die Gewinnung, der Abbau des Minerals. Durch den Abbau entstehen ausgedehnte Hohlräume. Man kann entweder das Hangende über dem nicht mehr benötigten Abbauraum planmäßig »zu Bruch werfen« (Bruchbau) oder den leer geförderten Abschnitt wieder mit Versatz füllen. Der Abbau lässt sich auch nur teilweise betreiben, sodass die Bergefesten stehen bleiben. Der Grubenausbau schützt vor Einsturz und gegen hereinbrechendes Gestein. Der frühere angewandte Holzausbau wurde durch Stahlstempel und hydraul. Grubenstempel abgelöst, die zu Ausbaurahmen zusammengefasst und im schreitenden Schildausbau benutzt werden. Schächte werden mit Tübbings, Hauptstrecken mit Betonformsteinen und Stahlbogen ausgebaut. Die Gewinnung ist heute in allen B.-Zweigen weitgehend automatisiert und verläuft computergesteuert. Kohle fällt beim Lösen (u. a. mit Schrämmaschinen) auf einen längs der Abbaufront verlegten, mechanisch rückbaren Kettenkratzerförderer, oder sie wird beim Räumen auf ihn geschoben. Im Kali- und Erz-B. hat sich die LHD-Technik durchgesetzt. Neue Gewinnungsverfahren sind Laugung, Hydroabbau und Untertagevergasung. Der Transport vom Abbauort erfolgt durch Rutschen, Förderbänder, Kettenkratzerförderer, Schrapper u. Ä. zur Hauptförderstrecke. Dort wird das Gut mit Bandanlagen oder Förderwagen weitertransportiert. Die Schachtförderung hebt das Fördergut in Gefäßen oder Gestellen ans Tageslicht. Die Wasserhaltung hebt die dem Bergwerk zufließenden Wasser an die Erdoberfläche und verhindert das Absaufen der Grube. Die Wetterführung sorgt für ständige Frischluftzufuhr, Kühlung und Verdünnung explosiver und giftiger Gasgemische. Bei hohen Grubentemperaturen werden die Wetter mit Wetterkühlanlagen gekühlt.Ein wichtiger Zweig des B. in Dtl. ist der nicht in allen Bundesländern der Bergaufsicht unterstellte Steine-und-Erden-B. mit jährlich etwa 800 Mio. t geförderten Sanden, Kiesen, Schottern, Tonen, Kalk- und Natursteinen. Der Kohle-B. umfasst die großen Steinkohlenvorkommen in den Revieren an Rhein, Ruhr und Saar sowie die bedeutenden Braunkohlenvorkommen im Rheinland, in Mittel-Dtl., in der Lausitz und bei Helmstedt (Braunkohle, Steinkohle). Der über 1 000 Jahre mit weltweiter Bedeutung in Dtl. betriebene Erz-B. wurde 1993 vollständig eingestellt.Geschichte: Vereinzelt hat es B. (auf Feuerstein u. a. Gesteinsarten) schon in der Steinzeit gegeben. In der Bronzezeit entstand der B. (auf Kupfer und Zinn) in allen alten Kulturlandschaften (China, Japan, Südamerika, Indien, Vorderasien, Nordafrika, Europa). Bedeutende Kupferbergwerke der Bronzezeit mit Scheide- und Schmelzplätzen fanden sich in Salzburg und Tirol. Eisenerze (in Anatolien von den Hethitern schon im 14. Jh. v. Chr. verarbeitet) wurden in Europa erst seit etwa 800 v. Chr. gewonnen. B. auf Steinsalz kennt man aus der Hallstatt- und Latènezeit (Hallein, Hallstatt u. a.). Der antike B. gründete sich vor allem auf die Lagerstätten in Zypern (Kupfer), Laurion in Attika (Silber, Blei, Zink, Kupfer), Spanien (Silber, Zinn), Irland und Cornwall (Zinn). Im Abendland war bis ins 16. Jh. der dt. B. führend, nicht nur in Dtl. selbst (Harz, Erzgebirge, Alpen, Schlesien, Böhmen), sondern durch dt. Bergleute auch im übrigen Europa (Ungarn, Spanien). Ende des 12. Jh. war die Entwicklung des Bergrechts und des Bergregals im Wesentlichen schon abgeschlossen. Der B. wurde in Form der bergrechtl. Gewerkschaft betrieben, in die seit dem Ende des 15. Jh. allerdings auch große Geldgeber eintraten (Fugger). Das 16. Jh. brachte durch techn. Verbesserungen und Lehrbücher einen neuen Aufschwung. Im Absolutismus begann der Staat den B. zu beherrschen, die Bergleute wurden zu Knappschaften zusammengeschlossen und Bergakademien gegründet. Die Dampfmaschine ermöglichte B. in größerer Tiefe und begünstigte industrielle Großbetriebe. Entscheidend wurden die Lagerstätten des Eisenerzes, der Stein- und Braunkohle. Ende des 18. Jh. gewann Großbritannien die Führung in der sich entwickelnden Schwerindustrie. Seit 1850 begann die Entwicklung der großen Reviere in Nordfrankreich, Belgien, Dtl. (Ruhr, Saar, Oberschlesien), Australien (Gold), den USA (Kohle, Kupfer, Erdöl, Eisen, Nickel) und Südafrika (Diamanten, Gold); seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kommt dem Abbau der Uranerze und der Gewinnung von Erdöl und Erdgas immer größere Bedeutung zu. Während die Offshoretechnik beträchtl. Mengen an Erdöl und Erdgas liefert, liegt die Nutzung des marinen Erzbergbaus ( Meeresbergbau) noch in der Zukunft.
Literatur:
Suhling, L.: Aufschließen, Gewinnen u. Fördern. Gesch. des B.s. Reinbek 9.-11. Tsd. 1988.
Sozialgeschichte des B.s im 19. u. 20. Jh. Beiträge des Internat. Kongresses zur B.-Geschichte, Bochum ..., hg. v. K. Tenfelde. München 1992.
Montanarchäologie in Europa. Berichte zum Internat. Kolloquium »Frühe Erzgewinnung u. Verhüttung in Europa« ..., hg. v. H. Steuer u. U. Zimmermann. Sigmaringen 1993.
Olschowy, G.: B. u. Landschaft. Rekultivierung durch Landschaftspflege u. Landschaftsplanung. Hamburg u. a. 1993.
Das B.-Handbuch. hg. von der Wirtschatsvereinigung Bergbau e. V. Essen 51994.
Faust, W.: Bermännische Begriffe. Dresden 1997.
Gilcher, S.: Renaturierung von Abbaustellen. Stuttgart 1999.
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