Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bayern
Bayern,Land (Freistaat) im S der Bundesrep. Dtl., mit 70 551 km2 das flächenmäßig größte, mit (1998) 12,066 Mio. Ew. nach der Bevölkerungszahl das zweitgrößte der dt. Bundesländer,
Hptst. ist München.
Landesnatur: B. hat im S Anteil an den Nördl. Kalkalpen mit Dtl. höchstem Berg, der Zugspitze (2 962 m ü. M.). Ihnen schließt sich nördl. das Alpenvorland an, ein Moränengebiet mit Seen (Ammer-, Starnberger, Chiemsee u. a.). Nach N folgt bis zur Donau ein fruchtbares Hügelland, von teils moorigen Niederungen und Schotterfluren der Alpenflüsse unterbrochen. Das Mittelgebirgsland nördlich der Donau umfasst im O den Bayer. Wald (Nationalpark, Naturpark), den Oberpfälzer Wald, das Fichtelgebirge und den Frankenwald. Im N hat B. Anteil am waldreichen Spessart und der Rhön (Biosphärenreservat). Dazwischen liegt der östl. Teil des Schwäbisch-Fränk. Stufenlandes mit Frankenhöhe, Steigerwald, Haßbergen und Fränk. Alb. Den größten Teil B. entwässert die Donau mit ihren Nebenflüssen (Iller, Lech, Isar und Inn von S, Wörnitz, Altmühl, Naab und Regen von N), den NW der Main mit seinen Nebenflüssen (u. a. Regnitz, Tauber).
Bevölkerung: Die ursprüngl. Bevölkerungsgruppen sind im N vorwiegend die Franken, im S die Baiern und im SW die Schwaben. Die Struktur veränderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zustrom von 2,4 Mio. Heimatvertriebenen und Flüchtlingen. Große Gebiete (Oberpfalz, Niederbayern) sind verhältnismäßig dünn besiedelt; Ballungsgebiete gibt es nur um die Großstädte (München, Augsburg, Erlangen, Nürnberg, Regensburg, Würzburg); 62,7 % der Bev. sind kath., 26,1 % evangelisch. - In B. gibt es zehn Univ. (München [Univ., TU und Univ. der Bundeswehr], Erlangen-Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Augsburg, Bayreuth, Passau, Bamberg, Kath. Univ. Eichstätt), zwei Kunstakademien (München, Nürnberg), zwei Hochschulen für Musik, eine Hochschule für Fernsehen und Film, drei Theolog. Hochschulen und mehrere Fachhochschulen.
Wirtschaft: Die Ind. hat seit 1949 die Land- und Forstwirtschaft von der ersten Stelle verdrängt. Zentren der Großind. (Erzeugung von Straßen-, Raum- und Luftfahrzeugen; Maschinenbau, Elektrotechnik und Elektronik, chem. Ind.) sind München, Augsburg, der Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen, Ingolstadt und Regensburg. Führend ist B. in der Herstellung von Kugellagern (Schweinfurt), Porzellan (Oberfranken, Oberpfalz), Bleistiften und Spielwaren (Nürnberg, Fichtelgebirge); bed. sind die Textil- und Bekleidungsind. (Oberfranken, Schwaben) sowie die Nahrungsmittelind. (Käseherstellung, Mälzereien und Brauereien). Bodenschätze gibt es wenig; gewonnen werden v. a. Salz (bei Berchtesgaden), Graphit (bei Passau), Kaolin (Oberpfalz), Erdöl und Erdgas (Voralpenland). Für die Energieversorgung sind von besonderer Bedeutung fünf Kernkraftwerkblöcke (an drei Standorten), die rd. 60 %, und die Wasserkraftwerke, die 17 % der Stromerzeugung liefern. - B. hat die größte landwirtsch. Nutzfläche (48 % der Landesfläche) unter den Bundesländern; Hauptkulturen sind Weizen, Gerste, Hackfrüchte, Sonderkulturen Hopfen (Hallertau) und Weinreben (Franken). Ertragreichster Zweig ist die Viehwirtschaft, bes. im Alpenvorland; B. ist führend in der Erzeugung von Milchprodukten. 33,8 % der Landesfläche sind bewaldet. B. ist bevorzugtes Fremdenverkehrsland (v. a. Oberbayern, Allgäu, Bayer. Wald). - Verkehrsmäßig ist B. durch das Eisenbahn- und das Autobahnnetz voll erschlossen. Wichtige Wasserstraßen sind der Main (ab Bamberg für Schiffe bis 1 350 t befahrbar), die Donau (ab Kelheim) und der die beiden verbindende Main-Donau-Kanal, wodurch der Rhein-Main-Donau-Großschifffahrtsweg gebildet wird; in Deggendorf besteht ein Freihafen; internat. Flughäfen besitzen München (im Erdinger Moos) und Nürnberg.
Verfassung: Nach der Verf. vom 2. 12. 1946, durch Volksentscheid geändert 1998, übt der Landtag (204 Abg., ab 2003 180 Abg., für vier, ab 2003 für fünf Jahre gewählt) die Legislative aus; ihm steht bis 1999 der Senat mit beratender Funktion zur Seite. Das Parlament wählt den MinPräs., der die Reg. beruft. Gesetze können außer vom Landtag auch durch Volksentscheid beschlossen werden.
Geschichte: Im 6. Jh. entstand das (ältere) Stammesherzogtum der Baiern unter den Agilofingern; geriet unter fränk. Oberhoheit. Um 740 organisierte Bonifatius die Bistümer Salzburg, Passau, Regensburg, Freising und Eichstätt. Karl d. Gr. setzte 788 den letzten Agilofinger, Tassilo III., ab und machte B. zum karoling. Teilreich. Anfang des 10. Jh. entstand das jüngere Herzogtum B.; 976 wurde Kärnten abgetrennt. 1070 kam B. an die Welfen, 1139-56 gehörte es zwischenzeitlich den Babenbergern, die danach aber das von B. getrennte Österreich (seit 976 Markgrafschaft, seit 1156 Herzogtum) behielten; Herzogssitz war bis ins 13. Jh. Regensburg. Nach dem Sturz Heinrichs des Löwen kam B. 1180 an die Wittelsbacher. Diese erwarben 1214 die Rheinpfalz und nach und nach die Oberpfalz; 1255 erfolgte die Aufteilung in Nieder- und Ober-B. (mit der Rheinpfalz), 1329 die Teilung in die (rhein.) Kurpfalz, die Oberpfalz sowie das restl. B. Die Erwerbungen Kaiser Ludwigs IV., des Bayern (1314-47), Brandenburg, Tirol, Holland, Seeland und Hennegau, gingen seinem Haus bald verloren. Nach den Teilungen in die Linien Landshut, Straubing, Ingolstadt und München wurde das Land 1506 wieder vereinigt. Die Reformation wurde unterdrückt. 1542 kamen die Jesuiten an die 1472 gegr. Landesuniv. Ingolstadt. Maximilian I. (1597 bis 1651) übernahm neben den Habsburgern die Führung der Gegenreformation in Dtl.; er erhielt 1623 die Kurwürde, 1628 die Oberpfalz. Kurfürst Maximilian II. Emanuel (1679-1726) stand im Span. Erbfolgekrieg auf frz. Seite; sein Sohn Karl Albrecht kämpfte 1741-45 im Österr. Erbfolgekrieg gegen Maria Theresia und wurde als Karl VII. zum Kaiser gewählt (1742-45). Als die bayer. Linie der Wittelsbacher 1777 erlosch, folgte Karl Theodor aus der Linie Pfalz-Sulzbach, der schon die Kurpfalz und die Herzogtümer Jülich und Berg besaß. Der gegen die wittelsbach. Besitzvereinigung von Kaiser Joseph II. angebotene Tausch von Teilen B. gegen Belgien (österr. Niederlande) beschwor den Bayer. Erbfolgekrieg (1778/79) zw. Österreich und Preußen herauf; im Frieden von Teschen 1779 kam nur das Innviertel an Österreich. 1799 gelangte Maximilian IV. Joseph aus der Linie Pfalz-Zweibrücken an die Regierung.In der napoleon. Zeit wuchs B. durch den engen Anschluss an Frankreich, den der Min. M. Graf Montgelas 1801 vollzog, zum größten dt. Mittelstaat heran. Es musste zwar 1801 auf die Rheinpfalz und Jülich und 1806 auch auf Berg verzichten, konnte aber 1803-10 sein Gebiet nahezu verdoppeln: zu Alt-B. kamen weite schwäb. und v. a. fränk. sowie österr. Gebiete hinzu. Der Kurfürst nahm 1806 als Maximilian I. Joseph den Königstitel an und trat dem napoleon. Rheinbund bei. 1808 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. In den Befreiungskriegen ging B. durch den Vertrag von Ried (8. 10. 1813) zu den Gegnern Napoleons I. über; es musste nun die österr. Abtretungen zurückgeben, wurde aber 1815/16 durch das Großherzogtum Würzburg, Aschaffenburg und die linksrhein. Pfalz entschädigt. Nach dem Sturz von Montgelas kam 1817 das Konkordat zustande, das die bayer. Kirche reorganisierte (Kirchenprov. München und Bamberg). Am 26. 5. 1818 erhielt B. eine konstitutionelle Verfassung mit zwei Kammern. Ludwig I. (1825-48) machte München zur Kunststadt und verlegte 1826 die Univ. dahin. B. wurde Mitbegründer des Dt. Zollvereins (1834); 1835 wurde in B. die erste dt. Eisenbahnlinie eröffnet (Nürnberg-Fürth). Unruhen in München (Anfang 1848, u. a. wegen der Sängerin Lola Montez) veranlassten Maximilian II.Ludwig, zugunsten seines Sohnes abzudanken. 1849 wurde der pfälz. Aufstand mithilfe preuß. Truppen niedergeworfen. 1866 kämpfte B. aufseiten Österreichs gegen Preußen. 1870/71 nahm es am Dt.-Frz. Krieg teil, 1871 trat es in das Dt. Reich ein. Nach dem Tod König Ludwigs II. (1864-86) wurde B. unter Prinzregent Luitpold (1886-1912) streng konstitutionell regiert; sein Sohn und Nachfolger bestieg 1913 als König Ludwig III. den Thron. Die »Patrioten«, die sich 1887 der Zentrumspartei anschlossen, besaßen 1869-87 und wieder seit 1899 die Landtagsmehrheit; 1912 wurde der Zentrumsführer G. Freiherr von Hertling MinPräs. (bis 1917).Am 7./8. 11. 1918 wählte der Münchner Arbeiter- und Soldatenrat K. Eisner zum bayer. MinPräs.; dieser erklärte B. zur Republik. Stärkste Partei wurde die Bayer. Volkspartei (BVP; Nachfolgerin des Zentrums). Nachdem Landtag und Landesreg. angesichts der Unruhen im März 1919 nach Bamberg ausgewichen waren, riefen revolutionäre Gruppen in München die »Räterepublik Baiern« aus; sie brach jedoch mit der Besetzung Münchens durch Reichstruppen (1./2. 5. 1919) zusammen. Mit der »Bamberger Verf.« (in Kraft seit dem 15. 9. 1919), die B. zum Freistaat (1920 Anschluss Coburgs) innerhalb des Dt. Reiches machte, und der Weimarer Reichsverf. verlor B. fast alle Sonderrechte. Während des Kapp-Putsches im März 1920 erfolgte in B. eine scharfe polit. Wendung auf restaurativen Kurs (nach mehr Eigenständigkeit); das führte unter G. Ritter von Kahr (1920/21 MinPräs., ab Sept. 1923 als von der bayer. Reg. ernannter »Generalstaatskommissar«) zu heftigem Streit mit der Reichsreg.; im Nov. 1923 versuchte A. Hitler ihn zum Staatsstreich gegen die Reichsreg. zu bewegen (Hitlerputsch). Nach dem Rücktritt von Kahrs (1924) beendete der neue MinPräs., H. Held (1924-33), die Kontroverse mit dem Reich. 1924/25 kam es zu einem Konkordat mit dem Hl. Stuhl. Bei den Wahlen von 1932 konnte sich die BVP knapp vor der NSDAP behaupten. Nach deren Machtergreifung im Reich setzte die nat.-soz. Reg. am 9. 3. 1933 General F. X. Ritter von Epp als Reichsstatthalter im gleichgeschalteten B. ein. 1945 kam B. (mit Ausnahme Lindaus und der Pfalz) zur amerikan. Zone; während die Pfalz 1946 Rheinland-Pfalz eingegliedert wurde, kam 1945 die thüring. Enklave Ostheim zu B. 1946 trat eine neue Verf. in Kraft. Seit 1946 ist die CSU die stärkste Partei (1946-50 und seit 1962 in absoluter Mehrheit); unter dem Vorsitz von F. J. Strauß (1961-88) gewann sie auch auf Bundesebene Bedeutung; sie stellt (außer 1954-57: W. Högner, SPD) alle MinPräs.: H. Ehard (1946-54, 1960-62), H. Seidel (1957-60), A. Goppel (1962-78), F. J. Strauß (1978-88), M. Streibl (1988-93), E. Stoiber (seit 1993).
Literatur:
Hanns-Seidel-Stiftung. B. Portrait eines Freistaats, hg. v. der München 1991.
Rutte, E.: B.s Erdgeschichte. Der geolog. Führer durch B. München 1992.
Staat, Kultur, Politik. Beiträge zur Gesch. B.s u. des Katholizismus, hg. v. W. Becker u. W. Chrobak. Kallmünz 1992.
Roth, R. A.: Freistaat B. Polit. Landeskunde, hg. v. der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit. München 21994.
Die Römer in B. Beiträge v. W. Czysz u. a. Stuttgart 1995.
Gemeindeordnung, Landkreisordnung, Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat B. Textausgabe mit Einführung, ergänzenden Rechtsvorschriften ..., begr. v. H. von Koch u. O. Tschira, bearb. v. W. Magg. München 111996.
Hubensteiner, B.: Bayerische Geschichte. Staat u. Volk, Kunst u. Kultur. München 1997.
Prinz, F.: Die Geschichte B.s. München 1997.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Bayern