Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bauerndichtung
Bauerndichtung,die dichter. Darstellung bäuerl. Lebens. Im 13. Jh. entstanden neben dem ersten dt. Bauernepos »Helmbrecht« des Wernher der Gartenaere (1250) die Gedichte Neidharts von Reuental und seiner Nachahmer, die den groben, unhöf. Bauern in Ggs. zum höfisch erzogenen Ritter stellen. Verspottung des Bauern aus bürgerl. Standesgegensatz heraus bringt das Fastnachtsspiel des 15. Jh.; mehr derb humoristisch wird der Bauer im Schwank des 16. Jh. (v. a. bei Hans Sachs) dargestellt. Die Idyllen des 18. Jh. von Maler Müller und J. H. Voss geben realist. Züge aus dem bäuerl. Leben wieder und leiten zu Dorfgeschichte und -roman der dt.-sprachigen Lit. des 19. Jh. über (J. Gotthelf, K. Immermann, G. Keller, B. Auerbach, F. Reuter, L. Anzengruber u. a.). Ende des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. beginnen Naturalismus und Heimatkunst bäuerl. Milieu zu schildern (P. Rosegger, W. von Polenz, L. Thoma, H. Löns, F. Stavenhagen, K. Schönherr, R. Billinger, Lena Christ, P. Dörfler, J. Oberkofler, K. Waggerl u. a.), wobei die teilweise myth. Überhöhung der bäuerl. Welt der Blut-und-Boden-Dichtung den Weg bereitete. In der dt. Gegenwartslit. war der autobiograph. Bericht der Bäuerin Anna Wimschneider sehr erfolgreich. Hohen Rang hat die B. der skandinav. Länder (B. Björnson, K. Hamsun, O. Duun, M. Andersen Nexø, G. Gunnarsson), auch die der Flamen (S. Streuvels), der Polen (W. S. Reymont) und Russen (I. S. Turgenjew, im 20. Jh. die Autoren der Dorfprosa). Im frz. Sprachbereich traten nach George Sand, H. de Balzac u. a. C. Ramuz und J. Giono, im italien. G. Verga und I. Silone hervor.
Literatur:
Zimmermann, P.: Der Bauernroman. Stuttgart 1975.
Baur, U.: Dorfgeschichte. Zur Entstehung u. gesellschaftl. Funktion einer literar. Gattung im Vormärz. München 1978.
Hofmann, Tessa: Das Bauernthema in der sowjetruss. Prosa der 20er Jahre. München 1983.
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