Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bakterien
Bakteri|en[grch. baktēría »Stock«, »Stab«], große Gruppe einzelliger Mikroorganismen ohne echten Zellkern, die sich in die Abteilungen Archaebakteria und Eubakteria aufspalten. Die Archaebakterien unterscheiden sich von den Eubakterien in wesentl. Merkmalen, z. B. sind Ribosomen, Zellwände und Membranlipide unterschiedlich strukturiert. Die eigentl. B., die Eubakterien, wurden nach der Art ihrer Fortpflanzung durch Zweiteilung früher Spaltpilze (Schizomyzeten) genannt. Ihre Größe liegt i. d. R. bei 1-10 μm. Sie lassen sich auf die Grundformen der Kugel (Kokken), des geraden Zylinders (Bakterium) oder des gekrümmten Zylinders (Vibrionen), z. T. mit schraubigen Windungen (Spirillen), zurückführen. Durch Aneinanderhaften nach den Teilungen können sich Zellhaufen (Staphylokokken), Zellpakete (Sarcinen), Zellfäden (Streptokokken) bilden. Eine Zellwand gibt den B. ihre Form und Festigkeit; ihre Anfärbbarkeit mit einer bestimmten Technik (Gramfärbung) dient als Unterscheidungsmerkmal zw. grampositiven (Zellwand mit mehrschichtigem Mureinnetz) und gramnegativen B. (mit dünner Mureinschicht und äußerer Membran). Oft ist die Wand der B. von einer Schleimhülle oder -kapsel umgeben, die Schutz vor Phagozytose bietet.Im Innern wird das Zytoplasma von einer Zytoplasmamembran umgeben und ist mit zahlr. Ribosomen sowie mit Reservestoff-Einschlüssen angefüllt. B. besitzen keinen echten Kern, sondern nur Kernmaterial in Form eines DNS-Fadens (Nucleinsäuren), der frei im Zytoplasma verteilt liegt. Bestimmte B. sind in der Lage, gegen ungünstige Umweltbedingungen widerstandsfähige Dauerformen (Sporen) zu bilden. Bazillen sind eine bestimmte Gruppe von B., die Sporen bilden (oft fälschlich für B. verwendet). Manche B. haben Geißeln als Fortbewegungsmittel. Obwohl B. sich nur ungeschlechtlich durch Teilung vermehren und echte Kernverschmelzung nicht möglich ist, kommt es zur Übertragung von Erbinformationen durch spezielle Mechanismen wie Konjugation, Transformation und Transduktion. Die Übertragung menschl. Erbsubstanz auf B. (Gentechnologie) kann zur Erzeugung großer Mengen von z. B. menschl. Insulin oder Interferon führen.B. sind auf der ganzen Erde im Boden, im Wasser, in der Luft, in Lebewesen und auf allen Gegenständen verbreitet. Fruchtbarer Ackerboden enthält in 1 g über 2 500 Mio. B. Stark verschmutztes Abwasser hat etwa 1 Mio. B. in 1 cm3, Trinkwasser höchstens 100. Wachstum und Vermehrung der B. werden von zahlr. Faktoren des umgebenden Milieus und vom Nährstoffangebot bestimmt. Die Mehrzahl der B. ernährt sich heterotroph, d. h., der Kohlenstoffbedarf wird durch Abbauvorgänge (Fäulnis, Verwesung) aus organisch gebundenem Kohlenstoff gedeckt; die anderen sind autotroph, d. h., sie decken ihren Kohlenstoffbedarf aus dem Kohlendioxid der Luft und gewinnen die hierzu nötige Energie entweder durch Photosynthese oder Chemosynthese. Manche B. ertragen extreme Temperaturen. Aerobe B. können nur in sauerstoffhaltiger Umgebung leben, anaerobe nur in Abwesenheit von Sauerstoff; manche sind jedoch nicht streng (fakultativ) auf die Abwesenheit von Sauerstoff festgelegt. B., die sich auf totem, organ. oder anorgan. Material vermehren, werden als Saprophyten bezeichnet, solche, die auf einen lebenden Organismus angewiesen sind, als Parasiten, wenn sie den Organismus schädigen, als Kommensalen, wenn sie ihn nicht schädigen. Von grundlegender biolog. Bedeutung sind die B. als Vermittler des Wechsels der Materie zw. belebter und unbelebter Natur. Vorwiegend im Erdboden werden alle organ. Stoffe durch die Stoffwechseltätigkeit von B. mineralisiert (zu anorgan. Stoffen abgebaut) und so den Pflanzen als Nährstoffe wieder verfügbar gemacht. Krankheitserregende (pathogene) B. sind Erreger von Infektionskrankheiten bei Mensch, Tier und Pflanze. Ihre krank machende Wirkung beruht auf Strukturelementen der B. (z. B. Kapsel), Enzymen oder Toxinen (Bakteriengifte), die, in die Umgebung abgegeben, die Körpersubstanz des Wirtes schädigen. Von Nutzen ist die B.-Flora (Gesamtheit der Kommensalen) bei Mensch und Tier, die Haut, Schleimhaut und Magen-Darm-Kanal ihres Wirtes bewohnt und als Gewebeschutz und Verdauungshilfe dient. Wirtsch. Anwendung findet die B.-Tätigkeit bei vielen techn. Prozessen (z. B. Säuerung der Milch, Reifung von Käse) und bei der industriellen Herstellung von Vitaminen, Antibiotika u. a. Durch Züchtung auf künstl. Nährböden (B.-Kultur) lassen sich B. erkennen und isolieren.
Literatur:
Schlegel, H. G.: Allgemeine Mikrobiologie. Stuttgart u. a. 71992.
Birge, E. A.: Bacterial and bacteriophage genetics. New York 31994.
Singleton, P.: Einführung in die Bakteriologie. A. d. Engl. Heidelberg u. a. 1995.
Ball, A. S.: Bacterial cell culture. Essential data. Chichester 1997.
Bacterial infection: close encounters at the host pathogen interface, hg. v. P. K. Vogt u. M. J. Mahan. Berlin 1998.
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