Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
ägäische Kultur
ägäische Kultur,nach dem Ägäischen Meer benannte bronzezeitl. Kultur, die im 3. und 2. Jt. v. Chr. die Ägäischen Inseln mit den Kykladen und Kreta sowie auch das grch. Festland und die Westküste Kleinasiens umfasste. Die eigenständige Kultur auf Kreta heißt nach König Minos minoisch. Die drei Perioden frühminoisch (3000-2000 v. Chr.), mittelminoisch (2000-1550 v. Chr.), spätminoisch (1550-1100 v. Chr.) gelten mit kleinen Abweichungen auch für die gleichzeitigen Kulturen des grch. Festlands (helladisch) und der Inseln des grch. Archipels (kykladisch). Für das sowohl mit der ä. K. als auch mit der kleinasiat. Kultur verbundene Troja ergab sich aufgrund der Stadtperioden Troja I bis VIII b (rd. 2500-1100 v. Chr.) eine eigene Gliederung. Die Spätphase der ä. K. wird auch als kretisch-myken. Kultur bezeichnet. Erste erfolgreiche Grabungen in Troja, Mykene, Tiryns führte H. Schliemann zw. 1870 und 1890 durch. Das minoische Kreta hat Sir Arthur Evans durch die Ausgrabung von Knossos (seit 1900) entdeckt.Auf Kreta wird die frühminoische Periode mit Stein- und Tongefäßen, auch Goldarbeiten, v. a. aus Gräbern, nach einer neueren Gliederung als Vorpalastzeit bezeichnet. Die ältesten Überreste von Palästen in Knossos, Mallia und Phaistos gehören an den Anfang der mittelminoischen Periode. Aus dieser Älteren Palastzeit (etwa 2000-1650 v. Chr.) stammen die Keramik mit weißen und roten Dekorationen auf schwarzem Grund (Kamaresvasen), Goldfunde, Kleinplastik, Siegelkunst, älteste Schriftzeugnisse (Bilderschrift auf Tontäfelchen). Die 2. Blütezeit, Jüngere Palastzeit, setzte mit der Wiedererrichtung der durch Erdbeben zerstörten Paläste und Siedlungen am Ende der mittelminoischen Periode (Mitte 17. Jh. v. Chr.) ein und wurde während der spätminoischen Periode wohl durch bürgerkriegsähnliche Wirren, hervorgerufen durch Hungersnöte und soziale Missstände, und letztlich durch die Invasion myken. Krieger Anfang des 14. Jh. beendet. Aus dieser Zeit stammen die Paläste in der durch Ausgrabungen überlieferten Gestalt, weiterhin Wandmalereien und Miniaturfresken, Fayence- und Elfenbeinfiguren sowie Keramik mit nun dunkel auf hellen Grund gemalten Motiven. Auf Thera entstand eine wohlhabende Stadt, um 1645 v. Chr. durch einen Vulkanausbruch verschüttet. Am Ende der Periode wechselte die inzwischen ausgebildete Silbenschrift (»Linearschrift«) auf den Tontäfelchen von der älteren Stufe (Linear-A) zur jüngeren Stufe (Linear-B). Unter der Vorherrschaft des myken. Festlandes verlor Kreta in der Nachpalastzeit (etwa 1375 bis etwa 1200 v. Chr.) seine Bedeutung.Auf dem grch. Festland sind aus der frühhellad. Periode Siedlungen und monumentale Anlagen (Lerna, Tiryns) bekannt. Eine Leitform der Keramik ist die Schnabelkanne. In der mittelhellad. Periode (erste Hälfte 2. Jt. v. Chr.) bringt die Keramik neue Formen und eine andere Art der Oberflächenbehandlung: Ornamente in mattem Schwarzton (Mattmalerei) oder einheitlich schwarze, graue oder gelbl. Oberfläche (minysch). Die späthellad. ist zugleich die späthellad. Periode, und da die Kunst in dieser Zeit von der kret. abhängig war, spricht man auch von kretisch-myken. Kunst, mit Schachtgräbern (16. Jh. v. Chr., mit reichen Beigaben) und mit großen Kuppelgräbern in Mykene (15.-14. Jh. v. Chr., z. B. »Schatzhaus des Atreus«) sowie mit mächtigen Burgen in Mykene, Tiryns, Pylos. Nach der Zerstörung von Knossos (um 1375 v. Chr.) ging die Vormacht in der Ägäis an das myken. Festland über. Die zunächst nachgeahmten minoischen Formen und Motive der Keramik wurden vom 14. Jh. an reduziert und dann rein mykenisch. Die auf Kreta entwickelte Linear-B-Schrift wurde zur myken. Palastschrift. Die von Norden eindringenden Dorer zerstörten um 1150 v. Chr. endgültig die myken. Burgen und Siedlungen.Auf den Kykladeninseln entfaltete sich im 3. Jt. v. Chr. eine (v. a. durch Grabfunde bekannte) Kunst von großer Eigenständigkeit (kyklad.), die sie aber im Lauf des 2. Jt. v. Chr. zunehmend verlor. Von künstler. Bedeutung sind v. a. etwa 20 bis 30 cm hohe, teils bemalte Kykladenidole aus Marmor, ferner Marmorgefäße (Kegelvasen, Becher) und reich reliefierte oder mit Ritzmustern versehene Steingefäße und Keramik.
Literatur:
Demargne, P.: Die Geburt der grch. Kunst. Die Kunst im ägäischen Raum von vorgeschichtl. Zeit bis zum Anfang des 6. vorchristl. Jh.s. Sonderausg. München 1977.
Helck, W.: Die Beziehungen Ägyptens u. Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jh. v. Chr. Darmstadt 1979.
Marinatos, S. u. Hirmer, M.: Kreta, Thera u. das myken. Hellas. Sonderausg. München 1986.
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