Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
andine Hochkulturen
andine Hochkulturen,die vorkolumb. Kulturen der südamerikan. Indianer im Gebiet der Anden; Reste finden sich in der heutigen Volkskultur. Die bedeutendsten und am besten erforschten Kulturen entstanden im Gebiet der Zentralanden (Peru, Bolivien), älteste Spuren sind aus dem 20. Jt. v. Chr. erhalten. Im nordandinen Raum erreichten die Kulturen nicht die gleiche Höhe; das gilt auch für die Kulturen im Gebiet von NW-Argentinien (Diaguita) und Chile. Kulturpflanzen lassen sich im mittelandinen Hochland (Ayacucho) seit etwa 6000 v. Chr. nachweisen.
Die ältesten Keramikfunde (Puerto Hormiga, N-Kolumbien; Valdivia, Küste Ecuadors) werden auf etwa 4100 v. Chr. datiert; in den Anden tritt Keramik erst etwa 2 000 Jahre später auf. - Als erste der a. H. dehnte sich die Chavínkultur (1000-300 v. Chr.) überregional aus, vermutlich auf der Grundlage eines gemeinsamen Kults (Verehrung einer Jaguargottheit). Etwa zur gleichen Zeit begann die Bearbeitung von Metallen. Kunst und handwerkl. Fähigkeiten erreichten ihren Höhepunkt in der klass. Periode (bis 600 n. Chr.) in den Kulturen von Paracas Necrópolis, Mochica, Nazca, Tiahuanaco. In der nachklass. Zeit entstanden straff gegliederte Reiche, so das Königreich der Chimú und das Reich der Inka, die von Cuzco aus in nur 100 Jahren (1438-1532) das Gebiet aller anderen Kulturen zw. S-Kolumbien und N-Chile unterwarfen und es in ihr Imperium, das einzige des vorkolumb. Amerika, eingliederten.Basis der Wirtschaft war der Feldbau (ohne Pflug), bes. Anbau von Mais und Kartoffeln, auch Baumwolle, intensiviert durch Anlage von Bewässerungsterrassen. Als Haustiere wurden Alpaka (Wolle), Lama (Wolle, Fleisch; auch als Lasttiere), Meerschweinchen (Fleisch) und Hund gehalten; als Fleischlieferanten spielten Wildtiere die größere Rolle; Milchprodukte waren unbekannt. Da es Rad und Wagen nicht gab, wurden Haustiere nicht als Zugtiere verwendet. Handwerk und Kunst, Stadt- und Tempelarchitektur waren hoch entwickelt. Ein gut ausgebautes Straßennetz (eine Hauptstrecke in den Anden 5 200 km, eine an der Küste rd. 4 000 km lang) errichteten die Inka. - Die Gesellschaft war hierarchisch geschichtet (Priester und Beamtenapparat unter sakralen Herrschern).Die ältesten Bauwerke aus Stein stammen etwa von 3000 v. Chr. Die größte Tempelanlage der präkeram. Zeit in Peru ist die von Chuquitanta (heute El Paraiso; 2500-1850 v. Chr.). Aus Lehmziegeln (Adobe) errichteten u. a. die Mochica Tempelpyramiden. Große Städte wie Chan Chan (aus Lehm und Adobe, rd. 18 km2) und Huari (aus Feldsteinen und Lehm) entstanden um 600-800 in den Zentralanden. Befestigungsanlagen aus Stein wurden von den Inka errichtet (Sacsayhuaman, Machu Picchu). - Steinplastiken kult. Bedeutung wurden in den frühen Perioden hergestellt (San Agustín, Chavín), später in Tiahuanaco, Huari, im Tafí-Tal (N-Argentinien). - Die Herstellung von Keramik (ohne Töpferscheibe, z. T. mit Modeln) erreichte Höhepunkte in den Kulturen von Nazca (vielfarbige Bemalung, polierte Oberfläche), Mochica (zweifarbig bemalte Gefäße, oft realist. Lebensszenen und Porträts) und Tiahuanaco (vielfarbig, glänzend poliert); Glas war unbekannt. - Metalle (Gold, Silber, Kupfer, in Ecuador auch Platin; außerdem Legierungen: Bronze; Tumbaga bes. in Kolumbien) wurden meist zu Schmuck verarbeitet (Treiben, Hämmern, Gießen). Bronze wurde bei den Inka auch für Waffen verwendet, Eisen war unbekannt. Hervorragende Goldarbeiten gab es in den Kulturen von Chavín, Quimbaya, Chimú, Muisca. - Textilien aus Baumwolle sowie aus Wolle von Lama, Alpaka und Vikunja erreichten in Nazca und Paracas den Höhepunkt. Federn meist von trop. Vögeln verzierten prächtige Umhänge, Kronen und Schilde (Huari, Inka). - Malerei findet sich auf Felsbildern, an den Wänden von monumentalen Grabkammern sowie auf Textilien und Keramik, realist. Darstellungen aus dem Alltagsleben bes. auf den Gefäßen der Mochicakultur; großflächige Scharrbilder im Gebiet von Nazca. - Eine Schrift scheint nicht bekannt gewesen zu sein, Knotenschnüre (Quipu) dienten wohl als Gedächtnishilfen.
Literatur:
Prem, H. J.: Gesch. Alt-Amerikas. München 1989.
Altamerikanistik. Eine Einführung in die Hochkulturen Mittel- u. Südamerikas, hg. v. U. Köhler. Berlin 1990.
Haberland, W.: Amerikan. Archäologie. Gesch., Theorie, Kulturentwicklung. Darmstadt 1991.
Wurster, W. W.: Die Schatz-Gräber. Archäolog. Expeditionen durch die Hochkulturen Südamerikas. Hamburg 1991.
1492-1992: Begegnung zweier Welten? Wirtsch. u. religiöse Folgen der europ. Expansion, hg. vom Autorenkollektiv Altamerikanistik Hamburg. Bearb. v. E.-W. Haase. Hamburg 1992.
Inka, Peru. 3 000 Jahre indian. Hochkulturen, hg. v. E. Bujok. Ausst.-Kat. Haus der Kulturen der Welt, Berlin. Tübingen 1992.
Amerika vor Kolumbus, hg. v. M. D. Coe u. a. München 61993.
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