Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Auge
Auge, 1) (lat. Oculus), lichtempfindl. Sinnesorgan bei Tieren und beim Menschen. Über die die Sehfarbstoffe enthaltenden Sehzellen werden Lichtreize wahrgenommen und somit Informationen über die Umwelt vermittelt (Lichtsinn).Die einfachsten Sehorganellen sind Karotinoide enthaltende Plasmabezirke, die A.-Flecke (Stigmen) vieler Einzeller. Die einfachsten Sehorgane der Mehrzeller sind einzelne Lichtsinneszellen (z. B. des Regenwurms), die in oder unter der durchsichtigen Haut liegen und eine lichtempfindl. Substanz in einer Vakuole enthalten. Beide A.-Formen ermöglichen jedoch nur ein Helligkeitssehen. Beim Pigmentbecher-Ocellus (z. B. bei niederen Würmern, Schnecken) sind die Sehzellen von einer halbkugelförmigen Schicht aus Pigmentzellen umgeben, die den Lichteinfall nur von der dem Pigmentbecher abgewandten Seite zulässt und somit Richtungssehen ermöglicht. Liegen die Sehzellen durch Einsenkung der Epidermis am Grund oder an den Wänden der gebildeten Grube, entsteht ein Gruben-A. (Napf-A.), z. B. bei Schnecken. Bei Einengung der Grubenöffnung zu einem engen Loch bildet sich das Kamera-A. (Loch-A.), z. B. beim Perlboot, in dem ein umgekehrtes, lichtschwaches Bild auf der Netzhaut entsteht. Ist die Grube vollkommen geschlossen, entsteht das Blasen-A., in dessen Innerem ein lichtbrechendes Sekret vorkommt, das als Linse bezeichnet wird (z. B. bei der Weinbergschnecke). Das Blasen-A. kann deshalb als einfache Form des Linsen-A. betrachtet werden. Die leistungsfähigsten Linsen-A. haben die Wirbeltiere (einschl. Mensch) und die Kopffüßer. Das Facetten- oder Komplex-A. der Gliederfüßer stellt eine besondere Entwicklung zum Bildsehen hin dar. Es besteht aus vielen wabenartig zusammengesetzten Einzel-A. (Sehkeilen, Ommatidien); das wahrgenommene Bild setzt sich mosaikartig aus den Bildpunkten der Einzel-A. zusammen (Scheitelauge).
Hat ein A. mehrere Sehzellen, die sich in ihrer Lichtempfindlichkeit unterscheiden, können versch. Farben wahrgenommen werden (Farbensehen). Wenn sich die Sehfelder paarig angelegter A. überschneiden (binokulares Sehen), werden versch. weit entfernte Gegenstände auf versch. Stellen der Netzhaut beider A. abgebildet. Aus der Lage der erregten Netzhautstellen kann die Entfernung des Gegenstandes durch das Gehirn erfasst werden (Entfernungssehen). Bewirkt die Bewegung eines Objektes eine raumzeitl. Verschiebung des opt. Musters auf der Netzhaut, so kann diese Verschiebung nach Richtung und Geschwindigkeit ausgewertet werden (Bewegungssehen).Das A. des Menschen hat einen Durchmesser von etwa 24 mm. Der kugelige Augapfel (Bulbus oculi) liegt geschützt in der Augenhöhle (Orbita) und umschließt die mit Kammerwasser gefüllte vordere und hintere Augenkammer sowie den Glaskörper (Corpus vitreum). Seine Beweglichkeit erhält er durch sechs Augenmuskeln. Der Augapfel wird von der Lederhaut, Aderhaut und Netzhaut ausgekleidet. Die aus derbem Bindegewebe bestehende Lederhaut (Sclera) bildet die äußerste Schicht. Sie geht im vorderen Teil des A. in die durchsichtige Hornhaut (Cornea) über. Die Hornhaut richtet die Lichtfülle, die die Augenoberfläche trifft, als Sammellinse nach innen und hilft sie zu ordnen, sodass auf der Netzhaut ein scharfes Bild entstehen kann. Auf die Lederhaut folgt nach innen zu die gut durchblutete Aderhaut (Chorioidea). Pigmente in bzw. vor der Aderhaut absorbieren das Licht, das die Netzhaut durchdringt. An die Aderhaut schließt sich nach innen zu die Netzhaut (Retina) an, von der die einfallenden Lichtreize aufgenommen und die entsprechenden Erregungen über den Sehnerv zum Gehirn weitergeleitet werden. Die vordere Augenkammer wird hinten durch die ringförmige Regenbogenhaut (Iris) begrenzt, die sowohl aus Teilen der Aderhaut als auch der Netzhaut gebildet wird. Sie gibt dem A. durch eingelagerte Pigmente die charakterist. Färbung und absorbiert außerhalb der Sehöffnung einfallendes Licht. Die Regenbogenhaut liegt der Augenlinse auf und umgrenzt die Pupille, die die Sehöffnung darstellt.Hinter Pupille und Regenbogenhaut, in eine Ausbuchtung des Glaskörpers eingebettet, liegt die Linse. Sie ist aus Schichten unterschiedl. Brechkraft aufgebaut und wird von einer durchsichtigen, elast. Membran umschlossen. Die Aufhängevorrichtung, durch die die Linse in ihrer Lage festgehalten wird, besteht aus Zonulafasern, die vom Ziliarkörper des A. entspringen. Der Ziliarkörper besitzt einen ringförmigen Muskelstreifen (Ziliarmuskel), bei dessen Kontraktion die Zonulafasern erschlaffen, sodass die Linsenwölbung zunimmt. Erschlafft der Muskel, so wird die Linse durch Zugwirkung der Zonulafasern flach gezogen. Durch diese Veränderung ihrer Brechkraft ermöglicht die Linse das Nah- und Fernsehen (Akkommodation). Ist die Linse stärker gewölbt, findet eine stärkere Brechung der Lichtstrahlen statt, wodurch eine Scharfeinstellung für das Nahsehen erreicht wird. Der umgekehrte Vorgang findet beim Sehen in die Ferne statt.Hornhaut, Linse, vordere Augenkammer und Glaskörper bilden den bildentwerfenden (dioptr.) Apparat des Auges. Das von diesem entworfene Bild wird von der Netzhaut aufgenommen und in Nervenimpulse umgewandelt. In der Netzhaut liegen die farbempfindl. Zapfen und die hell-dunkel-empfindl. Stäbchen. Die Stäbchen sind etwa 10 000-mal lichtempfindlicher als die Zapfen und überwiegen am äußeren Rand der Netzhaut. Im Zentrum der Netzhaut überwiegen die Zapfen, deren drei Typen für die Farbeindrücke Rot, Grün oder Blau ihre höchste Empfindlichkeit haben. Am dichtesten liegen die Zapfen in der Sehgrube (Fovea centralis), die inmitten des gelben Flecks liegt. Der gelbe Fleck ist daher als Ort der besten Auflösung (und Farbunterscheidung) die Zone der größten Sehschärfe. In der Netzhaut liegen etwa 125 Mio. Sehzellen, dabei etwa 20-mal mehr Stäbchen als Zapfen.Die linsenseitig gelegenen Fortsätze der Netzhautganglienzellen vereinigen sich zum Sehnerv (Nervus opticus), der nahe dem Netzhautzentrum die Netzhaut durchdringt und nach hinten aus dem A. austritt. An dieser Stelle, dem sog. blinden Fleck, enthält die Netzhaut keine Sehzellen, sodass eine Lichtempfindung fehlt. Die von den beiden A. wegführenden Nerven laufen zum Gehirn und bilden an der Basis des Zwischenhirns die x-förmige Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum), in der sich die Nervenfasern teilweise überkreuzen. Dadurch können versch. Bilder, die von beiden A. stammen, im Gehirn übereinander projiziert werden, sodass es zu einer Vorstellung der räuml. Tiefe und der dreidimensionalen Gestalt eines Gegenstandes kommt (stereoskop. Sehen).Dem Schutz und der Pflege des A. dienen die Augenlider. An ihren Rändern tragen sie die nach außen gebogenen Wimpern. An der Innenkante liegen die Meibom-Drüsen, die die Lider einfetten und damit zum vollkommenen Lidschluss beitragen. Gleichzeitig hindert ihr Sekret die Tränenflüssigkeit, den Lidrand zu überspülen. Die Tränenflüssigkeit wird von der Tränendrüse abgesondert und durch den Lidschlag auf den gesamten Augapfel verteilt. Die nicht zur Feuchthaltung des Augapfels gebrauchte Tränenflüssigkeit wird vom Tränen-Nasen-Gang in die Nasenhöhle abgeleitet.Über Augenkrankheiten Bindehautentzündung, Blindheit, Brechungsfehler des Auges, Glaukom, Hornhautentzündung, Katarakt, Regenbogenhautentzündung, Star, Trachom.
2) Baukunst: rundes Fenster, Lichtöffnung im Scheitel einer Kuppel.
3) Botanik: Knospe, Knospenansatz.
4) Meteorologie: windstilles und wolkenloses Gebiet von rd. 20 km Durchmesser im Zentrum eines trop. Wirbelsturms.
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