Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Atheismus
Atheịsmus[zu grch. átheos »ohne Gott«] der, die Leugnung der Existenz eines persönl. Gottes oder persönl. Götter jenseits der erfahrbaren Welt.
⃟ Geschichte: Früheste Formen des A. finden sich in alten ind. Religionen ohne Gott, wie dem Jinismus, dem Samkhya und dem ursprüngl. Buddhismus. Letzterer spricht zwar von Göttern, sie sind aber wie die Menschen in den innerweltl. Kreislauf des Werdens und Vergehens eingebunden, kommen also für die menschl. Erlösung nicht in Betracht. In der grch. Philosophie zeugen die Fragmente mancher Vorsokratiker von einem A., wie die des Demokrit und Kritias, die die Götter als menschl. Erfindung deuten, die ein wirksames Schreckmittel zur Erhaltung der moral. Ordnung bereitstellen sollen. Im Allg. jedoch blieb der A. Sache intellektueller Einzelgänger, da in der Antike noch ein naturreligiöses Lebensgefühl vorherrschte. Im christl. MA. gab es zwar keinen ausformulierten A., seit dem 13. Jh. nahm die Skepsis gegenüber den kirchl. Lehren aber zu. So wendete sich z. B. Siger von Brabant, beeinflusst von Schriften des arab. Aristoteleskommentators Averroes (Ibn Ruschd), gegen die christl. Schöpfungs- und Seelenlehre (Averroismus). Zur Ausbildung eines verallgemeinerten A. im westl. Geistesleben der Neuzeit tragen v. a. drei Ursachen bei: 1) der christl. Schöpfungsglaube selbst; er führt zur Entsakralisierung und Entgötterung der Natur; 2) die Entwicklung der Wiss., v. a. der Physik; sie praktizieren einen methodischen A., indem sie die Welt ohne Zuhilfenahme Gottes als Erklärungsgrund zu verstehen suchen. Vom methodischen A. führte die Entwicklung zum doktrinären A. einiger frz. Aufklärer (Voltaire), zu den dt. Materialisten des 19. Jh. (L. Büchner, E. Haeckel) bis zur Systematisierung des dialekt. Materialismus (Marxismus) durch F. Engels; 3) die Entwicklung der Lehre vom Menschen; dem humanist. A. erscheint die Annahme eines Gottes nicht mit der freien Selbstverwirklichung des Menschen vereinbar. So verwerfen L. Feuerbach, der auf ihm aufbauende marxist. A. und die Existenzphilosophie (J. P. Sartre) Gott als Konkurrenten.
Sprachkritisch argumentieren demgegenüber der Positivismus und die Neopositivismen. Weil aus sprachtheoret. Gründen das Wort »Gott« bedeutungsleer sei, führen diese Philosophien zum skeptischen bzw. agnostischen Atheismus.
▣ Literatur:
Bockmühl, K.: A. in der Christenheit. 2 Bde. Gießen 2-31984-85.
⃟ Pöhlmann, H. G.: Der A. oder der Streit um Gott. Gütersloh 71996.
Atheịsmus[zu grch. átheos »ohne Gott«] der, die Leugnung der Existenz eines persönl. Gottes oder persönl. Götter jenseits der erfahrbaren Welt.
⃟ Geschichte: Früheste Formen des A. finden sich in alten ind. Religionen ohne Gott, wie dem Jinismus, dem Samkhya und dem ursprüngl. Buddhismus. Letzterer spricht zwar von Göttern, sie sind aber wie die Menschen in den innerweltl. Kreislauf des Werdens und Vergehens eingebunden, kommen also für die menschl. Erlösung nicht in Betracht. In der grch. Philosophie zeugen die Fragmente mancher Vorsokratiker von einem A., wie die des Demokrit und Kritias, die die Götter als menschl. Erfindung deuten, die ein wirksames Schreckmittel zur Erhaltung der moral. Ordnung bereitstellen sollen. Im Allg. jedoch blieb der A. Sache intellektueller Einzelgänger, da in der Antike noch ein naturreligiöses Lebensgefühl vorherrschte. Im christl. MA. gab es zwar keinen ausformulierten A., seit dem 13. Jh. nahm die Skepsis gegenüber den kirchl. Lehren aber zu. So wendete sich z. B. Siger von Brabant, beeinflusst von Schriften des arab. Aristoteleskommentators Averroes (Ibn Ruschd), gegen die christl. Schöpfungs- und Seelenlehre (Averroismus). Zur Ausbildung eines verallgemeinerten A. im westl. Geistesleben der Neuzeit tragen v. a. drei Ursachen bei: 1) der christl. Schöpfungsglaube selbst; er führt zur Entsakralisierung und Entgötterung der Natur; 2) die Entwicklung der Wiss., v. a. der Physik; sie praktizieren einen methodischen A., indem sie die Welt ohne Zuhilfenahme Gottes als Erklärungsgrund zu verstehen suchen. Vom methodischen A. führte die Entwicklung zum doktrinären A. einiger frz. Aufklärer (Voltaire), zu den dt. Materialisten des 19. Jh. (L. Büchner, E. Haeckel) bis zur Systematisierung des dialekt. Materialismus (Marxismus) durch F. Engels; 3) die Entwicklung der Lehre vom Menschen; dem humanist. A. erscheint die Annahme eines Gottes nicht mit der freien Selbstverwirklichung des Menschen vereinbar. So verwerfen L. Feuerbach, der auf ihm aufbauende marxist. A. und die Existenzphilosophie (J. P. Sartre) Gott als Konkurrenten.
Sprachkritisch argumentieren demgegenüber der Positivismus und die Neopositivismen. Weil aus sprachtheoret. Gründen das Wort »Gott« bedeutungsleer sei, führen diese Philosophien zum skeptischen bzw. agnostischen Atheismus.
▣ Literatur:
Bockmühl, K.: A. in der Christenheit. 2 Bde. Gießen 2-31984-85.
⃟ Pöhlmann, H. G.: Der A. oder der Streit um Gott. Gütersloh 71996.