Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Astronomie
Astronomie[grch.] die (Himmelskunde, Sternkunde), zusammenfassende Bez. für die Wiss.en, die sich mit der Erforschung des Universums befassen. Die A. untersucht Verteilung, Bewegung, physikal. Zustand und Aufbau der kosm. Materie sowie deren Entstehung und Entwicklung. Grundlage ist die Analyse der aus dem Kosmos ankommenden elektromagnet. Strahlung. Zu den klass. Teilgebieten der A. gehören Astrometrie und Himmelsmechanik, die sich mit der Bestimmung von Position (Ort, Bahn) bzw. Bewegung der Himmelskörper unter dem Einfluss der Gravitation befassen, sowie die Stellar-A. (insbesondere die Stellarstatistik), die die Verteilung und Dynamik von Sternen innerhalb versch. Systeme (z. B. Milchstraße) analysiert. Die Ausdehnung des beobachteten Spektralbereichs der elektromagnet. Strahlung über das sichtbare Licht (optische A.) hinaus brachte u. a. die Radio- und Radar-A. und Methoden wie Ballon-, Raketen- und Satelliten-A. hervor; neue Spezialdisziplinen sind Gamma-, Röntgen-, Ultraviolett-, Infrarot-A. Sie lieferten zahlr. neue Erkenntnisse über die unterschiedlichsten kosm. Strahlungsquellen, die in der Astrophysik behandelt werden; von ihnen profitieren auch die Kosmologie und Kosmogonie. Über die elektromagnet. Strahlung hinaus werden u. a. auch die von der Sonne ausgehenden Neutrinos (Neutrino-A.) untersucht, ferner gibt es Versuche, Gravitationswellen nachzuweisen.Geschichte: Um 3000 v. Chr. begannen die Chinesen, Inder, Ägypter und Babylonier mit systemat. Himmelsbeobachtungen, die v. a. der Kalender- und Zeitbestimmung dienten. Die Babylonier führten u. a. den zwölfteiligen Tierkreis, die Ekliptik (nach 2000 v. Chr.) und um 500 v. Chr. den 19-jährigen Schaltzyklus für das Mond-Sonnen-Jahr ein. Grch. Gelehrte bemühten sich seit etwa 600 v. Chr. um Erklärung der Himmelserscheinungen. Aristarchos von Samos schlug bereits um 260 v. Chr. ein heliozentr. Weltbild vor, das u. a. auf der Kenntnis der Kugelgestalt der Erde und deren Eigendrehung basierte. Dennoch blieb das geozentr. Weltbild, das Ptolemäus (ptolemäisches Weltbild) um 150 n. Chr. in seinem »Almagest« zusammenfasste, bis ins ausgehende MA. unangefochten.Die Erneuerung der A. ging im 15. Jh. von Dtl. aus (z. B. von Regiomontanus). Besondere Bedeutung haben die Arbeiten von N. Kopernikus, der die Grundlagen für das heliozentr. Weltbild schuf, von T. Brahe und von J. Kepler, der die Gesetze der Planetenbewegung formulierte (keplersche Gesetze). Die Erfindung des Fernrohrs um 1608 (H. Lippershey) ermöglichte weitere und genauere Beobachtungen: Entdeckung der Jupitermonde durch G. Galilei 1610, der Sonnenflecke durch J. Fabricius, C. Scheiner und Galilei 1611, des Andromedanebels durch Simon Mayr 1612. Die ersten Sternwarten wurden in Paris (1669) und Greenwich (1676) gegründet; 1675 bestimmte O. Römer die Lichtgeschwindigkeit. Endgültig anerkannt wurde das kopernikan. Weltbild aber erst mit der Formulierung des Gravitationsgesetzes von I. Newton 1666. - Im 18. Jh. wurde die theoret. A. durch L. Euler, A. C. Clairaut, J.-B. d'Alembert, J. L. Lagrange und P. S. Laplace, die prakt. A. u. a. durch J. Bradley (Aberration des Lichtes), E. Halley (Sonnenparallaxe), F. W. Herschel (Uranus, Doppelsterne, Sternhaufen, Nebel), P. L. Maupertuis (Abplattung der Erde) gefördert. Im 19. Jh. gab C. F. Gauß neue Methoden der Bahnbestimmung der Planeten und Kometen an, F. W. Bessel bestimmte erstmals die Entfernung eines Fixsterns, J. G. Galle entdeckte aufgrund der Berechnungen von U. J. J. Le Verrier und J. C. Adams den Neptun.Durch verstärkte Anwendung physikal. Erkenntnisse und Messmethoden (Photometrie, Spektroskopie u. a.) etablierte sich die Astrophysik, sodass die Untersuchung von Sternspektren (Hertzsprung-Russell-Diagramm, 1931), Nebeln, Galaxien und deren Entfernungen zueinander (Hubble-Effekt, 1929) zu weiteren Erkenntnissen über die Sternentwicklung und den Bau des Weltalls führten. Mit der Begründung der Radio-A., die zur Entdeckung der Quasare und Pulsare führte, wurde auch die Beobachtung der interstellaren Materie möglich. Von großer Bedeutung für die astronom. Forschung waren der Nachweis der kosm. Hintergrundstrahlung (1965) und die Entdeckung der ersten Gravitationslinsen.
Ein neues Zeitalter für die A. begann mit dem Start des ersten künstl. Erdsatelliten »Sputnik« am 4. 10. 1957. Durch die Entwicklung der Raumfahrt und die Entsendung unbemannter Raumsonden (z. B. Voyager, Giotto) haben in jüngerer Zeit v. a. die Planeten- und Kometenforschung einen starken Auftrieb erfahren; auch die Computertechnik und die modernen Methoden der elektron. Bildaufnahme und -verarbeitung sind in der A. unentbehrlich geworden. Schwerpunkte der astronom. Forschung der kommenden Jahre sind die Infrarot-A. und die Weiterentwicklung adaptiver Optiken (VLT) sowie die Beobachtungen des Hubble-Weltraum-Teleskops.
Literatur:
S. Mitton. Cambridge-Enzyklopädie der Astronomie, hg. v. A. d. Engl. Neuausg. München 1989.
Henkel, H. R.: A. Thun u. a. 41991.
Szabó, A.: Das geozentr. Weltbild. A., Geographie u. Mathematik der Griechen. München 1992.
Herrmann, J.: dtv-Atlas zur A. München 111993.
Meyers Hb. Weltall, bearb. v. J. Krautter u. a. Mannheim u. a. 71994.
Zimmermann, H. u. Weigert, A.: ABC-Lexikon A. Heidelberg u. a. 81995.
Weigert, A. u. Wendker, H. J.: A. u. Astrophysik. Ein Grundkurs. Weinheim u. a. 31996.
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