Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Astrologie
Astrologie[grch.] die (Sterndeutung), bis zum 4. Jh. Synonym zu Astronomie, später nur noch die Sterndeutekunst, die individuelles Schicksal und Charakter, aber auch Ereignisse wie Krieg, Frieden, Katastrophen oder Glück verheißende Tage aus dem Einfluss der Gestirnkonstellationen deutet oder vorhersagt. Astrolog. Lehren finden sich bei Naturvölkern und in allen Hochkulturen. Grundlage der stark mystisch-symbol. Deutungen bilden die den Planeten zugeschriebenen »Wesenskräfte« wie Aktivität (Mars), Intellekt (Merkur) und Erfahrung (Saturn). Dabei wird den 12 Abschnitten bzw. Sternbildern des Tierkreises (Tierkreiszeichen) Zusatzwirkung zugeschrieben, die je nach Sternbild und Stellung der Planeten zu ihnen verschieden sein soll. Als wichtig gilt die Gestirnkonstellation im Augenblick der Geburt (u. a. Rolle des Aszendenten; Horoskop). Da rationale Beweise fehlen, wird die A. zu einer Glaubensfrage. In der Gewinnung rechner. Anhaltspunkte hingegen, in der Aufstellung der Konstellation (Aspekt), war die A. mit der Entwicklung der Mathematik und Astronomie verknüpft. Im 20. Jh. haben Anthroposophie und Psychologie astrolog. Lehren einbezogen. Auch einige Naturwiss. bemühen sich um wiss. Untersuchungen kosm. Einflüsse (z. B. Sonnenaktivität, Mondeinfluss auf das Verhalten von Organismen, biolog. Rhythmen u. Ä.).
Die Anfänge der A. liegen in Babylonien, Assyrien und Ägypten. Davon zeugen die Keilinschriften aus der Bibliothek Assurbanipals (um 640 v. Chr.) und der noch heute verwendete Tetrabiblos (»Werk in vier Büchern«) des Ptolemäus (um 150 n. Chr.). Im MA. (als den Menschen einbeziehender Teil der Astronomie) zu den Artes liberales zählend, erlangte die A. Einfluss auf alle Angelegenheiten im Alltagsleben der Menschen und prägte stark den Volksglauben. Begünstigt durch die massenhafte Verbreitung von Verhaltensmaßregeln ab um 1450 durch Buchdruck und fahrendes Volk, entstand eine Volks-A., die auch an die schon seit der Antike verbreitete »vulgäre« bzw. »Trivial-A.« anknüpfte.
In ihrer Blütezeit (15.-17. Jh.) konnte die A. die abendländ. Alchimie, Astronomie, Medizin (Heilkunde, z. B. Aderlassmännchen), Philosophie und Theologie beeinflussen. Mit dem kopernikan. Weltbild und der Aufklärung (18. Jh.) wurde die A., der es nie an erbitterten Gegnern gefehlt hat, zurückgedrängt. Um 1900 kam die »statist. A.« auf; astrolog. Deutungen des Menschen erlangten seit den 1920er-Jahren in Verbindung mit der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie neue Ausrichtung (»neue» bzw. »anthroposoph. A.«, »therapeut. A.«). Bes. durch das Aufkommen der Esoterik in den 1980er-Jahren blühte auch die Aufmerksamkeit für die A. (»Esoter. A.«, »Karm. A.«, »Transpersonale A.«) und so genannte kosm. Heilenergien (»Chakras«) in gewisser Weise neu auf. Die weit verbreiteten Zeitungs- (erstmals 1899), Rundfunk- und Fernsehhoroskope u. Ä. werden nicht zur A. im eigentl. Sinn gezählt. (chinesische Astrologie)
Literatur:
Niehenke, P.: A. Eine Einführung. Stuttgart 1994.
Oppenheimer, W.: Die Macht der Sterne. Astrologie u. Gesch. München 1994.
Bock, W.: A. u. Aufklärung. Über modernen Aberglauben. Stuttgart 1995.
Lexikon der A., hg. v. Becker, U. Freiburg 1997.
Parker, J.: Welt der A.Eine prakt. Einführung. A. d. Engl. Neuhausen am Rheinfall 1998.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Astrologie