Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Argentinien
Argentinien ⃟ Fläche: 2 766 889 km2
Einwohner: (1995) 34,587 Mio.
Hauptstadt: Buenos Aires
Verwaltungsgliederung: 22 Provinzen, 1 Bundesdistrikt, 1 Nationalterritorium
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertage: 25. 5. und 9. 7.
Währung: 1 Argentin. Peso (arg $) = 100 Centavos (c)
Zeitzone: MEZ — 4 Std.
(amtl span. República Argentina), zweitgrößter Staat Südamerikas, grenzt im N an Bolivien und Paraguay, im O an Brasilien und Uruguay, südl. des Río de la Plata an den Atlant. Ozean sowie im W an Chile. A. erhebt Anspruch auf die Falklandinseln sowie andere südatlant. Inseln (Südgeorgien, Süd-Shetland-, Süd-Sandwich- und Süd-Orkney-Inseln, insges. 981 000 km2).
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1994 ist A. eine föderalist., republikanische Präsidialdemokratie. Staatsoberhaupt, Reg.-Chef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf vier Jahre direkt gewählte Präs. (unmittelbare einmalige Wiederwahl möglich). Die Legislative liegt beim Kongress, bestehend aus Senat (72 Mgl., Amtszeit neun Jahre) und Deputiertenkammer (259 Abg., Legislaturperiode vier Jahre). Dominierende Parteien: Partido Justicialista (PJ; Peronisten) und Unión Cívica Radical (UCR). A. ist verwaltungsmäßig in 24 Prov., einschl. des Bundesdistr. von Buenos Aires und des früheren Nationalterritoriums Feuerland, gegliedert.
Landesnatur: A. erstreckt sich von 22 º s. Br. nach S über rd. 3 700 km bis 55 º s. Br. im S von Feuerland und vom Kamm der Anden nach O bis zur Küste des Atlantik (größte Breite 1 577 km). Histor. und wirtsch. Kerngebiet ist das fruchtbare Tiefland der Pampa am unteren Paraná und am Río de la Plata, eine weit gespannte, geologisch junge Aufschüttungsebene mit weiten Grasfluren, die nach N allmählich in die subtrop. Trockenwald- und Buschsavannen des Gran Chaco übergehen. In das Tiefland zw. den sumpfigen Stromauen von Paraná und Uruguay (»Zwischenstromland«) reichen im NO bewaldete Ausläufer des Brasilian. Berglands. Südl. des Colorado schließt sich an die Pampa das bis auf 1 500 m ansteigende, von dürftiger Steppe bedeckte Tafel- und Schichtstufenland Patagoniens an, das mit buchtenreicher, felsiger Steilküste zum Meer abfällt. Im W reicht A. bis auf die Höhe der Anden (Aconcagua 6 959 m ü. M.). Ihnen vorgelagert sind als einzelne isolierte Bergzüge die Pampinen Sierren. Zw. den Ketten der Anden erstrecken sich im N wüstenhafte Hochgebirgsbecken (Puna). Wichtigstes Flusssystem ist das des Paraná. - Das Klima ist im größten Teil des Landes warm gemäßigt, im N subtropisch warm gemäßigt, im Chaco heiß, im S trocken kühl.
Bevölkerung: Sie ist aufgrund der starken Einwanderung seit etwa 1850 (bis 1970 über 9 Mio.) überwiegend europ. Abstammung (bes. Spanier, Italiener, rd. 230 000 Deutschstämmige); kleine Restgruppen von Indianern (rd. 35 000) leben im Chaco und in Patagonien. In der Agglomeration Buenos Aires leben fast 40 % der Gesamtbevölkerung. Der jährl. Bev.zuwachs beträgt durchschnittlich 1,2 %. - Allg. Schulpflicht besteht vom 6. bis 14. Lebensjahr. A. hat eine der niedrigsten Analphabetenraten (4,7 %) Lateinamerikas bei erhebl. Unterschieden zw. Stadt und Land. Es bestehen 24 staatl. und 17 private Univ. Die älteste Univ. wurde 1613 in Córdoba gegründet. 91 % der Bev. sind Katholiken, 2,5 % Protestanten.
Wirtschaft, Verkehr: Das Bruttosozialprodukt je Kopf der Bev. ist das höchste in Lateinamerika. Damit zählt A. zu den Entwicklungsländern mit mittleren Einkommen, z. T. wird A. auch zu den Schwellenländern gerechnet. Im Ganzen marktwirtschaftlich orientiert, nahm der Staat wichtige Zweige (Kohle, Stahl, Erdöl, Transportwesen) unter Kontrolle. Infolge anhaltender polit. und wirtsch. Instabilität verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum und erhöhten sich die Auslandsschulden. - A. verfügt über eine stark mechanisierte Landwirtschaft und eine aufstrebende Industrie. Die Landwirtschaft, die rd. 65 % der Gesamtfläche nutzt, erbringt rd. 6 % des Bruttoinlandsprodukts, ist jedoch mit rd. 62 % der Exporteinnahmen Hauptdevisenbringer. Der größte Teil der landwirtsch. Betriebsflächen ist Eigentum nur weniger Familien. Kerngebiet ist die Pampa. Haupterzeugnisse sind Weizen, Mais, Sorghum, ferner Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, Zuckerrohr, Gemüse, Zitrusfrüchte, Obst, Wein, Tabak, Matetee. A. ist trotz abnehmender Tendenz einer der größten Fleischproduzenten (Rinder, Schafe) der Erde (Dauerwiesen und -weiden nehmen 51 % der Gesamtfläche A. ein). Die Schafzucht konzentriert sich v. a. auf O-Patagonien. Die Forstwirtschaft (Wald nimmt 21 % der Landesfläche ein, meist Busch- und Trockenwald) ist überwiegend Ausbeutungswirtschaft. Aus dem Quebrachobaum wird der Gerbstoff Tannin gewonnen. Der Fischfang (Küsten- und Hochseefischerei) zeigt aufsteigende Tendenzen. - Der Bergbau fördert Erdöl (nahezu Selbstversorgung), Erdgas, Steinkohle, ferner Eisenerz, Kupfer. - Die Ind., die sich bes. um Buenos Aires konzentriert, erbringt rd. 31 % des Bruttoinlandsprodukts und deckt im Wesentlichen den Konsumgüterbedarf des Landes; ihr Schwerpunkt liegt in der Verarbeitung von Agrarprodukten (Gefrierfleisch-, Zuckerfabriken, Getreide-, Ölmühlen, Textilind.). Die Stahlerzeugung stieg beträchtlich. Die relativ junge chem. Ind. (in Rosario) und die Kfz-Industrie (Córdoba) gewinnen an Bedeutung. Die Elektroenergieproduktion erfolgt zu fast 41 % durch Wasserkraftwerke und zu 52 % durch Wärmekraftwerke; Kernkraftwerke bestehen in Atucha und Río Tercero. - Hauptausfuhrprodukte sind landwirtsch. Erzeugnisse, Hauptabnehmer: die USA, Brasilien, die Niederlande; Haupteinfuhren: Maschinen, chem. Produkte, Metalle, mineral. Brennstoffe, v. a. aus den USA, Brasilien, Dtl., Italien, Bolivien. - Verkehr: Das Schienennetz (33 000 km) ist seit 1970 stark reduziert worden. Über zwei transandine Strecken ist A. mit dem chilen. Eisenbahnnetz verbunden. Die Länge des Straßennetzes beträgt 211 400 km, davon sind rd. 17 % Nationalstraßen. Der Paraná ist der wichtigste Binnenschifffahrtsweg (für Hochseeschiffe bis Rosario, z. T. auch bis Santa Fe). Haupthäfen sind Buenos Aires, La Plata, Rosario. Wichtigster internat. Flughafen ist der von Buenos Aires; staatl. Luftverkehrsgesellschaft: Aerolíneas Argentinas.
Geschichte: Anfang 1516 wurde die Mündung des La Plata von den Spaniern entdeckt und 1536 Buenos Aires gegründet; nach seinem vermuteten Silberreichtum erhielt das Land den Namen (lat. argentum »Silber«). Seit 1776 bildete es das span. Vizekönigreich Buenos Aires oder La Plata. Die Kreolen begannen 1810 den Aufstand gegen Spanien und erklärten 1816 ihre Unabhängigkeit. Der sich anschließende Parteienkampf zw. den Unitariern (Buenos Aires) und den Föderalisten des Binnenlandes mündete in einen Bürgerkrieg, aus dem 1825 die Föderalisten als Sieger hervorgingen. Ihr Führer, General Rosas, Diktator von A. 1829-52, schuf die Grundlage der argentin. Staatseinheit. Nach seinem Sturz kam 1853 eine föderalist. Verf. zustande. 1865-70 nahm A. am Krieg gegen Paraguay teil. Die Entwicklung zum Einheitsstaat mit der Hptst. Buenos Aires war erst 1880 abgeschlossen. In dieser Zeit wurde auch Patagonien unterworfen. Das Wirtschaftsleben nahm einen raschen Aufschwung: A. wurde eines der großen Getreide- und Wollausfuhrländer der Welt. Im Kampf gegen die Reg., die den Interessen der Großgrundbesitzer nahe stand, organisierte sich der städt. Mittelstand zur »Unión Cívica Radical« (Aufstände 1890 und 1893). Ihr Führer Irigoyen war 1916-22 und 1928-30 Präs.; im 1. Weltkrieg, der den Beginn der Industrialisierung brachte, bewahrte A. strenge Neutralität. Während der Weltwirtschaftskrise gelangten durch einen Militärputsch 1930 wieder die Konservativen zur Herrschaft, die 1943 durch eine Militärdiktatur abgelöst wurden. Im März 1945 erklärte A. Japan und Dtl. den Krieg. In der Zeit der Militärdiktatur gewann J. D. Perón mithilfe der Gewerkschaften und der Arbeiterpartei (gegr. 1945; Peronisten) eine große Anhängerschaft bes. unter den ärmsten Schichten. Nach seiner Wahl zum Präs. (1946) unterwarf er die Wirtschaft der Kontrolle des Staates, leitete eine finanziell aufwendige Industrialisierung ein und führte unter dem Einfluss seiner Frau, Eva Duarte, Reformen durch (u. a. Frauenwahlrecht, Sozialversicherung). Seine diktator. Herrschaft unterdrückte jede Opposition und führte den Staat in eine schwere Finanzkrise. 1955 stürzte die Armee Perón, der ins Exil ging. Nach dem Verbot der Arbeiterpartei bildeten die Gewerkschaften das Rückgrat des Peronismus. Die Sanierung von Wirtschaft und Staatsfinanzen, die Auseinandersetzung mit den Peronisten und der Kampf gegen den Terrorismus stellten die wechselnden Zivil- und Militärreg. vor nicht zu lösende innenpolit. Probleme. Unter dem Druck seiner Anhänger konnte Perón 1973 nach A. zurückkehren (Versuch eines gesellschaftl. und polit. Ausgleichs durch einen »Sozialpakt«). Nach seinem Tod (1974) wurde seine Witwe und Nachfolgerin, Isabel Perón, 1976 durch einen Militärputsch unter Führung von General J. R. Videla gestürzt. Gestützt auf eine von den Oberbefehlshabern von Heer, Marine und Luftwaffe gebildete Junta, errichtete die Militärführung unter Staatspräs. J. R. Videla (1976-81) und seinen Nachfolgern ein diktator. Regierungssystem, das im Zeichen eines sich ständig steigernden Staatsterrorismus nicht allein die terrorist. Aktivitäten linksperonist. und sozialist. Gruppen bekämpfte, sondern die gesamte Opposition unterdrückte. 1982 scheiterte ein Versuch, mit militär. Mitteln die argentin. Ansprüche auf die Falklandinseln gewaltsam gegenüber Großbritannien durchzusetzen. Nach dem Sturz der regierenden Militärjunta und der Einleitung eines Redemokratisierungsprozesses (1982) wählte die Bev. R. Alfonsín 1983 zum Staatspräs., seine Partei, die UCR, gewann die absolute Mehrheit. Nachdem 1985 Angehörige der früheren Militärjunta z. T. zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren, spielte die Frage einer Amnestie bei wachsendem Widerstand in den Streitkräften (1987 und 1988 Putschversuche) eine innenpolitisch stark umstrittene Rolle. Bei den allgemeinen Wahlen von 1989 gewann der Peronist M. C. S. Menem das Amt des Staatspräs. (1995 wieder gewählt), seine Partei, der peronist. Partido Justicialista (PJ), die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament. Im Dez. 1990 amnestierte die Regierung alle Beteiligten an den terrorist. Aktivitäten des früheren Militärregimes. Mit einem radikalen neoliberalen Wirtschaftsprogramm bemühte sie sich mit unterschiedl. Erfolg um die Sanierung der Wirtschaft (1995 schwere Finanzkrise). 1994 verabschiedete eine im selben Jahr gewählte Verfassunggebende Versammlung eine neue Verfassung. - 1995 trat A. dem Kernwaffensperrvertrag bei.
▣ Literatur:
Bünstorf, J.: A. Stuttgart u. a. 1992.
⃟ Junghans, R.: A.-Handbuch. Karten v. G. Siebke. Kiel 21992.
⃟ Mack, C. E.: Der Falkland-(Malvinas)-Konflikt. Frankfurt am Main u. a. 1992.
⃟ A. Zehn Jahre Demokratie, hg. v. der Argentinien-Gruppe Stuttgart. Beiträge v. A. Perez Esquivel u. a. Stuttgart 1994.
⃟ Politik u. Gesch. in A. u. Guatemala (19./20. Jahrhundert), hg. v. M. Riekenberg. Frankfurt am Main 1994.
⃟ Szafowal, N.: Die Instabilität des polit. Systems in A. 1930-1983. Regensburg 1994. -
⃟ Transformation im südl. Lateinamerika. Chancen u. Risiken einer aktiven Weltmarktintegration in A., Chile u. Uruguay, hg. v. B. Töpper u. U. Müller-Plantenberg. Frankfurt am Main 1994.
⃟ Nationalsozialismus u. A. Beziehungen, Einflüsse u. Nachwirkungen, hg. v. H. M. Meding. Frankfurt am Main 1995.
⃟ A.Politik, Wirtschaft, KUltur u. Außenbeziehungen, hg. v. D. Nolte u. N. Werz. Frankfurt am Main 1996.
⃟ A.Land der Peripherie?, hg. v. R. Sevilla u. R. Zimmerling. Bad Honnef 1997.
Einwohner: (1995) 34,587 Mio.
Hauptstadt: Buenos Aires
Verwaltungsgliederung: 22 Provinzen, 1 Bundesdistrikt, 1 Nationalterritorium
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertage: 25. 5. und 9. 7.
Währung: 1 Argentin. Peso (arg $) = 100 Centavos (c)
Zeitzone: MEZ — 4 Std.
(amtl span. República Argentina), zweitgrößter Staat Südamerikas, grenzt im N an Bolivien und Paraguay, im O an Brasilien und Uruguay, südl. des Río de la Plata an den Atlant. Ozean sowie im W an Chile. A. erhebt Anspruch auf die Falklandinseln sowie andere südatlant. Inseln (Südgeorgien, Süd-Shetland-, Süd-Sandwich- und Süd-Orkney-Inseln, insges. 981 000 km2).
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1994 ist A. eine föderalist., republikanische Präsidialdemokratie. Staatsoberhaupt, Reg.-Chef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf vier Jahre direkt gewählte Präs. (unmittelbare einmalige Wiederwahl möglich). Die Legislative liegt beim Kongress, bestehend aus Senat (72 Mgl., Amtszeit neun Jahre) und Deputiertenkammer (259 Abg., Legislaturperiode vier Jahre). Dominierende Parteien: Partido Justicialista (PJ; Peronisten) und Unión Cívica Radical (UCR). A. ist verwaltungsmäßig in 24 Prov., einschl. des Bundesdistr. von Buenos Aires und des früheren Nationalterritoriums Feuerland, gegliedert.
Landesnatur: A. erstreckt sich von 22 º s. Br. nach S über rd. 3 700 km bis 55 º s. Br. im S von Feuerland und vom Kamm der Anden nach O bis zur Küste des Atlantik (größte Breite 1 577 km). Histor. und wirtsch. Kerngebiet ist das fruchtbare Tiefland der Pampa am unteren Paraná und am Río de la Plata, eine weit gespannte, geologisch junge Aufschüttungsebene mit weiten Grasfluren, die nach N allmählich in die subtrop. Trockenwald- und Buschsavannen des Gran Chaco übergehen. In das Tiefland zw. den sumpfigen Stromauen von Paraná und Uruguay (»Zwischenstromland«) reichen im NO bewaldete Ausläufer des Brasilian. Berglands. Südl. des Colorado schließt sich an die Pampa das bis auf 1 500 m ansteigende, von dürftiger Steppe bedeckte Tafel- und Schichtstufenland Patagoniens an, das mit buchtenreicher, felsiger Steilküste zum Meer abfällt. Im W reicht A. bis auf die Höhe der Anden (Aconcagua 6 959 m ü. M.). Ihnen vorgelagert sind als einzelne isolierte Bergzüge die Pampinen Sierren. Zw. den Ketten der Anden erstrecken sich im N wüstenhafte Hochgebirgsbecken (Puna). Wichtigstes Flusssystem ist das des Paraná. - Das Klima ist im größten Teil des Landes warm gemäßigt, im N subtropisch warm gemäßigt, im Chaco heiß, im S trocken kühl.
Bevölkerung: Sie ist aufgrund der starken Einwanderung seit etwa 1850 (bis 1970 über 9 Mio.) überwiegend europ. Abstammung (bes. Spanier, Italiener, rd. 230 000 Deutschstämmige); kleine Restgruppen von Indianern (rd. 35 000) leben im Chaco und in Patagonien. In der Agglomeration Buenos Aires leben fast 40 % der Gesamtbevölkerung. Der jährl. Bev.zuwachs beträgt durchschnittlich 1,2 %. - Allg. Schulpflicht besteht vom 6. bis 14. Lebensjahr. A. hat eine der niedrigsten Analphabetenraten (4,7 %) Lateinamerikas bei erhebl. Unterschieden zw. Stadt und Land. Es bestehen 24 staatl. und 17 private Univ. Die älteste Univ. wurde 1613 in Córdoba gegründet. 91 % der Bev. sind Katholiken, 2,5 % Protestanten.
Wirtschaft, Verkehr: Das Bruttosozialprodukt je Kopf der Bev. ist das höchste in Lateinamerika. Damit zählt A. zu den Entwicklungsländern mit mittleren Einkommen, z. T. wird A. auch zu den Schwellenländern gerechnet. Im Ganzen marktwirtschaftlich orientiert, nahm der Staat wichtige Zweige (Kohle, Stahl, Erdöl, Transportwesen) unter Kontrolle. Infolge anhaltender polit. und wirtsch. Instabilität verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum und erhöhten sich die Auslandsschulden. - A. verfügt über eine stark mechanisierte Landwirtschaft und eine aufstrebende Industrie. Die Landwirtschaft, die rd. 65 % der Gesamtfläche nutzt, erbringt rd. 6 % des Bruttoinlandsprodukts, ist jedoch mit rd. 62 % der Exporteinnahmen Hauptdevisenbringer. Der größte Teil der landwirtsch. Betriebsflächen ist Eigentum nur weniger Familien. Kerngebiet ist die Pampa. Haupterzeugnisse sind Weizen, Mais, Sorghum, ferner Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, Zuckerrohr, Gemüse, Zitrusfrüchte, Obst, Wein, Tabak, Matetee. A. ist trotz abnehmender Tendenz einer der größten Fleischproduzenten (Rinder, Schafe) der Erde (Dauerwiesen und -weiden nehmen 51 % der Gesamtfläche A. ein). Die Schafzucht konzentriert sich v. a. auf O-Patagonien. Die Forstwirtschaft (Wald nimmt 21 % der Landesfläche ein, meist Busch- und Trockenwald) ist überwiegend Ausbeutungswirtschaft. Aus dem Quebrachobaum wird der Gerbstoff Tannin gewonnen. Der Fischfang (Küsten- und Hochseefischerei) zeigt aufsteigende Tendenzen. - Der Bergbau fördert Erdöl (nahezu Selbstversorgung), Erdgas, Steinkohle, ferner Eisenerz, Kupfer. - Die Ind., die sich bes. um Buenos Aires konzentriert, erbringt rd. 31 % des Bruttoinlandsprodukts und deckt im Wesentlichen den Konsumgüterbedarf des Landes; ihr Schwerpunkt liegt in der Verarbeitung von Agrarprodukten (Gefrierfleisch-, Zuckerfabriken, Getreide-, Ölmühlen, Textilind.). Die Stahlerzeugung stieg beträchtlich. Die relativ junge chem. Ind. (in Rosario) und die Kfz-Industrie (Córdoba) gewinnen an Bedeutung. Die Elektroenergieproduktion erfolgt zu fast 41 % durch Wasserkraftwerke und zu 52 % durch Wärmekraftwerke; Kernkraftwerke bestehen in Atucha und Río Tercero. - Hauptausfuhrprodukte sind landwirtsch. Erzeugnisse, Hauptabnehmer: die USA, Brasilien, die Niederlande; Haupteinfuhren: Maschinen, chem. Produkte, Metalle, mineral. Brennstoffe, v. a. aus den USA, Brasilien, Dtl., Italien, Bolivien. - Verkehr: Das Schienennetz (33 000 km) ist seit 1970 stark reduziert worden. Über zwei transandine Strecken ist A. mit dem chilen. Eisenbahnnetz verbunden. Die Länge des Straßennetzes beträgt 211 400 km, davon sind rd. 17 % Nationalstraßen. Der Paraná ist der wichtigste Binnenschifffahrtsweg (für Hochseeschiffe bis Rosario, z. T. auch bis Santa Fe). Haupthäfen sind Buenos Aires, La Plata, Rosario. Wichtigster internat. Flughafen ist der von Buenos Aires; staatl. Luftverkehrsgesellschaft: Aerolíneas Argentinas.
Geschichte: Anfang 1516 wurde die Mündung des La Plata von den Spaniern entdeckt und 1536 Buenos Aires gegründet; nach seinem vermuteten Silberreichtum erhielt das Land den Namen (lat. argentum »Silber«). Seit 1776 bildete es das span. Vizekönigreich Buenos Aires oder La Plata. Die Kreolen begannen 1810 den Aufstand gegen Spanien und erklärten 1816 ihre Unabhängigkeit. Der sich anschließende Parteienkampf zw. den Unitariern (Buenos Aires) und den Föderalisten des Binnenlandes mündete in einen Bürgerkrieg, aus dem 1825 die Föderalisten als Sieger hervorgingen. Ihr Führer, General Rosas, Diktator von A. 1829-52, schuf die Grundlage der argentin. Staatseinheit. Nach seinem Sturz kam 1853 eine föderalist. Verf. zustande. 1865-70 nahm A. am Krieg gegen Paraguay teil. Die Entwicklung zum Einheitsstaat mit der Hptst. Buenos Aires war erst 1880 abgeschlossen. In dieser Zeit wurde auch Patagonien unterworfen. Das Wirtschaftsleben nahm einen raschen Aufschwung: A. wurde eines der großen Getreide- und Wollausfuhrländer der Welt. Im Kampf gegen die Reg., die den Interessen der Großgrundbesitzer nahe stand, organisierte sich der städt. Mittelstand zur »Unión Cívica Radical« (Aufstände 1890 und 1893). Ihr Führer Irigoyen war 1916-22 und 1928-30 Präs.; im 1. Weltkrieg, der den Beginn der Industrialisierung brachte, bewahrte A. strenge Neutralität. Während der Weltwirtschaftskrise gelangten durch einen Militärputsch 1930 wieder die Konservativen zur Herrschaft, die 1943 durch eine Militärdiktatur abgelöst wurden. Im März 1945 erklärte A. Japan und Dtl. den Krieg. In der Zeit der Militärdiktatur gewann J. D. Perón mithilfe der Gewerkschaften und der Arbeiterpartei (gegr. 1945; Peronisten) eine große Anhängerschaft bes. unter den ärmsten Schichten. Nach seiner Wahl zum Präs. (1946) unterwarf er die Wirtschaft der Kontrolle des Staates, leitete eine finanziell aufwendige Industrialisierung ein und führte unter dem Einfluss seiner Frau, Eva Duarte, Reformen durch (u. a. Frauenwahlrecht, Sozialversicherung). Seine diktator. Herrschaft unterdrückte jede Opposition und führte den Staat in eine schwere Finanzkrise. 1955 stürzte die Armee Perón, der ins Exil ging. Nach dem Verbot der Arbeiterpartei bildeten die Gewerkschaften das Rückgrat des Peronismus. Die Sanierung von Wirtschaft und Staatsfinanzen, die Auseinandersetzung mit den Peronisten und der Kampf gegen den Terrorismus stellten die wechselnden Zivil- und Militärreg. vor nicht zu lösende innenpolit. Probleme. Unter dem Druck seiner Anhänger konnte Perón 1973 nach A. zurückkehren (Versuch eines gesellschaftl. und polit. Ausgleichs durch einen »Sozialpakt«). Nach seinem Tod (1974) wurde seine Witwe und Nachfolgerin, Isabel Perón, 1976 durch einen Militärputsch unter Führung von General J. R. Videla gestürzt. Gestützt auf eine von den Oberbefehlshabern von Heer, Marine und Luftwaffe gebildete Junta, errichtete die Militärführung unter Staatspräs. J. R. Videla (1976-81) und seinen Nachfolgern ein diktator. Regierungssystem, das im Zeichen eines sich ständig steigernden Staatsterrorismus nicht allein die terrorist. Aktivitäten linksperonist. und sozialist. Gruppen bekämpfte, sondern die gesamte Opposition unterdrückte. 1982 scheiterte ein Versuch, mit militär. Mitteln die argentin. Ansprüche auf die Falklandinseln gewaltsam gegenüber Großbritannien durchzusetzen. Nach dem Sturz der regierenden Militärjunta und der Einleitung eines Redemokratisierungsprozesses (1982) wählte die Bev. R. Alfonsín 1983 zum Staatspräs., seine Partei, die UCR, gewann die absolute Mehrheit. Nachdem 1985 Angehörige der früheren Militärjunta z. T. zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren, spielte die Frage einer Amnestie bei wachsendem Widerstand in den Streitkräften (1987 und 1988 Putschversuche) eine innenpolitisch stark umstrittene Rolle. Bei den allgemeinen Wahlen von 1989 gewann der Peronist M. C. S. Menem das Amt des Staatspräs. (1995 wieder gewählt), seine Partei, der peronist. Partido Justicialista (PJ), die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament. Im Dez. 1990 amnestierte die Regierung alle Beteiligten an den terrorist. Aktivitäten des früheren Militärregimes. Mit einem radikalen neoliberalen Wirtschaftsprogramm bemühte sie sich mit unterschiedl. Erfolg um die Sanierung der Wirtschaft (1995 schwere Finanzkrise). 1994 verabschiedete eine im selben Jahr gewählte Verfassunggebende Versammlung eine neue Verfassung. - 1995 trat A. dem Kernwaffensperrvertrag bei.
▣ Literatur:
Bünstorf, J.: A. Stuttgart u. a. 1992.
⃟ Junghans, R.: A.-Handbuch. Karten v. G. Siebke. Kiel 21992.
⃟ Mack, C. E.: Der Falkland-(Malvinas)-Konflikt. Frankfurt am Main u. a. 1992.
⃟ A. Zehn Jahre Demokratie, hg. v. der Argentinien-Gruppe Stuttgart. Beiträge v. A. Perez Esquivel u. a. Stuttgart 1994.
⃟ Politik u. Gesch. in A. u. Guatemala (19./20. Jahrhundert), hg. v. M. Riekenberg. Frankfurt am Main 1994.
⃟ Szafowal, N.: Die Instabilität des polit. Systems in A. 1930-1983. Regensburg 1994. -
⃟ Transformation im südl. Lateinamerika. Chancen u. Risiken einer aktiven Weltmarktintegration in A., Chile u. Uruguay, hg. v. B. Töpper u. U. Müller-Plantenberg. Frankfurt am Main 1994.
⃟ Nationalsozialismus u. A. Beziehungen, Einflüsse u. Nachwirkungen, hg. v. H. M. Meding. Frankfurt am Main 1995.
⃟ A.Politik, Wirtschaft, KUltur u. Außenbeziehungen, hg. v. D. Nolte u. N. Werz. Frankfurt am Main 1996.
⃟ A.Land der Peripherie?, hg. v. R. Sevilla u. R. Zimmerling. Bad Honnef 1997.