Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit,Ungleichgewicht des Arbeitsmarkts, bei dem die angebotene Art und Menge der Arbeitsleistungen die nachgefragte Art und Menge der Arbeitsleistungen übersteigt, sodass ein Teil der Erwerbspersonen zeitweise ohne Beschäftigung ist. Man unterscheidet: a) die mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes gewöhnlich verbundene, vorübergehende friktionelle A.; b) die saisonale A. als Folge der Saisonabhängigkeit bestimmter Berufe (z. B. in Landwirtschaft, Baugewerbe, Tourismus); c) die konjunkturelle A., die durch die konjunkturellen Schwankungen hervorgerufen wird; d) die strukturelle A., die auf tief greifende Veränderungen der Bev.-Zahl und der Nachfragestruktur, auf techn. Fortschritt durch Prozess- und Produktinnovationen (technolog. A.) und/oder auf die Errichtung von Handelsschranken u. Ä. zurückgeht. A. kann schließlich auch in einem überhöhten Lohnniveau bei fehlender Preis- und Lohnelastizität begründet sein. - Hinsichtlich der statist. Erfassung wird zw. registrierter und nicht registrierter A. unterschieden. Letztere ist gegeben, wenn Arbeitskräfte aus dem Erwerbsleben (zeitweilig) ausscheiden (z. B. wegen vorzeitigem Ruhestand, längeren Erziehungszeiten), ohne sich arbeitslos zu melden, oder später eintreten (z. B. wegen Ausbildung), wenn die Arbeitszeit vorübergehend verringert wird (Kurzarbeit), oder wenn sich die Arbeitnehmer in Umschulungsmaßnahmen befinden. Die Größe dieser als stille Reserve bezeichneten Personengruppe kann nur geschätzt werden. Wenn Arbeitnehmer unproduktiv beschäftigt sind, spricht man von versteckter A. In den letzten Jahren stellt die Langzeit-A. (d. h. A., die länger als ein Jahr andauert) ein besonderes Problem dar, sowohl für die Betroffenen (psych. Belastung, Einkommensverluste bis hin zur Verarmung) als auch für die Volkswirtschaft (Steuerausfälle, geringere Sozialversicherungseinnahmen, Nachfragerückgang, steigende Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe) und die Gesellschaft. Die fiskal. Kosten der A. beliefen sich 1997 im früheren Bundesgebiet (neue Bundesländer) auf 120 (46) Mrd. DM oder durchschnittlich 39 702 (33 824) DM pro Arbeitslosen und Jahr; davon entfielen 25,1 % (20,7 %) auf Mindereinnahmen in der Sozialversicherung und 21,8 % (20,4 %) bei den Steuern; den größten Teil stellen die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit dar. Statt »A. zu finanzieren« (Zahlung von Arbeitslosengeld und -hilfe) wurden die Bemühungen verstärkt, Gelder für Schaffung oder Erhalt von Arbeitsplätzen bereitzustellen, v. a. durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.Die Weltwirtschaftskrise brachte erstmals das Phänomen der Massen-A., dem mit unterschiedl. Maßnahmen, z. B. in Dtl. durch staatl. Arbeitsbeschaffung und Aufrüstung und in den USA mit dem New Deal, begegnet wurde. Seit Mitte der 1970er-Jahre und im Gefolge der Rezession Anfang der 1990er-Jahre ist die A. in fast allen Industrieländern wieder zu einem gravierenden gesellschaftl. Problem geworden. Verschärfend wirkt, dass die A. im konjunkturellen Aufschwung zwar abnimmt, dann aber auf einem relativ hohen Niveau verharrt (Sockel-A.). Zur Bekämpfung konjunktureller A. fordert der Keynesianismus eine expansive Beeinflussung der gesamtwirtschaftl. Nachfrage durch antizykl. Geld- und Fiskalpolitik (Globalsteuerung; z. B. Erhöhung der Staatsausgaben, Steuersenkungen, Konjunktur- bzw. Beschäftigungsprogramme). Aus der Kritik an der Wirksamkeit des keynesian. Instrumentariums fordert die neoklassisch-monetarist. Position einen Verzicht auf antizykl. Eingriffe und stattdessen eine verstetigte, am gesamtwirtschaftl. Produktionspotenzial orientierte Geld- und Fiskalpolitik.
Literatur:
Huckemann, S.u. Suntum, U. van: Beschäftigungspolitik im internationalen Vergleich. Länder-Ranking 1980-93. Haupt- u. Tabellen-Bd. Gütersloh 1-21994.
Arbeitsmarkt Deutschland. Bibliographie zur Beschäftigung u. A. in Deutschland, bearb. v. J. Michel. Kiel 1995.
Jahoda, M. u. a.: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziograph. Versuch über die Wirkungen langandauernder A. Neuausg. Frankfurt am Main 1996.
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