Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Anthropologie
Anthropologie[grch.] die,
1) die Wiss. vom Menschen sowie von den menschl. Verhaltensweisen in den Auseinandersetzungen mit der Umwelt. Nach dem in Dtl. vorherrschenden Sprachgebrauch umfasst der Begriff A. zunächst die Anthropobiologie (Humanbiologie) mit menschl. Erblehre, Konstitutionsforschung, Stammesgeschichte, Abstammungslehre und Rassenkunde. Bes. im engl. Sprachgebrauch umfasst die A. auch die Erscheinungen des kulturellen und gesellschaftl. Lebens (Soziologie, Völkerkunde und Sozialpsychologie).
2) (philosophische A.), die Lehre von den Eigenschaften und Verhaltensweisen des Menschen, die ihm allgemein zukommen sollen. - Obwohl immer auch Thema der Philosophie, wird der Mensch erst spät ihr zentrales Objekt. Die antike Philosophie thematisierte primär den »Kosmos«, die des Mittelalters die von Gott geschaffene »Ordnung«, den Menschen als Teil von ihr. Zwar stellte die Neuzeit den Menschen auf sich selbst, indem sie seine moral. Autonomie (I. Kant), seine geschichtsformende Kraft (G. W. F. Hegel) entdeckte, ließ ihn aber letztlich, als »Subjekt« und »Vernunftwesen« gedeutet, in der Allvernunft wieder aufgehen. In seiner Besonderheit in den Blick kam der Mensch mit F. W. J. Schelling, S. Kierkegaard, F. Nietzsche und anderen Lebensphilosophen; er wird als selbstbezügliches, auf sich zurückgeworfenes Wesen, als jedem Begriff überlegenes »Leben« gedeutet. In seiner »Weltoffenheit« und seinem »Geist« erblickt M. Scheler die »Sonderstellung« des Menschen, A. Gehlen definiert ihn als »Mängelwesen« und »Kulturwesen«. A. ist das Tor zur Philosophie, die sich darin aber nicht erschöpfen kann.
Literatur:
Blok, A.: Anthropolog. Perspektiven. Einführung, Kritik u. Plädoyer. A. d. Niederländ. Stuttgart 21995.
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