Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Aids
Aids [eɪdz; Kurzwort aus engl. acquired immune deficiency syndrome, »erworbenes Immunschwächesyndrom«], erstmals 1981 in den USA beschriebene, sich weltweit ausbreitende Virusinfektionskrankheit, die zu einer schweren Störung oder zum Zusammenbruch der körpereigenen Abwehrkräfte (zelluläre Immunschwäche) führt. Da das Abwehrsystem ausgeschaltet ist, führen selbst harmlose Infektionen, deren Erreger überall verbreitet sind, zu schweren, in 80-90% der Fälle tödl. Erkrankungen. Erreger sind das humane Immuninsuffizienz-Virus (HIV-1) und das 1986 isolierte HIV-2. Infizierte Personen entwickeln frühestens nach 12-16 Wochen im Serum nachweisbare Antikörper. Im Ansteckungsfall können bis zum Auftreten charakterist. Krankheitszeichen 11/2 bis acht (auch 15) Jahre vergehen. HIV wurde in Körperflüssigkeiten (u. a. in Blut, Sperma, Scheidensekret, Muttermilch) nachgewiesen. Gesichert ist bisher nur die Übertragung durch virushaltige Körperflüssigkeiten, Blut bzw. Blutbestandteile, insbes. beim Geschlechtsverkehr, durch Schleimhautverletzungen und durch Injektionen oder Transfusionen. Selbst Neugeborene können durch die Mutter infiziert sein. Außerhalb der genannten Wege ist eine HIV-Übertragung praktisch auszuschließen. Auch bei engen Alltagskontakten mit HIV-infizierten Menschen besteht kein Ansteckungsrisiko. Zu einer HIV-Infektion kommt es bevorzugt bei Homosexuellen und Drogenabhängigen, aber auch bei Heterosexuellen mit häufigem Partnerwechsel und Geschlechtsverkehr ohne Kondom.Das hervorstechende Merkmal des HIV ist, dass es gerade jene Zellen befällt, die vom Organismus zur Abwehr eindringender Krankheitserreger eingesetzt werden. Diese sog. T-Helferzellen, die für die Bildung von Antikörpern sorgen, haben Rezeptoren, an denen die Viren andocken können. Diese bauen ihre Erbinformationen in die Helferzellen ein und zwingen sie so, neue Viren zu produzieren. Viele der neuen Viren weisen dabei eine veränderte Hülle auf und sind so für Antikörper schwerer zu erkennen. Die HIV-infizierten Zellen stören außerdem das komplexe Zusammenspiel der vielfältigen Formen der Immunantwort; eingeschränkte, fehlgeleitete oder überschießende Abwehrreaktionen sind die Folge.Nach versch. Phasen der HIV-Infektion (HIV-Erkrankung) mit unspezif. Symptomen wie Lymphknotenschwellungen, Fieber, Durchfall und Gewichtsverlust kommt es zum Vollbild der Erkrankung. A. ist durch eine ausgeprägte Störung der zellulären Immunität und eine starke Verminderung (bis Fehlen) der T-Helferzellen mit ständig wiederkehrenden Erkrankungen an opportunist. Erregern und bösartigen Tumoren, bes. Kaposi-Sarkom und Lymphome, gekennzeichnet.Behandlung: Eine ursächl. Therapie und eine Impfung stehen noch nicht zur Verfügung. Im Vordergrund der medizin. Versorgung stehen neben der psychosomat. Betreuung die Vorbeugung und die Therapie der opportunist. Infektionen sowie die frühzeitige Anwendung antiretroviraler Arzneimittel wie AZT (Azidothymidin) und DDI (Didesoxyinosin), die das Fortschreiten der Erkrankung verzögern können. In Dtl. haben sich bis Mitte 1996 etwa 60 000 Menschen infiziert, 18 000 sind an A. erkrankt, 13 000 Menschen verstorben. Prävention: Die Verhinderung der Übertragung bildet die entscheidende Grundlage für die Eingrenzung der Epidemie. Während in den meisten Ind.ländern (v. a. in Westeuropa und Nordamerika) vorbeugende Maßnahmen und leistungsfähige Gesundheitssysteme die Ausbreitung bisher stark einschränken konnten, breitet sich HIV in vielen Ländern der Dritten Welt (v. a. in Asien und Afrika) noch fast ungehindert aus. Wirksame Vorbeugung erfordert die offene und öffentl. Thematisierung von Sexualität und (auch illegalem) Drogengebrauch sowie der damit verbundenen Infektionsgefahren. Religiöse, moral. oder gesellschaftspolit. Widerstände behindern jedoch in vielen Ländern solche vorbeugenden Maßnahmen.
Literatur:
S. R. Dunde. Aids - was eine Krankheit verändert. Sexualität u. Moral, der Einzelne u. die Gesellschaft, hg. v. Frankfurt am Main 11.-13. Tsd. 1988.
Strategien gegen Aids. Ein internat. Politikvergleich, hg. v. D. Kirp u. R. Bayer. Berlin 1994.
AIDS — Management der Erkrankung. Szenarien zur Verbesserung von Diagnose u. Behandlung, hg. v. H. Jäger. Landsberg (Lech) 1996. -
Schmidt, Peter: Ein kurzes Leben lang. Kinder u. Aids. Düsseldorf 1996.
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