Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Wind
Wind m \
1. Geschwätz, Lüge, Gerücht. Es ist substanzlos und flüchtig. Seit dem 18. Jh.
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2. geheime Nachricht. Sie ist sozusagen vom Wind zugeflüstert. 1900 ff, rotw .
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3. frischer Wind aus Kanada = schwungvolles Vorgehen ohne bürokratische Hemmungen. Fußt auf dem Titel eines deutschen Spielfilms von 1935. 1935 ff.
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4. heißer Wind = starker Beschuß. Sold 1939 ff.
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5. schallender Wind = laut entweichender Darmwind. Sold 1910 ff.
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6. viel Wind und wenig Fahrt = Prahlerei ohne entsprechende Tat. Hergenommen von der Segelschiffahrt. 1920 ff.
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7. zuviel Wind für das kurze Hemd = Übertreibung. Das kurze Hemd flattert schon beim geringsten Windstoß hoch, und man ist bloßgestellt ( Hemd 46 b). 1910 ff.
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8. flink wie der Wind aus dem Arsch = sehr schnell. Nordd seit dem 19. Jh.
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9. den Wind anhalten = nichts weiter äußern; verstummen. Parallel zu »die Luft anhalten«. 1960 ff, jug .
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10. jm Wind in die Segel blasen = jm tatkräftig beipflichten. 1920 ff.
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11. frischen Wind blasen lassen = etw grundlegend ändern; für Geschäftsbelebung sorgen; eine schwunglose Gruppe anfeuern. 1920 ff.
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12. bläst der Wind 'daher? = ist das in diesem Sinne zu verstehen? ist das anders zu verstehen, als man erwarten sollte? Seit dem 19. Jh.
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13. es geht ein Wind = es verlautet gerüchtweise. Wind 1. Seit dem 19. Jh.
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14. Winde gehen lassen = Darmwinde entweichen lassen. Seit dem 19. Jh.
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15. in den Wind geschrieben (geschlagen) = vergebliche Ermahnung des Lehrers. Übernommen vom dt Titel des 1957 gedrehten Spielfilms »Written in the Wind«. Schül 1959 ff.
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16. Wind haben = Hunger haben. Luft 2. Rotw 1900 ff.
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17. Wind von etw haben = von einer Sache erfahren haben. Wind = Witterung. 1600 ff. Vgl franz »avoir vent de quelque chose«.
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18. jn unter Wind haben = jn verdächtigen; einen Verdächtigen beobachten. Wind = Witterung. 1920 ff.
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19. etw in den Wind husten = etw vergeblich sagen oder tun. Der Husten ändert den Wind nicht. 1920 ff.
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20. von etw Wind kriegen = etw beiläufig, zufällig, heimlich erfahren; etw ahnen. Stammt aus dem Jägerleben: weht der Wind vom Jäger zum Wild hin, wittert dieses die Gefahr. 1500 ff. Vgl engl »to get wind of something«.
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21. jn unter Wind kriegen = mit der Beobachtung eines Verdächtigen beginnen. Wind 18. 1920 ff, polizeispr.
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21 a. den Wind von vorn kriegen = von vielen Leuten verbal hart angegriffen, unter Druck gesetzt werden. 1930 ff.
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22. der Wind kann nicht lesen = Rekrutentest. Übernommen vom dt Titel des 1958 gedrehten engl Spielfilms »The Wind Cannot Read«. BSD 1970 ff.
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23. Wind machen = a) Darmwinde abgehen lassen. 1500 ff. – b) sich aufspielen; Unwahrheiten erzählen. Wind 1. Seit dem 18. Jh. Vgl engl »to raise the wind«. – c) Aufregung verursachen; eine Sache vorantreiben; Leute antreiben, scharf drillen. 1900 ff. – d) Gewalt anwenden. Wohl vom Orkan übertragen. 1920 ff.
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24. jm Wind unter das Hemd machen = a) jn antreiben, ermuntern. Sold 1900 ff. – b) jn in Verlegenheit bringen; jn einschüchtern. Wind 7. 1900 ff.
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25. Wind vor der Tür machen = Darmwinde entweichen lassen. Tür = Hintertür = After. Sold 1935 ff.
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26. zuviel Wind für ein kurzes Hemd machen = überheblich tun; mit angeblichem Können (o. ä.) prahlen. Wind 7. Sold in beiden Weltkriegen.
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27. mach' nicht solchen Wind mit dem kurzen Hemd! übertreibe nicht! bleibe sachlich! erdichte keine Lügen! Wind 7. 1910 ff.
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28. jm den Wind aus den Segeln nehmen = a) jm etw vorwegnehmen; jds Beweisführung hinfällig machen. Aus der Segelschiffahrt übertragen. 1900 ff. Vgl engl »to take the wind out of someone's sails«, franz »prendre le dessus du vent à quelqu'un«. – b) jds Angriffskraft schwächen. Sportl 1920 ff.
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29. das nimmt ihm den Wind aus den Segeln = das raubt seiner Beweisführung die Schlagkraft; dadurch ist er sehr benachteiligt; das nimmt ihm den Schwung zum Weitermachen. 1900 ff.
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30. pfeift der Wind aus diesem Loch? = hat man sich das völlig anders als erwartet zu erklären? Deine wahre Meinung ist also wohl völlig anders? Wind
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12. Seit dem 19. Jh.
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31. jetzt pfeift der Wind aus einem anderen Loch (jetzt pfeift ein anderer Wind) = jetzt herrscht mehr Strenge und Ordnung. Seit dem 19. Jh.
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32. gegen den Wind pissen (schiffen o. ä.) = töricht handeln; einen schwerwiegenden Fehler begehen; sein Unglück sich selbst zuzuschreiben haben. 1900 ff.
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33. etw in den Wind pusten = etw nicht beherzigen. Vgl Wind 19. 1920 ff.
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34. in den Wind reden = vergeblich Vorhaltungen machen; umsonst warnen. Der Wind als altes Sinnbild der Flüchtigkeit und der großen Leere. 1500 ff.
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35. Wind reißen = leere Redensarten von sich geben. 1900 ff.
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36. drei (sieben, zehn) Meter (Meilen) gegen den Wind riechen (stinken) = aufdringlich riechen; stark parfümiert sein; alkoholisierten Atem verströmen. Seit dem 19. Jh.
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37. das riecht man drei Meilen gegen den Wind = daß dort nicht alles in Ordnung ist, spürt jedermann. 1930 ff.
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38. Wind säen und Sturm ernten = etw Schlimmes verursachen, das noch ärgere Folgen nach sich zieht
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(ziehen wird). Geht zurück auf das Alte Testament (Hosea 8, 7).1500 ff.
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39. er schaufelt Wind über den Zaun = a) er handelt unsinnig. 1950 ff. – b) er täuscht Eifer (Betriebsamkeit) vor. 1950 ff.
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40. er schaufelt Wind um die Ecke: Antwort auf die Frage, wo einer ist, was einer tut. BSD 1965 ff.
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41. sechs Meter (Meilen) gegen den Wind scheißen = a) einen sehr übelriechenden Darmwind entweichen lassen. Seit dem 19. Jh. – b) heftigen Durchfall haben. Seit dem 19. Jh.
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42. in den Wind schießen = a) das Schußziel verfehlen. Sold seit dem späten 19. Jh. – b) Filmaufnahmen unnötig vergeuden. schießen 4. 1920 ff. – c) mit höchstmöglicher Geschwindigkeit davonfahren. Seemannsspr. 1900 ff. – d) bezecht heimwärts gehen; eilig nach draußen gehen; auf Vergnügungen ausgehen. 1950 ff.
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43. jn in den Wind schießen = jm eine Abfuhr erteilen. 1950 ff.
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44. schieß in den Wind! = geh weg! 1900 ff.
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45. etw in den Wind schlagen = etw geringschätzig von sich weisen; Warnungen, Vorhaltungen usw. unbeachtet lassen. Formulierung der abweisenden Ge-
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bärde mit der Hand. Seit dem 14./15. Jh. Vgl engl »to fling to the wind«.
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46. etw in den Wind schreiben = von einer Sache Abstand nehmen; mit Rückerhalt des verliehenen Geldes oder Gegenstands nicht länger rechnen. 1920 ff.
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47. mit dem Wind segeln = dem jeweiligen Regierungskurs folgen; nicht in die Opposition gehen. Seit dem 19. Jh.
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48. mit allen Winden gesegelt sein = welt-, lebenserfahren sein. Vgl Wasser 21. 1500 ff.
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49. gegen den Wind spucken = a) sich im Alkoholrausch beschmutzen. Euphemismus. Seit dem 19. Jh. – b) unsinnig handeln. Seit dem 19. Jh.
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50. etw in den Wind spucken = eine Vermutung äußern; einer Vermutung nicht nachgehen. 1920 ff.
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51. vom Winde verweht = windzerzaust (auf die Haare bezogen). Fußt auf dem dt Titel des Romans »Gone With the Wind« von Margaret Mitchell, 1936 (dt Übersetzung 1937; Spielfilm 1939). 1950 ff.
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52. vom Winde verweht sein = ohne Konzentration lernen; arbeitsunlustig sein. 1950 ff.
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53. jm Wind vormachen = jm leere Worte geben; jn täuschen. Wind 1. Seit dem 18. Jh.
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54. sich den Wind um die Nase (die Ohren) wehen lassen = viel herumkommen; in der Fremde Erfahrungen sammeln. Entweder von Reiseschilderungen herzuleiten oder von den vorgeschriebenen Wanderungen der Handwerksgesellen. Auch lassen alle Wildarten sich »den Wind um die Nase wehen«, wenn sie »sichern«. Die Redensart ist in leicht abgewandelter Form seit dem 17. Jh. belegt.
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55. hier weht ein anderer Wind = hier sind die Leute anders als anderswo; hier herrschen andere politische Verhältnisse. Seit dem 18. Jh.
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56. es weht ein eisiger Wind = es wird rücksichtslos, unnachsichtig durchgegriffen; es herrschen diktatorische Zustände. 1930 ff.
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57. merken, woher der Wind weht = merken, wie sich die Dinge entwickeln werden. Seit dem 19. Jh.
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58. sehen, wie der Wind weht = sich vergewissern, mit welchen Tatsachen man zu rechnen hat. Seit dem 19. Jh. Vgl engl »to see which way the wind blows«, franz »voir de quel côté vient le vent«.
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59. wissen, woher (wie) der Wind weht = wissen, von wem man Schwierigkeiten zu erwarten hat. Wind 57. Seit dem 19. Jh.
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