Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Vogel
Vogel m \
1. Flugzeug. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jhs aufgekommen, spätestens 1909 beim ersten Berliner Flugtag auf dem Tempelhofer Feld. Vgl engl »bird« und franz »oiseau«.
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2. Gewehrgeschoß. Sold in beiden Weltkriegen.
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3. Orden. Benennung nach dem Wappenadler. Seit dem 19. Jh.
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4. Adler auf Uniformknöpfen; Hoheitsabzeichen; Reichsadler mit Hakenkreuz. Seit dem 19. Jh.
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5. Gerichtsvollziehermarke. Wegen des Wappenadlers, den das Siegel früher trug. Kuckuck 2. 1900 ff.
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6. Senderkennzeichen des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1963 ff.
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7. beliebiger Gegenstand, den man gerade sucht. Versteht sich nach » rumfliegen 2«. 1930 ff.
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8. absonderlich wirkender Mensch. 1870 ff.
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9. Verbrecher. Vgl Vogel 44. Seit dem 19. Jh.
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10. Penis. Der Hosenschlitz gilt als »Starenkasten« und »Taubenschlag«. Seit dem 19. Jh.
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11. leichtes Mädchen. Es »flattert« hierhin und dorthin. Seit dem 19. Jh.
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12. pl = Kinder. Fußt auf der Vorstellung der jungen Vögel im Nest. 1900 ff.
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13. Vogel im Frack = Pinguin. 1960 ff.
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14. Vogel vierter Güte = Roter Adlerorden 4. Klasse. Güte 1. 1900 ff.
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15. Vögel auf dem Kopf = Kopfläuse. Sie »nisten« auf dem Kopf. Seit dem 19. Jh.
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16. blauer Vogel = Siegelmarke des Gerichtsvollziehers. Anspielung auf den Wappenadler in blauer Farbe. 1900 ff.
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17. blinder Vogel = schlechter Schütze; untauglicher Mann. BSD 1965 ff.
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18. geiler Vogel = geiler Mensch. 1950 ff.
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19. häßlicher Vogel = a) häßlicher Mensch. 1900 ff. – b) übler Mitmensch; niederträchtiger Bursche. 1920 ff.
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20. komischer Vogel = a) Sonderling; Mensch mit wunderlichen Ansichten und/oder Gewohnheiten. 1920 ff. – b) Komiker. 1925 ff.
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21. krummer Vogel = Verdächtiger; unzuverlässiger Mensch. krumm 2. 1950 ff.
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21 a. lahmer Vogel = kraftloser Mann. lahm 2. Seit dem 19. Jh.
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22. lautloser Vogel = Segelflugzeug. 1920 ff.
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23. leichter Vogel = leichtlebiger Mensch. Seit dem 19. Jh.
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24. leichtsinniger Vogel = leichtsinniger Mensch. Seit dem 19. Jh.
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25. linker Vogel = a) Sozialist. 1920 ff. – b) listiger, heimtückischer Mensch. link 1. 1950 ff. – c) unsympathischer, betrügerischer Prostituiertenkunde. Prost 1960 ff.
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26. lockerer (loser) Vogel = leichtlebiger, leichtsinniger Mensch. los I 1. 1600 ff.
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27. lustiger Vogel = lustiger, stets zu Späßen und Scherzen aufgelegter Mensch. Seit dem 19. Jh.
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28. mieser Vogel = unzuverlässiger Mensch. mies. 1920 ff.
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29. müder Vogel = a) langsames Flugzeug. Sold 1939 ff. – b) altes, nicht mehr betriebssicheres Schiff. Marinespr 1939 ff.
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30. rarer Vogel = wunderlicher Mensch. Vgl Vogel 36. Seit dem 19. Jh.
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31. roter Vogel = Marihuana-Zigarette. Stammt aus den USA, wo es die Bezeichnung eines Barbiturats ist. 1960 ff.
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32. sauberer Vogel = leichtfertiger Mensch; vertrauensunwürdiger Mensch; Dieb, Einbrecher o. ä. sauber 4. Seit dem 19. Jh.
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33. scharfer Vogel = mannstolle weibliche Person. scharf 4. 1950 ff.
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34. schiefer Vogel = Soldat in unmilitärischer Haltung. BSD 1965 ff.
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35. schräger Vogel = a) Mann mit Sinn für Absonderlichkeiten. 1960 ff. – b) unzuverlässiger, übelbeleumdeter Mensch; Tunichtgut. schräg 1. 1950 ff. – c) Sittlichkeitsverbrecher; Verbrecher. 1950 ff.
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36. seltener Vogel = Mensch mit wunderlichen Einfällen. Übersetzung von lat »rara avis«. 1800 ff.
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37. seltsamer (sonderbarer) Vogel = wunderlicher Mensch. 1500 ff.
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38. spitzer Vogel = sinnlich veranlagtes Mädchen. spitz 3. Halbw 1955 ff.
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39. toller Vogel = leichtlebiger, unbändiger Mensch. 1870 ff.
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40. toter Vogel = langweiliger, dummer Mann; Versager. BSD 1965 ff.
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41. ulkiger Vogel = a) wunderlicher Mensch. ulkig. 1950 ff. – b) Spaßmacher. Von »Spaßvogel« beeinflußt. 1950 ff.
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42. den Vogel abschießen = a) das Beste leisten. Hergenommen von den Bräuchen der Schützenvereine: wer den »Vogel« von der Stange schießt, wird Schützenkönig. 1600 ff. – b) ein Flugzeug katapultieren. Fliegerspr. 1935 ff.
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43. den Vogel antippen = die Dummheitsgebärde machen. Man tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn oder Schläfe, um anzudeuten, daß der andere »einen Vogel« hat. 1920 ff.
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44. der Vogel ist ausgeflogen = der Gesuchte ist nicht daheim; der Verbrecher ist geflohen. 1500 ff.
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45. seinen Vogel auslassen = sein eigentliches Anliegen endlich vorbringen. Man läßt den Vogel aus dem Käfig oder »die Katze aus dem Sack«. 1950 ff.
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46. sich einen Vogel in die Stirn bohren = die Dummheitsgebärde machen. Vogel 43. 1920 ff.
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47. sein Vogel braucht Futter (oder Wasser) = er ist nicht recht bei Verstand. Vogel 53. 1920 ff.
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48. Vögel brauchen auch einen Spiegel: scherzhaftes Trostwort für einen Glatzköpfigen. Schül 1950 ff.
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49. einen Vogel fangen = einen Orden erhalten. Vogel 3. Die Redewendung läßt es offen, ob man sich um den Orden bemüht hat (nach Art eines Vogelfängers), oder ob man ihn »gefangen« hat, wie man eine Erkältung »fängt« 1870 ff.
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50. friß, Vogel, oder stirb! = entscheide dich! triff deine Wahl zwischen zwei Übeln! Leitet sich her von einem bestimmten Futter, an das man einen Vogel gewöhnen will; nimmt er es nicht an, muß er verhungern. 1500 ff.
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51. sein Vogel ist Amok gelaufen (läuft Amok) = er redet Unsinn. Der von blinder Wut befallene Amokläufer stößt jeden nieder, der ihm begegnet. Die Sache selbst ist sehr bekannt geworden durch die 1922 veröffentlichte Novellensammlung »Amok« von Stefan Zweig. Hier ist der » Vogel 53« gemeint. 1950 ff, schül .
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52. vom Vogel gepiekt sein = verrückt sein. Vgl das Folgende. Seit dem 19. Jh.
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53. einen Vogel haben = a) närrisch, verrückt sein;
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eine wunderliche Angewohnheit haben. Nach dem Volksglauben geht Geistesgestörtheit auf Tiere zurück, die im Kopf nisten. 1800 ff. – b) einen Orden besitzen. Vogel 3. 1870 ff. – c) Luftwaffensoldat sein. Anspielung auf die Schwinge am Kragenspiegel. Sold 1935 ff.
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54. Vögel unter dem Hut (der Mütze) haben = die Kopfbedeckung nicht lüften. Dem Unhöflichen, der Hut oder Mütze nicht zieht, unterstellt man, daß er unter seiner Kopfbedeckung Vögel verbirgt, die beim Grüßen wegflögen. 1700 ff.
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54 a. sein Vogel hat Ausgang = er hat die Beherrschung verloren. Berlin 1920 ff.
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55. einen Vogel haben, der mit dem Schwanz nach vorn fliegt = eine besonders wunderliche Angewohnheit haben. Berlin 1930 ff.
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56. einen ausgewachsenen Vogel haben = sehr verrückt sein. 1920 ff.
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57. einen herrlichen Vogel haben = die unsinnigsten Behauptungen aufstellen. 1920 ff, Berlin und mitteld .
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58. einen toten Vogel in der Tasche haben = einen Darmwind entweichen lassen; nach Darmgasen riechen. Stammt aus der Jägersprache: reichen die an der Jagdtasche befindlichen Lederriemen mit Schlaufe
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zum Anhängen der erlegten Vögel nicht aus, packt der Jäger die toten Vögel in die Manteltasche; vergißt er sie darin, machen sie sich erst durch den Verwesungsgeruch wieder bemerkbar. 1900 ff, sold und schül
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59. einen (seinen) Vogel kriegen = seinen üblichen Anfall von Narretei bekommen. Vogel 53 a. Seit dem 19. Jh.
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60. die Vögel laufen = wegen schlechten Wetters liegt der Flugbetrieb still. Man bewegt die Flugzeuge allenfalls am Erdboden (rollt sie in die Hangars). Sold 1935 ff.
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61. damit lockst du keinen Vogel aus dem Bauer = damit übst du keinerlei Anreiz aus. 1920 ff.
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62. die Vögel pfeifen hören = alles vermeintlich besser wissen. Versteht sich nach » Spatzen pfeifen es von den Dächern«. 1920 ff.
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63. jm einen (den) Vogel weisen (zeigen) = zu jm die Dummheitsgebärde machen. Vogel 43. Spätestens seit 1920. Wenn einer eindeutig mit dem Finger an die Stirn rührt und nicht bloß eine Handbewegung zur Stirn macht, ist der Tatbestand der Beleidigung gegeben. So entschied das Bayerische Oberlandesgericht (8 St 149/70).
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