Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
schleifen
schleifen v \
1. tr = jn zu gesittetem Betragen erziehen; jn scharf einexerzieren; einen Lehrling streng ausbilden; jn zu Ordnung, Zucht, Pflichtbewußtsein u. ä. erziehen. Schleifen = Unebenheiten beseitigen, eine glatte Fläche herstellen. In Frankreich ist der Höfliche »poli«. Bei der Freisprechung der Handwerkslehrlinge oder bei der Gesellentaufe wurde den Anwärtern die Untugend mit den verschiedensten Werkzeugen scherzhaft ausgetrieben, wozu man – auch in Studentenkreisen – Scheren, Messer, Feilen usw. benutzte. Die für das 18. Jh. im ziv Bereich bezeugte Vokabel gelangte in der zweiten Hälfte des 19. Jhs in den milit Bereich. Wie gängig der Ausdruck ist, ergibt sich aus den folgenden Erweiterungen:
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2. jn schleifen, daß die Blümchen weinen (daß das Blut in den Stiefeln steht; bis ihm der Dampf aus allen Knopflöchern fährt; daß ihm das Wasser im Hintern kocht; daß ihm das Kaffeewasser im Arsch kocht; bis der Schweiß wie Kaffee in der Arschkerbe runterläuft; bis ihm der Schwanz nach hinten steht; daß ihm der Arsch tropft usw.) = jn sehr streng, rücksichtslos, roh, schikanös drillen. Die Wendung »daß die Blümchen weinen« geht zurück auf »Das Buch der Lieder« von Heinrich Heine (Lyrisches Intermez-
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zo): »Und wüßten's die Blumen, die kleinen, / Wie tief verwundet mein Herz, / Sie würden mit mir weinen, / Zu heilen meinen Schmerz.« Die vorgenannten Wendungen stammen aus der Zeit von 1900 bis 1945.
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3. jn schleifen = jn unter Mühen zu etw führen, bringen; jn heimbegleiten. Die betreffende Person sträubt sich und läßt die Füße über den Boden schleifen, oder es handelt sich um einen Betrunkenen, der sich allein nicht mehr auf den Beinen halten kann. Seit dem frühen 19. Jh.
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4. etw schleifen = etw mühsam schleppen. Seit dem 19. Jh.
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5. jn schleifen = jn verhaften. Schleife 1. 1920 ff.
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6. eine Sache geht schleifen = eine Sache scheitert. Hier meint »schleifen« soviel wie »ab-wärtsgleiten«. 1900 ff.
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7. etw schleifen lassen = etw ohne Energie betreiben; in eine bedenkliche Entwicklung nicht eingreifen; eine Sache vorerst nicht weiter berücksichtigen. Hergenommen von den Zügeln, die Reiter oder Kutscher nicht straff halten. 1900 ff.
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8. sich schleifen lassen = den (moralischen) Halt verlieren. 1900 ff.
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