Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
schief
schief adj \
1. charakterlich minderwertig; unaufrichtig, unzuverlässig. Der Betreffende ist kein »gerader« Charakter; er ist auf die »schiefe Bahn« geraten im Sinne eines sittlichen Sinkens. Seit dem 19. Jh.
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2. in veralteten Anschauungen befangen; Neuerungen ablehnend; reformfeindlich; verständnislos gegenüber den Auffassungen und Ansprüchen der Jugend. schief liegen. Halbw 1950 ff.
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3. gefälscht (auf Geld o.ä. bezogen). 1950 ff.
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4. schief und scheel = völlig schief; schlecht gearbeitet. Schief = bucklig; scheel =schielend. 1700 ff.
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5. schief ankommen = sich eine Abfuhr holen. Schief = nicht gerade; von der Seite her. Fußt auf der Vorstellung vom Turnier: die Lanze (o. ä.) trifft den Gegner seitlich und gleitet ab. Seit dem 19. Jh.
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6. bei jm schief anlaufen = von jm abgewiesen werden. Versteht sich wie das Vorhergehende. Seid dem 19. Jh.
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7. jn schief ansehen = jn verächtlich, mißbilligend, mißtrauisch anblicken; jn in moralischer Hinsicht gering einschätzen. Der seitliche Blick drückt Verachtung und Mißtrauen aus. Seit dem 19. Jh.
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8. sich schief ärgern = sehr unwillig sein. Kummer und Ärger bereiten empfindlichen Menschen Magenbeschwerden, weswegen sie leicht vornübergeneigt gehen. Seit dem 17. Jh.
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9. etw schief auffassen = etw falsch auffassen, mißverstehen. Seit dem 19. Jh.
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10. es geht schief = es mißlingt; es nimmt eine ungünstige Entwicklung. Hergenommen vom Schuß, der sein Ziel verfehlt, oder von der Fechtwaffe, die vom Gegner abgleitet. 1700 ff. Vgl franz »aller de travers«.
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11. nur Mut, die Sache wird schon schief gehen!: Redewendung, mit der man einen ermutigen will. Die Ermunterung ist ehrlich gemeint, aber iron eingekleidet. Spätestens seit 1870, Berlin.
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12. schief geladen haben = bezecht torkeln. Fußt auf dem Bild vom unausgewogen beladenen Erntewagen oder Schiff. 1700 ff.
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13. du hast wohl schief gelegen?: Frage an einen Mißgestimmten. 1900 ff.
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14. schief gewickelt sein = a) von falschen Voraussetzungen ausgehen; sich gröblich irren. Wohl hergenommen von der falsch gewickelten Zigarre, vielleicht auch vom Garn, das schief auf der Spule liegt. Seit
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dem frühen 19. Jh. – b) mißgestimmt sein; sich unbehaglich fühlen. Hier ist vom falsch gewickelten Säugling auszugehen. 1900 ff. c) homosexuell sein. 1920 ff.
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15. sich schief lachen = kräftig lachen. Vor Lachen biegt und krümmt man sich. Spätestens seit 1800.
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16. es läuft schief = es scheitert. schief 10. Vielleicht von der Kegelkugel hergenommen oder vom schiefen Radstand. 1920 ff.
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17. sich schief legen = sein Leben verderben. Hängt zusammen mit der Metapher »schiefe Bahn«. 1910 ff.
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18. schief liegen = a) von falschen Voraussetzungen ausgehen; sich irren. Übernommen von der börsensprachlichen Bedeutung »falsch spekulieren«. Etwa seit 1900.- b) im Verdacht stehen. 1935 ff.
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19. etw schief nehmen = etw übelnehmen. Analog zu »etw krumm nehmen«. Seit dem 18. Jh.
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20. etw schief sehen = etw falsch beurteilen; etw verkennen. Seit dem 19. Jh.
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21. schief ist englisch: Redewendung, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird, daß ein Gegenstand schiel sitzt, hängt oder steht. Leitet sich her entweder allgemein von der englischen Sitte, den Hut schief aufzusetzen, oder im besonderen von der den engli-
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schen Matrosen erteilten Erlaubnis, ihre Mützen schief zu tragen. Gern in der Form »schief ist englisch, und Englisch ist modern«. 1840 ff.
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22. schief sein = mißgestimmt, verärgert sein. Der Mißvergnügte »zieht einen schiefen Mund«. 1930 ff.
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