Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Sau
Sau f \
1. unreinlicher, schmutzender Mensch; unflätiger Mensch; liederliche Frau. Die Schweine gelten sinnbildlich als unsauber und geil. 1500 ff.
\
2. Klecks, Tintenklecks. Wer einen Flecken macht (beispielsweise aufs Tischtuch), wird familiär »Ferkel«, »Schwein« usw. tituliert. 1600 ff, vorwiegend oberd .
\
3. Fehler, Verstoß. Die Sau war früher der Trostpreis für den schlechtesten Schützen. 1600 ff, schül , sold und keglerspr.
\
4. unverdientes, zufälliges Glück. Schwein 36. Seit dem 18. Jh.
\
5. Sau mit Roßhaar = Schweinefleisch mit Sauerkraut. Anspielung auf wirre Verfilzung. 1910 ff.
\
6. alte Sau = a) erfahrene Prostituierte. Seit dem 19. Jh. b) Zotenerzähler; amoralisch lebender Mann. Seit dem 19. Jh.
\
7. arme Sau = bedauernswerter Mensch; armer Mensch. 1900 ff.
\
8. barmherzige Sau = Prostituierte ohne Entgeltsforderung. 1930 ff.
————
9. besengte Sau = sehr dummer Mensch. besengt. 1930 ff.
\
10. blöde (dämliche) Sau = dumme Person; kräftiges Schimpfwort. 1900 ff.
\
11. dicke Sau = beleibte, schwerfällige, unordentliche Frau. Seit dem 19. Jh.
\
12. dumme Sau = dummer Mensch. 1700 ff.
\
13. faule Sau = a) träger Mensch. Seit dem 19. Jh. – b) unfairer Fußballspieler. faul 1. Sportl 1950 ff.
\
14. feige Sau = Feigling. 1900 ff.
\
15. fette Sau = beleibter Mensch. 1900 ff.
\
15 a. geile Sau = liebesgieriger Mensch. 1950 ff; wohl älter.
\
16. gemeine Sau = sehr niederträchtiger Mensch. 1900 ff.
\
17. grobe Sau = verkommene weibliche Person; Hure. 1870 ff.
\
18. gute Sau = gutmütiger, hilfsbereiter, freigebiger Mensch. Bayr 1900 ff.
\
19. keine Sau = niemand. Gemeint ist eigentlich »keine Sau im Stall«. 1800 ff.
————
19 a. lahme Sau = träger Mensch. 1960 ff.
\
19 b. lasche Sau = Versager. lasch 1. 1960 ff, jug .
\
19 c. linke Sau = unsympathischer, niederträchtiger Mensch. link 1. 1960 ff, jug .
\
20. schwule Sau = Homosexueller. schwul. 1920 ff.
\
21. solide Sau = sich nicht prostituierende Frau. 1967 ff, prost .
\
22. träge Sau = langsam fahrendes Auto. 1930 ff.
\
23. trichinenfreie Sau = von Geschlechtskrankheiten freie Prostituierte. 1900 ff.
\
24. verfressene Sau = gefräßiger Mensch. 1920 ff.
\
25. volle Sau = Bezechter. 1600 ff.
\
26. vollgefressene Sau = beleibter Mensch. 1900 ff.
\
27. wilde Sau = a) Angriff von Flugzeugen, wobei jedem Jäger die Wahl seines Ziels überlassen ist; Luftkampf ohne Trennung der Einsatzbereiche für Abwehr und Nachtjäger. Wilde Sau ist das Wildschwein; gereizte Wildschweine können blindlings angreifen, sind in ihrer Wut hemmungslos. Fliegerspr. 1939 ff. – b) schweres Gefecht; Bewegungsgefecht. Sold 1939 ff. – c) schreiender Vorgesetzter. BSD
————
1965 ff.
\
28. zahme Sau = Luftkampf, bei dem die Einsatzbereiche für die Flak und die Nachtjäger der Höhe nach voneinander getrennt sind. Fliegerspr. 1939 ff.
\
29. unter aller Sau = sehr schlecht; unter aller Kritik. Die Leistung ist noch schlechter als die des untauglichsten Schützen, der als Trostpreis eine Sau erhält. Studenten latinisieren »sub omne su«. Seit dem späten 19. Jh.
\
30. kalt wie eine Sau = sehr kalt. Hergenommen von dem erkalteten Schlachttier. Seit dem 19. Jh.
\
31. voll (o.ä.) wie eine Sau = schwerbezecht. Schweine saufen und fressen viel. Seit dem 19. Jh.
\
32. wie eine wilde Sau = wütend; vor Zorn uneinsichtig. Sau 27. 1900 ff.
\
33. wie eine gesengte Sau = a) sehr schnell. Hat nichts mit »sengen« zu tun (es sei denn in der Bedeutung »prügeln«), sondern mit »senken = kastrieren«. Kleinlandwirte nahmen diese Operation früher eigenhändig vor; dabei mußte das Tier sehr große Schmerzen erdulden, weswegen es hinterher seinen Peinigern wie wild davonrannte. 1850 ff. – b) überaus schlecht (er fährt Auto wie eine gesengte Sau; er spielt Klavier wie eine gesengte Sau). Vom schreiend davonlaufen-
————
den Tier übertragen auf eine ungestüme, draufgängerische Handlungsweise. 1870 ff.
\
34. Benehmen wie eine gesengte Sau = überaus schlechtes Benehmen; grobe Anstandswidrigkeit. 1910 ff.
\
35. die Sau abgeben = sich schlecht, ungesittet, unflätig benehmen; Zoten erzählen. Abgeben = darstellen. 1900 ff.
\
36. ankommen wie die Sau ins Judenhaus = ungelegen kommen. Juden ist der Genuß von Schweinefleisch verboten. 1800 ff.
\
37. sich wie eine gesengte Sau benehmen = sich höchst ungesittet aufführen; ungestüm handeln. Sau 33. 1910 ff.
\
38. sich benehmen wie fünfhundert Säue = sich völlig anstandswidrig benehmen. Abgewandelt aus Goethes »Faust I« (»Uns ist ganz kannibalisch wohl / Als wie fünfhundert Säuen«). Im frühen 20. Jh. aufgekommen; sold 1915 ff.
\
39. sich benehmen wie eine wildgewordene Sau = sich hemmungslos, dreist-herausfordernd benehmen. 1900 ff.
\
40. bluten wie eine Sau = viel Blut vergießen. Seit dem 16. Jh.
————
41. nicht auf der Sau dahergeritten sein = von achtbarer Abkunft sein. Seit dem 19. Jh.
\
42. fahren wie eine gesengte Sau = undiszipliniert, draufgängerisch fahren. Sau 33. 1920 ff.
\
43. Herr, gestatte mir, daß ich in diese Säue fahre!: Verwünschungsausruf des unterliegenden Kartenspielers. Geht zurück auf die Bibel (Matthäus 8,31 ff.). Seit dem 19. Jh.
\
44. nicht der Sau vom Arsch gefallen sein = nicht von schlechter Abkunft sein. Seit dem 19. Jh.
\
45. das fühlt eine blinde Sau mit dem Arsch = das ist für jedermann eindeutig klar. 1900 ff.
\
46. mit etw eine Sau füttern können = über etw in großer Menge verfügen. Seit dem 19. Jh.
\
47. von der tollen (wilden) Sau gebissen sein = von Sinnen sein. 1900 ff.
\
48. da hat eine Sau gefrühstückt = Mißgeschick häuft sich auf Mißgeschick; die Erfolgsaussichten sind geschwunden. Gemeint ist, daß Unreinlichkeit und Unordnung sich ausbreiten. 1900 ff, sold und kartenspielerspr.
\
49. vor die Säue gehen = verkommen, umkommen, untergehen, sterben. Geht zurück auf die biblische
————
Geschichte vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11 ff.). Seit dem Ende des 19. Jhs.
\
50. mit jm nicht die Säue gehütet haben = keinen Anlaß zu plumpen Vertraulichkeiten haben; mit jm nicht auf gleicher gesellschaftlicher Stufe stehen. Schweinehüten galt als niedrige, geringgeachtete Tätigkeit. Schwein 35. 1500 ff.
\
51. die falsche Sau geschlachtet haben = einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben und ihn nicht wiedergutmachen können. Zur Herleitung vgl Schwein 44. 1945 ff.
\
52. das kannst du der Sau vor den Arsch gießen: Ausdruck, mit dem man eine minderwertige Leistung zurückweist. 1800 ff.
\
53. da könnte einer Sau grausen (da kommt einer Sau das Grausen an) = das ist schrecklich, sehr schlecht, sehr schmutzig, sehr unansehnlich. Bayr und österr , 1900 ff.
\
54. Sau haben = großes Glück haben. Sau 4. Seit dem 18. Jh.
\
55. wie eine Sau auf dem Apfelhaum hocken = eine sehr schlechte Körperhaltung haben. Seit dem ausgehenden 19. Jh.
————
56. das imponiert keiner Sau = das macht auf niemanden Eindruck. Sau 19. Seit dem 19. Jh.
\
57. etw in die Sau jagen = etw schlecht ausführen; etw verderben, entzweimachen. Wohl vom Schlachtmesser hergenommen. Seit dem 19. Jh.
\
58. wie die Sau vom Trog laufen (weglaufen) = ohne Dank vom Essen aufstehen. Seit dem 19. Jh.
\
59. das kann keine Sau lesen = das ist unleserlich. Sau 19. Seit dem 19. Jh.
\
60. die wilde Sau loslassen (rauslassen) =etw Besonderes tun, veranstalten, vorführen; sich ausleben; keine Hemmungen mehr kennen. Verstärkende Analogie zu »einen Hund losmachen«. Halbw 1950 ff; auch sportl .
\
61. jn zur Sau machen = a) jn entwürdigend anherrschen; jn beschimpfen, moralisch vernichten, stark kritisieren. Der Betreffende wird moralisch so zugerichtet, daß er einer geschlachteten Sau gleicht.Seit dem späten 19. Jh.; vor allem sold und handwerkerspr. – b) jn erschießen; dem Gegner schwere Verluste zufügen. Sold 1939 ff.
\
62. etw zur Sau machen = etw völlig vernichten. 1939 ff.
————
63. jn zur kalten Sau machen = jn moralisch erledigen. 1920 ff.
\
64. mit jm wilde Sau machen = jn schikanös drillen. Sau 27. Sold 1939 ff.
\
65. das merkt keine Sau (keine alte Sau) =das wird nicht aufgedeckt. Sau 19. 1900 ff.
\
66. das paßt wie die Sau ins Judenhaus = das kommt sehr ungelegen, ist völlig unpassend. Sau 36. Spätestens seit 1700. Ähnlich schon in den Fastnachtsspielen des 15. Jhs.
\
66 a. die Sau rauslassen = sich unbeherrscht aufführen; ungestüm handeln. Gemeint ist der »innere Schweinehund« Vgl Sau 60. 1950 ff.
\
67. aus dem Hals riechen wie die Sau aus dem Arschloch = sehr üblen Mundgeruch ausatmen. 1900 ff.
\
68. schießen wie eine gesengte Sau = schlecht schießen. Sau 33. 1870 ff.
\
69. wie eine Sau schreiben = schlecht, unleserlich schreiben. Seit dem 19. Jh.
\
70. schreien wie eine gesengte Sau = laut schreien. Sau 33. 1920 ff.
\
71. schwitzen wie eine Sau = sehr stark schwitzen. Leitet sich her von der toten Sau, die beim Braten
————
»schwitzt«. 1900 ff.
\
72. das sieht eine blinde Sau mit dem linken Hinterbein = das leuchtet jedermann ein. 1900 ff.
\
73. eine Sau ist satt (ist voll)!: Ausruf, wenn einer nach dem Essen laut aufstößt. 1840 ff.
\
74. das ist unter der gesengten Sau = das ist außerordentlich schlecht. Sau 29. 1900 ff.
\
75. eine gebrannte Sau sein = schlechte Erfahrungen gemacht haben. Derbe Variante zu »gebranntes Kind«. 1920 ff.
\
76. wie eine gesengte Sau spielen = sehr schlecht spielen. Sau 33. 1900 ff, kartenspielerspr., sportl u. a.
\
77. die wilde Sau spielen = a) wütend sein; toben; Untergebene gröblichst schikanieren. Sau 23. 1925 ff. – b) sich undiszipliniert benehmen; Verkehrsregeln nicht beachten. 1925 ff.
\
78. jn zur Sau stempeln = jn moralisch vernichten. 1930 ff.
\
79. da wird schon morgen wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben = das gerät schon bald in Vergessenheit. 1930 ff.
————
80. sich vorkommen wie die Sau im Judenhaus = sich nicht am rechten Platz fühlen; sich überflüssig vorkommen. Sau 36. 1840 ff.
\
81. zur Sau werden = a) völlig vernichtet, aufgerieben werden. Sau 61. Sold 1939 ff. – b) wütend, grob werden; unflätige Worte gebrauchen. Meint entweder die Sau als Sinnbildtier des Unflats oder das angriffslüsterne Wildschwein. 1943 ff.
\
82. ich werde zur Sau!: Ausdruck der Verwunderung. Vor Überraschung verliert man das Gleichgewicht und fällt zu Boden wie eine getötete Sau. 1900 ff.
\
83. etw vor die Säue werfen = Wertvolles Unwürdigen zuteil werden lassen. Perle 9. 1700 ff.
\
84. jm zureden wie einer kranken Sau = jn nachdrücklich zu überreden suchen. 1910 ff.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Sau