Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Ratte
Ratte f \
1. gewissenloser Mensch; Mensch, der kein Vertrauen verdient; niederträchtiger Mann; Feigling. Vom schädlichen Verhalten der Ratten auf den Menschen übertragen. 1870 ff.
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2. lästiger Fragesteller. Er »nagt« an Geduld und Beherrschung. 1920 ff.
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3. leichtes Mädchen; Prostituierte o. ä. Wie die Ratte gilt sie als schädlich und lebt im Verborgenen. 1870 ff.
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4. junge Ballett-Tänzerin. Verkürzt aus Ballettratte. 1900 ff.
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5. Fehlwurf beim Kegeln; von der Kegelbahn abgekommene Kegelkugel. Der Begriff »mißglücken« wird gern wiedergegeben mit »ins Wasser gehen«. Die Ratte ist ein Wassertier. Vgl auch » Pudel«. 1800 ff.
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6. pl = Gesindel; asoziale Leute; Halb-, Unterwelt. Die Ratte als Nagetier und Allesfresser fügt dem Menschen großen Schaden zu; sie lebt im Verborgenen und Unterirdischen, bevölkert die Müllablagerungsplätze und gilt als Vorbotin der Pest (die sie einst tatsächlich verbreitete). 1870 ff.
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7. die Ratten = die Lehrerschaft. Von den Schülern aufgegriffen aus dem Titel des nach Gerhart Hauptmanns gleichnamigem Drama 1955 gedrehten Films. 1958 ff.
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8. graue Ratten = Straßenkontrollbedienstete der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. Analog zu den »weißen Mäusen« in Anspielung auf die graue Farbe der Uniform. 1955 ff.
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9. hagere Ratte = hagerer Mensch. 1920 ff.
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10. kleine Ratte = Mensch, der sich von niedrigen Beweggründen leiten läßt. 1920 ff.
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10 a. miese Ratte = charakterlich widerwärtiger Mensch. mies. 1950 ff.
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11. schleimige Ratte = widerlicher Einschmeichler. schleimig. 1950 ff.
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12. schmierige Ratte = Schimpfwort. 1920 ff.
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13. davon beißt keine Ratte etwas ab = das ist unabänderlich. Maus 12. 1950 ff.
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14. wie eine nasse Ratte aus dem Ausguß gucken = traurig dreinblicken. 1945 ff.
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15. Ratten im Kopf haben = wunderliche Einfälle haben. Vergröberung und Vergrößerung von »
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Grillen im Kopf haben«. Man geht von der Vorstellung aus, daß die Nagetiere das Gehirn anfressen und also weit mehr Schaden anrichten als die Grillen. 1800 ff. Vgl franz »il a des rats« und »un rat lui trotte dans la tête«; engl »he has rats in his garret«.
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16. du hast wohl Ratten im Stuhlgang?: Frage an einen, der Unsinn schwätzt. 1950 ff, jug .
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17. so eine Ratte nennen wir Maus: Redewendung, wenn man die ausgespielte Karte stechen kann. 1900 ff, kartenspielerspr.
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18. pennen wie eine Ratte = tief, schnarchend schlafen. Ratte 20. 1900 ff.
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19. eine Ratte schieben = a) keinen Kegel treffen; die Kegelkugel von der Bahn abgleiten lassen. Ratte 5. Keglerspr. seit dem 19. Jh. – b) ein unvorteilhaftes Geschäft machen; einen überhöhten Preis zahlen müssen. 1950 ff. – c) von einem Mädchen abgewiesen werden. 1920 ff.
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20. schlafen wie eine Ratte = fest schlafen. »Ratte« ist entstellt aus » Ratz I«. 1500 ff.
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21. für die Ratte sein = vergebens, unnütz, schlecht sein. Was man den Ratten anheimgibt, ist das Minderwertigste und ist verloren. Seit dem 19. Jh.
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22. auf die Ratte (Ratten) spannen (aufpassen) = scharf aufpassen; jede kleine Nachlässigkeit streng rügen. Hergenommen vom Hund oder der Wildkatze, die vor dem Loch der Ratte sitzen und ihr auflauern. 1900 ff.
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23. die Ratten verlassen das (sinkende) Schiff = die Gegner im Kartenspiel haben nur noch unbedeutende Karten beizugeben. Übernommen von der Geltung des Unheil ankündigenden Vorfalls. Seit dem 19. Jh.
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