Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Pferd
Pferd n \
1. dummer Mensch. Roß. 1900 ff.
\
2. großer Hund (Deutsche Dogge). 1920 ff.
\
3. Frau, die geschlechtlichen Anschluß sucht. Anspielung auf »reiten = koitieren«. 1910 ff.
\
4. fremdsprachige Übersetzung; Täuschungsmittel Mit solch einem »Pferd« kann der Schüler das »Rennen« leichter gewinnen. 1910 ff.
\
5. Pferd im Badeanzug = Zebra. Vom gestreiften Badeanzug hergenommen. Klingt wie die Pointe eines Kinderwitzes. 1920 ff.
\
6. abgerittenes Pferd = bejahrte Frau. Pferd 3. Seit dem 19. Jh.
\
7. altes Pferd = gemütliche Schelte. Seit dem 19. Jh.
\
8. das beste Pferd im Stall = a) die tüchtigste Arbeitskraft; bester Könner unter vielen. Seit dem 19. Jh. – b) die höchste Trumpfkarte im Skat. Kartenspielerspr, spätestens seit 1900. – c) das zugkräftigste Vortragsstück von vielen; Glanznummer des Programms. 1920 ff.
\
9. erstes Pferd im Stall = erste von mehreren Prostituierten eines Zuhälters. Pferdchen 1. 1900 ff, prost .
————
10. falsches Pferd = Fehlspekulation. Vom Pferdewettrennen übernommen. 1900 ff.
\
11. gefülltes Pferd mit Nudeln = sehr reichhaltige Mahlzeit. Ins Übergroße gesteigerte »gefüllte Gans« oder »gefüllte Kalbsbrust« o.ä. BSD 1965 ff.
\
12. sicherstes Pferd = erfolgsichere Sache oder Person. Hergenommen vom Rennpferd, dem man Aussicht auf den Sieg gibt. 1900 ff.
\
13. langsam (sachte) mit den jungen Pferden (mit die jungen Pferde)!: Aufforderung zu behutsamem Vorgehen; Warnung vor voreiligen Schlußfolgerungen. 1900 ff.
\
14. arbeiten wie ein Pferd = angestrengt arbeiten; schwere körperliche Arbeit verrichten. Seit dem 16. Jh. Vgl engl »to work like a horse«.
\
15. das Pferd beim Schwanz aufzäumen = eine Sache am Ende beginnen; von einer Sache zuerst den Schluß berichten. 1500 ff. Vgl engl »to put the cart before the horse«; franz »brider son âne par la queue«.
\
16. das hält kein Pferd aus = das ist unerträglich. Was nicht einmal das Pferd aushält, kann auch der Mensch nicht ertragen. Seit dem 19. Jh.
\
17. es wird ein Pferd begraben = es ertönt ernste
————
Musik (Trauermusik). Die Musik empfindet man als derart »schwer«, daß man sie allenfalls bei der Beerdigung eines (schwergewichtigen) Pferdes für angemessen halten würde. 1950 ff.
\
18. keine zehn Pferde bringen mich dahin = durch nichts lasse ich mich dazu zwingen. 1700 ff.
\
19. daran denkt kein Pferd!: Ausdruck der Ablehnung. 1900 ff.
\
20. ihm gehen die Pferde durch = er verliert die Beherrschung. Übertragen vom Kutscher, der die Gewalt über die Pferde verliert. 1900 ff.
\
21. jm einen vom Pferd erzählen = jn veralbern; mit jm seinen Spott treiben. Zusammenhängend mit surrealistischen Witzen, in deren Mittelpunkt ein Pferd steht. BSD 1965 ff.
\
22. erzähl' mir keinen vom Pferd! = verschone mich mit deinem Geschwätz! Auch Ausdruck der Überraschung über eine unglaubwürdige Behauptung. Jug 1965 ff.
\
23. von hier bringen mich keine zehn (sechs, hundert) Pferde wieder fort = hier bleibe ich unter allen Umständen; keine Gewalt bringt mich von hier wieder fort. 1600 ff.
————
24. schnell mal zu den Pferden gehen = rasch den Abort aufsuchen. Als Ausrede gemeint. 1900 ff.
\
25. Pferde, die so rasch aus dem Stall gehen, sind rasch müde: Redewendung unter Kartenspielern bei Spielerfolg im Anfang. 1900 ff.
\
26. vom Pferd geküßt werden = a) einen Huftritt erhalten; von einem Pferd gebissen werden. 1870 ff. – b) eine Oberschenkelprellung erleiden. 1900 ff.
\
27. da ist wohl ein Pferd gestorben?: Frage, wenn der Rundfunk ernste Musik überträgt. Pferd 17. Berlin 1960 ff.
\
28. das glaubt kein Pferd = das glaubt niemand; das ist ganz und gar unglaubwürdig. 1900 ff.
\
29. gucken wie ein Pferd = verwundert blicken. Schül 1956 ff.
\
30. ... Pferde unter der Haube haben =... Stundenkilometer Geschwindigkeit fahren können. Pferde = Pferdestärken; PS. 1920 ff.
\
31. Pferde im Hintern haben = einen Heckmotor haben. 1950 ff.
\
32. eine Natur haben wie ein Pferd = sehr widerstandsfähig sein. 1920 ff.
————
33. ein zweites Pferd im Stall haben = für den Notfall eine zweite Erwerbsquelle besitzen. 1900 ff.
\
34. keine zehn Pferde können ihn mehr halten = nichts hält ihn zurück. Vgl Pferd 18 u. 23. Seit dem 19. Jh.
\
35. auf die Pferde hauen = a) übertreiben; nicht sachlich bleiben. Hergenommen vom peitschenschwingenden Kutscher oder vom Reiter mit der Reitpeitsche. 1920 ff. – b) sich für einen Bewerber (Wahlkandidaten) nachdrücklich einsetzen. Wie einem Rennpferd will man ihm mit allen Mitteln zum Sieg verhelfen. 1925 ff.
\
36. jn klopfen wie ein altes Pferd = jn plump betasten. Vom Viehhändler oder Tierarzt übernommen. 1960 ff.
\
37. vom Pferd auf den Esel kommen = verarmen; wirtschaftlich zurückfallen; beruflich absteigen. Gegen 1600 aus dem Mittellateinischen übersetzt.
\
38. man hat schon Pferde kotzen sehen (und das sogar direkt vor der Apotheke) = man hat schon anderlei Unglaubliches erlebt; auch Mahnung zur Vorsicht. Gemeint ist, daß das Betreffende sogar die Pferde angewidert hat. Beim Pferd ist der Mageneingangsmuskel besonders stark ausgebildet und kräftig, so daß es im allgemeinen nicht zum Erbrechen des
————
Mageninhalts kommen kann; bei Erschlaffen dieses Muskels (während einer Narkose) kann der Mageninhalt austreten, aber nur durch die Nase. Um 1900 aufgekommen, vorwiegend Sold und stud .
\
39. Pferde laufen haben (laufen lassen) = Zuhälter sein. Pferdchen 1. 1900 ff.
\
40. ich glaube, auf meinem Sofa liegt ein Pferd!: Ausdruck ungläubigen Staunens. Zur Erklärung vgl » Hamster«. BSD 1965 ff.
\
41. die Pferde scheu machen (kopfscheu machen) = die Leute einschüchtern, ängstigen. Seit dem 19. Jh.
\
42. das merkt ein Pferd = das ist augenfällig. 1830 ff.
\
42 a. die Pferde saufen schon = das Wirtschaftsleben erholt sich. Um 1966/7 in den Wortschatz eingeführt durch Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller.
\
43. ich glaube mein Pferd schielt!: Ausdruck ungläubigen Staunens. Gaul 9. BSD 1965 ff.
\
44. schlagen wie ein Pferd = heftige Boxhiebe versetzen. Übertragen vom Ausschlagen des Pferds. Sportl 1950 ff.
\
45. nach den Pferden sehen = den Abort aufsuchen. Pferd 24. 1900 ff.
————
46. auf seinem Pferd sein = sich in gehobener Stimmung befinden. Meint entweder das Lieblingspferd oder das Steckenpferd: mit ihm fühlt man sich am wohlsten. 1870 ff.
\
47. jn aufs Pferd setzen = jn auf einen einflußreichen Posten berufen. Um den Sieg laufen muß er selber. 1900 ff.
\
48. aufs falsche Pferd setzen = a) sich irren; sich mit seinen Absichten verrechnen. Von der erfolglosen Wette beim Pferderennen übertragen. 1870 ff. – b) einen Abgeordneten wählen, der bei der Wahl unterliegt oder sich in der Mandatszeit als untauglich erweist oder mitsamt Mandat zu einer anderen Partei übergeht. 1900 ff.
\
49. auf das richtige Pferd setzen = richtig spekulieren; eine zutreffende Voraussage machen; seine Stimme einem Abgeordneten geben, der in der Legislaturperiode alle Erwartungen erfüllt. 1870 ff.
\
50. sich aufs hohe Pferd setzen = hochmütig, eingebildet sein. Aus der Fußgängerperspektive nimmt sich der Reiter hocherhaben und stolz aus: er wird zum Sinnbild der Überheblichkeit und Anmaßung. Seit dem 15. Jh.
\
51. auf dem falschen Pferd sitzen = sich gröblich irren; geschäftlichen Mißerfolg selber verschulden;
————
Abgeordneter einer Partei sein, die sich die Gunst der Wähler verscherzt. 1920 ff.
\
52. auf dem hohen Pferd sitzen = unnahbar, anmaßend sein. Pferd 50; Roß 18. 1500 ff.
\
53. mit jm Pferde stehlen können = jn zu allem anstellig finden; mit jm sehr schwierige (heikle) Unternehmen ausführen können; sich auf jn fest verlassen können. Hergenommen vom schlauen, umsichtigen und listigen Verhalten des Pferdediebs. 1600 ff.
\
54. aufs Pferd steigen = aufbrausen. Veranschaulichende Variante zu » hochgehen 2«. 1920 ff.
\
55. ich glaube, mich tritt ein Pferd!: Ausdruck unwilliger Überraschung oder ungläubigen Staunens. Meist schlägt das Pferd unerwartet aus. Halbw 1960 ff. Auch von Werbetextern aufgegriffen (Zahnpasta »Ultraweiß«).
\
56. überlaß das Denken den Pferden, sie haben den größeren Kopf!: Erwiderung auf eine Äußerung, die mit den Worten »ich denke, daß...« beginnt; auch soviel wie »denk' nicht nach über Äußerungen von Vorgesetzten, Politikern o.ä.«. Meist mit dem Nebensinn, daß sich bei Worten der Mächtigen das Denken des Machtlosen nicht verlohnt, weil Macht den Wahrheitsanspruch erhebt. Wohl aufgekommen im Zusammenhang mit den »denkenden Pferden« von Elberfeld,
————
dem »klugen Hans« von Berlin usw. zu Anfang des 20. Jhs. 1910 ff.
\
57. ein Pferd vorziehen, dem man beim Reiten in die Augen sehen kann: Redewendung eines, der am Rennsport kein Interesse hat. Anspielung auf den Geschlechtsakt: reiten = koitieren. 1930 ff.
\
58. die Pferde wechseln = eine Personalveränderung vornehmen; den Vorsitz wechseln. 1950 ff.
\
59. darüber wiehern die Pferde = das sind lächerliche Behauptungen. wiehern (= hellauf lachen). 1920 ff.
\
60. ein gutes Pferd zieht zweimal = man spielt beim Kartenspiel dieselbe Farbe nach, in der man gerade einen Stich gemacht hat. Kartenspielerspr. seit dem späten 19. Jh.
\
61. jm zureden wie einem kranken (lahmen) Pferd = jn gütlich ermuntern. Gaul 14. 1950 ff.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Pferd