Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Leine
Leine f \
1. Straßenbezirk der Prostituierten; Kundenfang durch Straßenprostituierte. Analog zu Strich. Rotw 1820 ff.
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2. lange Leine = Zubilligung weitreichender Freiheit. Dem an der langen Leine geführten Pferd o. ä. gewährt man weiten Auslauf. Seit dem 19. Jh.
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3. schlappe Leine = milde, nachgiebige Handhabung; Freizügigkeit ohne jeglichen Zwang. Läßt man Führungsleine oder Zügel locker durchhängen, kann das angeleinte Tier sich frei bewegen. 1900 ff.
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4. jn an der langen Leine erziehen = jn in großer Freiheit erziehen. 1950 ff.
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5. jn an der langen Leine führen = jm viel Freiheit lassen. Seit dem 19. Jh.
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6. jm (einer Sache) die lange Leine geben = jn (eine Sache) nur geringfügig einschränken. 1900 ff.
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7. an der Leine gehen = fügsam sein; gehorchen. 1900 ff.
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8. auf der Leine gehen = Straßenprostituierte sein. Leine 1. Rotw 1860 ff.
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9. jn an der langen Leine gehen lassen = einem (heimlich beobachteten) Verdächtigen scheinbar uneingeschränkte Bewegungsfreiheit gewähren. Vgl Leine 17. Polizeispr., durch Vermittlung von Kriminalromanen und -filmen heute allgemein geläufig. 1920 ff.
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10. jn an der Leine haben = jm wenig Freiheit lassen; jn streng beaufsichtigen; einen Verdächtigen nicht aus den Augen lassen; sich auf jds Gehorsam verlassen können.1840 ff.
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11. jn an der Leine halten = jds Willen oder Temperament zügeln; jn beherrschen. 1900 ff.
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12. jn an der kurzen Leine halten = jds Freiheitsdrang zügeln. 1920 ff.
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12 a. jn an der langen Leine halten = jm viel, aber nicht alle Freiheit lassen. 1920 ff.
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13. seine Hosen haben über Nacht auf der Leine gehangen = er ist krummbeinig. Die Krummbeinigkeit ist die Folge unzweckmäßigen Aufhängens der Hosen. 1840 ff.
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14. Leine lassen = nachgiebig werden; Forderungen abschwächen. Man gibt mehr Länge der zuvor kurz gehaltenen Leine frei, so daß das angeleinte Tier mehr Spielraum erhält. 1920 ff.
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15. jm (jn von der) Leine lassen = jm größere Freiheit gewähren. Vgl das Vorhergehende. 1920 ff.
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16. sich von der Leine lassen = sich Ausschweifungen hingeben. 1950 ff.
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17. jm die Leine lang lassen = a) jm freien Willen lassen. Seit dem 19. Jh. – b) jn unauffällig beobachten; jn insgeheim überwachen. Vgl Leine 9. Seit dem 19. Jh.
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18. jn an langer Leine laufen lassen = jm ziemlich viel Freiheit lassen. Seit dem 19. Jh.
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19. die Leine locker lassen = die Freiheitsbeschränkung lockern; jm mehr Handlungsfreiheit einräumen. 1920 ff.
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20. jn an die Leine legen (nehmen) = a) jds Freiheitsdrang einschränken. 1920 ff.- b) einen Gegenspieler eng decken. Sportl 1950 ff. – c) als Prostituierte einen Dauerkunden zu erwerben verstehen. 1960 ff.
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21. jn an die kurze Leine legen = jds Einwirkungsmöglichkeiten (Einfluß) stark beschränken. 1920 ff.
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22. an der Leine liegen = vom Gegenspieler eng gedeckt werden. Sportl 1950 ff.
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23. Leine werfen = flirten. Hergenommen vom Anlegemanöver des Schiffs oder vom Auswerfen der An-
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gelschnur. Halbw 1955 ff.
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24. Leine ziehen = a) als Prostituierte auf Männerfang gehen. Leine 1. 1820 ff. – b) verschwinden; fliehen. Hergenommen vom ablegenden Schiff: es zieht die »Leinen = Taue« ein, mit denen es am Liegeplatz festgemacht war. Seit dem 19. Jh. – c) von der Schule verwiesen werden. 1955 ff.
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