Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Huhn
Huhn n \
1. Sonderling; Mensch. Wohl weil Hühner in menschlicher Auffassung gelegentlich ein wunderliches Benehmen an den Tag legen. 19. Jh.
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2. Mädchen. Es hat noch nicht »gebrütet«, ist »Huhn«, aber noch nicht »Henne«. 1900 ff.
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3. Einmarkstück. Fußt auf jidd »hon = genug; honnim = Reichtümer«. In der Schreibung »Hon = Geld« rotw seit 1840. Die Schreibung »Huhn« scheint erst um 1950 aufgekommen zu sein. Vgl auch gleichbed »Ei«.
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4. Prostituierte. Sie läßt sich von jedem » Hahn« »treten«. 1910 ff.
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5. Huhn im Beutel (in der Tüte) = Trockenei. 1945 ff.
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6. ahnungsloses Huhn = ahnungslose, arglose, einfältige Person. 1910 ff.
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7. armes Huhn = bedauernswerter Mensch. 1910 ff.
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8. blödes Huhn = dummer Mensch. 1900 ff.
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9. dummes Huhn = dummer Mensch. 19. Jh.
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10. fideles Huhn = lustiger Mensch; Spaßmacher. fidel. Seit dem 19. Jh., wohl in Studentenkreisen aufgekommen.
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11. gelehrtes Huhn = kluger, gebildeter Mensch; Vielwisser. 1900 ff.
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12. gemütliches Huhn = gemütlicher Mensch. 1900 ff.
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13. junges Huhn = junges, unerfahrenes Mädchen. 1900 ff.
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14. komisches Huhn = Sonderling. 1900 ff.
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15. krankes Huhn = kranker Mensch. 1850 ff.
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16. lahmes Huhn = energieloser, entschlußloser Mensch. 1920 ff
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17. leichtes Huhn = leichtlebiger Mensch. 1900 ff.
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18. leichtsinniges Huhn = leichtsinnige, unüberlegt handelnde Person. 1900 ff.
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18 a. lustiges Huhn = lustiger Mensch; Spaßmacher. 1870 ff.
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19. mageres Huhn = Schwächling; Nichtskönner(in). 1920 ff.
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20. tolles Huhn = närrischer Mensch; Mann, der hervorragend zu unterhalten versteht. 1900 ff.
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21. trauriges Huhn = jämmerlicher, verachtungswürdiger Mensch. 1870 ff.
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22. vergnügtes Huhn = lebenslustiger Mensch. 1900 ff.
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23. verrücktes Huhn = Spaßmacher; Sonderling. 1850 ff.
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24. traurig wie ein Huhn im Regen = mißgestimmt, niedergeschlagen. 1900 ff.
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25. mit den Hühnern aufstehen = früh aufstehen. Die Hühner erwachen mit Sonnenaufgang. 1900 ff.
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26. jn ausnehmen wie ein Huhn = jn ausfragen. Man dringt gewissermaßen in ihn ein wie in ein Huhn, dem man die Eingeweide entfernt. 1920 ff.
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27. er sieht aus (macht ein Gesicht), als wenn ihm die Hühner das Brot gestohlen hätten = er macht ein einfältiges, ratloses, trübseliges Gesicht. Hergenommen vom Gesichtsausdruck eines Kindes, das sich aus Unachtsamkeit von den Hühnern das Butterbrot hat wegnehmen lassen. 1800 ff.
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28. mit den Hühnern zu Bett gehen (schlafen gehen; auffliegen; aufsitzen) = sehr früh zu Bett gehen. Die Hühner ziehen sich meist vor Einbruch der Dunkelheit in ihren Stall zurück. 1600 ff.
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29. grüße die Hühner (Gruß an die Hühner)!: scherzhafter Auftrag beim Abschiednehmen. Seit dem
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18. Jh.
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30. nicht alle Hühner auf dem Balkon (auf der Stange) haben = nicht ganz bei Verstand sein. Die Hühnerhaltung auf dem Balkon verrät kleinbürgerliche Lebensweise. 1920 ff.
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31. da (darüber) lachen ja die Hühner!: Ausdruck der Abweisung einer unsinnigen Bemerkung. Die Äußerung muß dermaßen töricht sein, daß über sie sogar die Hühner lachen würden, obwohl sie für dumm gelten. Seit dem 19. Jh.
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32. weise Hühner legen wohl auch einmal in die Nesseln = kluge Leute irren auch gelegentlich. 1700 ff.
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33. Hühner melken = Unsinniges, Erfolgloses beginnen; sich mit törichten Dingen beschäftigen. 1880 ff; aber wohl viel älter. Vorform in der Antike.
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34. rede mit den Hühnern, dann kriegst du die Eier umsonst: Rat an einen Einfältigen. Umsonst = kostenlos. Schül 1950 ff.
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35. du kannst zwar ein lungenkrankes Huhn den Abhang runterstürzen, aber...: Redewendung auf einen Prahler. BSD 1965 ff.
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36. ein Huhn schlachten, das goldene Eier legt = sich seiner Erwerbsquelle berauben; einen Vorteil aus Torheit zunichte machen. Geht zurück auf eine Fabel von
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Lafontaine (17. Jh.), in der erzählt wird, daß ein Bauer, dessen Huhn goldene Eier legt, sein Tier schlachtet, um dem Geheimnis der goldenen Eier auf die Spur zu kommen.
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37. bei dir sitzen wohl nicht alle Hühner auf der Stange? = du bist wohl nicht bei Verstand? Huhn 30. 1920 ff.
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38. die Hühner tasten = zu ermitteln suchen, wie bei den Gegnern die Karten verteilt sind. Hergenommen von einem, der durch einen Griff in den Hühnerafter feststellen will, ob er am nächsten Tag ein Ei zu erwarten hat. Kartenspielerspr. seit dem 19. Jh.
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39. da wird das Huhn in der Pfanne verrückt!: Ausdruck der Verzweiflung, des Unwillens o. ä. Vgl Hund 160. 1950 ff.
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