Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Hemd
Hemd n \
1. Schwächling; unreifer Heranwachsender; Dummer; Flachbrüstiger. Meint eigentlich das Kind im Hemd. Vgl Hemdling. 1900 ff.
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2. Schutzüberzug für Rundfunk- und Fernsehgehäuse. Technikerspr. 1950 ff.
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3. Schallplattenhülle. 1965 ff.
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4. altes Hemd = Mann (Kosewort). 1950 ff.
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5. halbes Hemd = a) jugendlicher Gernegroß. Wohl wegen der Mode der kurzen Hemden, der Überfallhemden o.ä. Halbw 1955 ff. – b) Schwächling. Marinespr 1965 ff.
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6. langes Hemd = großwüchsiger Mensch. Er besitzt die »übliche« Gespenstergröße. 1935 ff.
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7. müdes Hemd = Energieloser; langweiliger Mensch. 1955 ff.
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8. nervöses Hemd = unruhiger, ruheloser Mann; liebesgieriger Mann. 1935 ff.
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9. schmales Hemd = flachbrüstiger Mensch. 1955 ff, halbw .
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10. im Hemd: Erwiderung auf die Frage, wo sich
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einer befindet. 1870 ff.
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11. jn bis aufs Hemd abrüsten = a) jm fast das ganze Bargeld abgewinnen. Um 1920 aufgekommen mit den internationalen Abrüstungsverhandlungen. – b) jm unter Gewaltanwendung alles Mitnehmenswerte wegnehmen. 1950 ff.
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12. ein langes Hemd anhaben = langweilig, umständlich zu Werke gehen. Die umständliche Handlungsweise soll keine menschliche Eigenschaft, sondern durch die Hemdenlänge verursacht sein. 1950 ff.
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13. das nervöse Hemd anhaben = nervös, aufgeregt sein. Hemd 8. 1939 ff.
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14. ein schmales Hemd anhaben = mißmutig sein. 1950 ff.
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15. jn bis aufs Hemd ausfragen = a) jn scharf verhören. Mit seinen Fragen entblößt man ihn fast völlig. 1900 ff. – b) jn bis auf Intimitäten ausfragen. 1960 ff.
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16. jn bis aufs Hemd ausziehen (jm das Hemd ausziehen) = a) jn aller Geldmittel berauben; jn arm machen. Ursprünglich von Räubern gesagt, die ihren Opfern nur das Hemd auf dem Leibe ließen. 1600 ff. – b) jn einem sehr strengen Verhör unterwerfen. 1910 ff.
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17. sich bis aufs Hemd ausziehen = seine letzten Ersparnisse hergeben. 1900 ff.
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18. das zieht einem das Hemd aus!: Ausruf des Unmuts, der Verzweiflung. 1950 ff.
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19. sich von jm das Hemd ausziehen lassen = sich von jm übertölpeln, ausnutzen lassen. 1900 ff.
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20. es zieht einem das Hemd ein = die Speise ist sehr bitter, sehr sauer. 1900 ff.
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21. ihm flattert das Hemd ( er hat das Hemd am Flattern) = er zittert vor Furcht; er hat Angst. Vgl Hemd 13 und Fracksausen. 1939 ff.
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22. das Hemd vom Leibe geben = sein Letztes hergeben; übertrieben freigebig und gutmütig sein. Seit dem 19. Jh.
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23. jm unter das Hemd gucken = a) jds Wesensart zu ergründen suchen. Man entwickelt Neugier nach Intimitäten. 1920 ff. – b) jds Vorleben ausforschen. 1933 ff.
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24. kein Hemd auf (vor) dem Arsch haben = sich nur ärmlich kleiden können; arm sein. 1840 ff.
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25. mehr als zwanzig Hemden in der Bütte haben = ein wohlhabendes Mädchen sein. 1920 ff.
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26. kein Hemd am Leib haben = arm sein. Seit dem 19. Jh.
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27. kein ganzes Hemd haben = a) sehr ärmlich sein. 1900 ff. – b) völlig verkommen sein. 1900 ff.
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28. ein reines Hemd haben = ein gutes Gewissen haben; sich keiner Schuld bewußt sein; schuldlos sein. Derber als »eine reine Weste haben«. 1900 ff.
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29. jn aus dem Hemd hauen = jn heftig prügeln. Verstärkung von »jn aus dem Anzug boxen«. Sold 1939 ff.
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30. sein letztes Hemd hergeben (weggeben) = das Letzte opfern; überaus gutmütig und hilfsbereit sein. Hemd 22. Seit dem 19. Jh.
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31. einen unters Hemd jubeln = koitieren, schwängern. Jubeln = mit Freuden, mit Genuß tun. 1930 ff.
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32. jn bis aufs Hemd kennen = jn genau kennen. Vgl Hemd 15 und 16 b. 1920 ff.
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33. jm das Hemd ans Flattern kriegen = jn antreiben. Vom Drill auf dem Kasernenhof o.ä. hergenommen. Hemd 21. 1935 ff.
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34. du bist wohl vom Vater durch das Hemd gemacht worden?: Frage an einen, der Unsinniges äußert. Gemeint ist, daß ein Teil des Spermas vom Hemd aufgesogen wurde, so daß der Betreffende nur zum Teil ein normal begabter Mensch sei. Spätestens seit 1900.
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35. sich ins Hemd machen = ängstlich sein; sich übermäßig aufregen. Dem Ängstlichen und Aufgeregten versagt der Schließmuskel den Dienst. 1910 ff.
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36. ihm saust das Hemd = er ist voller Angst Hemd 21. 1939 ff.
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37. einen hinter das Hemd schicken = ein Glas Schnaps trinken. 1920 ff.
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38. sich etw unter das Hemd schieben lassen = sich übertölpeln lassen. Vielleicht von unfreiwilligem Geschlechtsverkehr hergenommen. 1930 ff.
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39. jm unter das Hemd sehen = jds wahre Absicht oder Gesinnung zu ergründen suchen. Hemd 23. 1920 ff.
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40. das Hemd ist viel zu groß für dich = du übernimmst dich. Übertragen vom Hemd mit zu großer Kragenweite u. ä. 1965 ff.
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41. das Hemd ist zu kurz = a) die geldlichen Verhältnisse reichen nicht aus. 1920 ff. – b) es reicht nicht zu einem Erfolg. 1920 ff.
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42. das Hemd ist ihm näher als der Rock = er ist selbstsüchtig; Familieninteressen haben den Vorrang. Übersetzt aus dem »Trinummus« des Plautus (um 250-184 v.Chr.). 1800 ff.
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43. sein Hemd ist sauber = er ist unbescholten, schuldlos. Hemd 28. 1900 ff.
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44. ein Schlag, und du stehst im Hemd!: Drohrede. Soll auf einer Äußerung der gegen Ende des 19. Jhs in Berlin beliebten Schwerathletin Sandwina beruhen.
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45. ein Schlag, und das Hemd steht allein da!: Drohrede. Steigerung des Vorhergehenden. 1920 ff.
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46. dastehen im kurzen Hemd = a) einen Mißerfolg erlitten haben. 1940 ff. – b) bloßgestellt sein; sich nicht zu helfen wissen. 1940 ff.
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47. ein Stich mit dem Sacktuch, und du stehst im Hemd da!: Drohrede oder Prahlrede eines Kraftmenschen. 1920 ff.
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48. jm aufs Hemd treten = jm zu nahe treten. 1930 ff.
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48 a. verpiß dir nicht das Hemd = sei nicht so dünkelhaft! Gemeint ist hier, daß einer bei menschlich- allzumenschlicher Verrichtung seine Überheblichkeit nicht aufgibt. 1970 ff.
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49. das letzte Hemd verscheuern = alles zu Geld machen. verscheuern. 1920 ff.
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50. bis aufs Hemd verschuldet sein = tief in Schulden stecken. 1920 ff.
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50 a. das letzte Hemd verwetten = vom Eintreffen einer Entscheidung (im erwarteten, erwünschten Sinn) fest überzeugt sein. 1950 ff.
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51. das Hemd wechseln = die Gesinnung ändern; zu einer anderen Partei (Konfession o. ä.) übertreten. Manch einer tut das mit einer Leichtigkeit, als wechsle er lediglich das Taghemd mit dem Nachthemd. 1930 ff.
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52. ihm wird das Hemd zu kurz = er braust auf. Der Zornige wirft sich in die Brust und reckt sich zu voller Höhe. 1920 ff.
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52 a. im Hemd wohnen = ein weitgeschnittenes Hemd tragen. 1979 ff.
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53. jm das Hemd vom Leibe ziehen = jn der letzten Barschaft berauben. Vgl Hemd 16. 1900 ff.
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