Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Hals
Hals m \
1. Hals und Bein!: Wunsch beim Abfliegen. Verkürzt aus » Hals- und Beinbruch«. Fliegerspr. 1935 ff.
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2. feldgrauer Hals = ungewaschener Hals. 1950 ff, halbw .
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3. unrechter (falscher) Hals = Luftröhre. Als »richtig« gilt die Speiseröhre. 1700 ff.
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4. dem Radio den Hals abdrehen = das Rundfunkgerät ausschalten. Meint eigentlich »ab-, erwürgen«. 1930 ff.
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5. sich den Hals abschreien = laut und ausdauernd schreien. 1920 ff.
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6. den Hals aufreißen = sich kräftig äußern; prahlen; schimpfen. 1800 ff.
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7. sich nach jm den Hals ausrenken = nach jm neugierig den Kopf wenden. 1900 ff.
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8. sich nach jm den Hals ausschreien = lange und laut nach jm rufen. 1920 ff.
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9. jm auf dem Hals bleiben = jm fortwährend zur Last liegen. »Hals« meint hier und in den einschlägigen Redewendungen den Nacken als den Träger von Lasten, vor allem das Joch der Zugtiere. Seit dem 19. Jh.
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10. bleib mir damit vom Hals! = verschone mich mit dieser unangenehmen Sache! Seit dem 18. Jh.
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11. das bricht ihm den Hals = das richtet ihn zugrunde; das ist sein Untergang. Anspielung auf die Hinrichtung durch den Strang; auch der Teufel hat (in der einschlägigen Literatur) die Angewohnheit, seinen Opfern den Hals zu brechen. Seit dem 18. Jh.
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12. jm den Hals brechen = jn wirtschaftlich (moralisch) vernichten. 1800 ff.
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13. jetzt stehst du da mit deinem gewaschenen Hals = jetzt hast du dich vergeblich angestrengt; jetzt bist du ratlos. Geht zurück auf einen Witz: Der Junge ist wasserscheu; sein Vater will mit ihm in den Zirkus gehen, sofern der Junge seinen Hals wäscht, worauf der Junge meint: »Und wenn du keine Eintrittskarten mehr bekommst, stehe ich da mit meinem gewaschenen Hals...!« Spätestens seit 1900.
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14. ich drehe dir den Hals zum Korkenzieher!: Drohrede. 1950 ff, halbw .
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15. jm den Hals auf Sparflamme drehen = jn heftig würgen, umbringen. Sparflamme. 1950 ff.
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16. jm den Hals zur Wendeltreppe drehen (jm eine Wendeltreppe in den Hals drehen) = jn würgen. 1950 ff.
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17. es geht ihm an den Hals = man zieht ihn zur Verantwortung. Anspielung auf die Hinrichtung. 1920 ff.
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18. etw in den Hals gießen = trinken. 1900 ff.
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19. etw (jn) auf dem Hals haben = mit etw (jm) beladen sein. Hals 9. 1500 ff.
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20. einen Hals haben = streitlüstern, wütend sein. »Hals« meint hier die laute Stimme; wohl mit Anspielung auf die schwellende Zornesader. 1920 ff.
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21. einen dicken Hals haben = a) Stuhldrang verspüren. Groteskerweise nimmt man an, der Kot stehe bereits bis zum Hals. BSD 1965 ff. – b) angewidert sein. 1960 ff.
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22. einen großen Hals haben = frech, vorlaut sein. Hals = laute Stimme. 1900 ff.
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23. jn (etw) vom Hals haben = sich von einer lästigen Person oder Sache befreit haben. Hals 9. 1800 ff.
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24. viel am (auf dem) Hals haben = stark beschäftigt sein. Die Arbeitslast drückt als Bürde auf den Nacken. 1900 ff.
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25. es im Hals haben = Halsschmerzen haben. Seit dem 18. Jh.
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26. etw bis zum Hals haben = einer Sache gründlich
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überdrüssig sein. Hergenommen von einer Speise, die Brechreiz verursacht, oder vom Wasser, das einem bis zum Hals steht. 1800 ff.
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27. den Hals halten = verstummen, schweigen. Analog zu »die Luft anhalten«. 1900 ff.
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28. jm etw (einen) vom Hals halten = jm eine unangenehme Sache oder Person fernhalten. Hals 10. 1800 ff.
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29. jm am Hals hängen = jn mit Bitten und Wünschen belästigen. Seit dem 19. Jh.
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29 a. jn am Hals (hängen) haben = für jn notgedrungen sorgen müssen. Seit dem 19. Jh.
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30. jm etw an den Hals hängen = a) jm die Schuld an etw geben. Vgl anhängen 1. Seit dem 19. Jh. – b) jn mit einer unangenehmen Aufgabe betrauen. Man bürdet ihm eine Last auf. 1920 ff.
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31. jm eine Klage (o. ä.) an den Hals hängen = Klage gegen jn einreichen. 1800 ff.
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32. jm einen auf den Hals hetzen = jm einen lästigen Besucher schicken; jn durch einen anderen belästigen lassen. Übertragen vom Hund, den man auf ein Stück Wild oder auf einen Menschen hetzt. 1800 ff.
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33. sich etw auf den Hals holen = sich einen Nachteil
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zuziehen. 1920 ff.
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34. ihm juckt der Hals = er hat Verlangen nach einem Halsorden. Jucken = reizen. 1939 ff.
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35. aus dem Hals knirschen = unmelodiös, kreischend singen. 1950 ff.
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36. jm auf den Hals kommen = a) jn überfallen. Seit dem 19. Jh. – b) jn belangen, zur Verantwortung ziehen. 1900 ff.
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37. jm über den Hals kommen = jn unerwartet, unerwünscht besuchen. 1500 ff.
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38. das wird den Hals nicht kosten = das ist nicht schlimm; davor braucht man nicht bange zu sein. Ursprünglich auf Erhängen oder Enthaupten bezogen. 1700 ff.
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39. einen Hals kriegen = wütend werden. Hals 20. 1920 ff.
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40. etw in den verkehrten (unrechten, falschen) Hals kriegen = a) sich verschlucken. Hals 3. 1700 ff. – b) etw falsch auffassen. 1850 ff.
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41. ein Verfahren an den Hals kriegen = unter Anklage gestellt werden. Hals 31. 1900 ff.
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42. jn auf den Hals kriegen = mit jm belästigt (belastet) werden. 1800 ff.
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43. etw vom Hals kriegen = eine unangenehme Sache erledigen; sich einer Unannehmlichkeit entledigen. Vgl Hals 10. 19. Jh.
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44. sich etw auf den Hals laden (ziehen) = sich eine lästige Sache zuziehen. 1500 ff.
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45. jm auf dem Hals liegen = jm zur Last fallen. 1600 ff.
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46. das lügst du dir in den Hals! = da sagst du grob die Unwahrheit. Gemeint ist, daß die Folgen der Lüge auf den Lügner zurückfallen. 1500 ff.
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47. einen langen Hals machen = über den Vordermann hinwegblicken wollen; neugierig, begierig blicken. Seit dem 19. Jh.
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48. die Pfeife aus dem Hals nehmen = die Pfeife aus dem Mund nehmen. Möglicherweise gewollte Anspielung auf Bert Brechts derbe Textzeile »nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund!« (Song vom »Surabaya-Jonny«, 1929) Sold 1939 ff.
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49. den Hals ölen = zechen. Alkohol als Schmiermittel. 1900 ff.
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50. aus dem Hals quatschen = weitschweifig erzählen; beim Erzählen unsachlich werden. Leitet sich her von einem, der ohne Manuskript redet. 1920 ff.
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51. es hängt (kommt, wächst) ihm zum Hals raus = er ist der Sache sehr überdrüssig. Übertragen vom Vorgang des Erbrechens. Seit dem 18. Jh.
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52. sich selber zum Hals raushängen = einer selbst überdrüssig sein. Vgl das Vorhergehende. 1920 ff.
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53. es hängt ihm zum Hals raus = er trägt einen Halsorden. Sold in beiden Weltkriegen, auch ziv .
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54. in etw bis an den Hals reinspringen = sich an einer Sache mit seinem gesamten Vermögen beteiligen. Übertragen vom Sprung ins tiefe Wasser. 1920 ff.
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55. jm auf den Hals rücken = jn bedrängen; jm zusetzen; jn zwecks Festnahme aufsuchen. 1920 ff.
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55 a. Geld den Hals runterjagen = Geld vertrinken. Seit dem 19. Jh.
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56. den Hals salben = zechen. Vgl Hals 49. 1900 ff.
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57. sich etw (jn) vom Hals schaffen = sich einer Sache oder Person entledigen; jm kündigen. Meint entweder den Hals sinnbildlich als Träger einer Bürde oder hängt zusammen mit der Hetzjagd, bei der man den Hund vom Hals des Wildes löst. 1700 ff.
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58. sich in den Hals hinein schämen = sich sehr schämen; heftige Reue empfinden. Verbildlichung des Schluchzens. Seit dem 19. Jh.
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59. einem jn auf den Hals schicken = zu jm einen lästigen Besucher schicken; jn verfolgen lassen. Hals 32. 1800 ff.
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60. jm eine Zigarette in den Hals schieben = jm eine Zigarette in den Mund stecken. 1930 ff.
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61. sich jm an den Hals schmeißen = sich jm ungewünscht aufdrängen. Hals 75. 1700 ff.
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62. den Hals schmieren = zechen. Hals 49. 1700 ff.
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63. in etw bis zum (über den) Hals stecken = von etw stark bedrängt sein. Hergenommen vom Zustand des Ertrinkens. 1700 ff.
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64. bis über den Hals in Schulden stecken = tief verschuldet sein. Seit dem 19. Jh.
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65. sich 'was in den Hals stecken = etw essen, trinken. 1920 ff.
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66. es steht ihm bis an den Hals = es ist ihm höchst widerwärtig. Eigentlich vom Essen gesagt. 1800 ff.
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67. bis zum Hals im Freien stehen = auf nacktem Körper nur eine Halskette tragen. 1906 auf die Tänze-
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rin Caroline Otéro geprägt.
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68. jm den Hals umdrehen = jn wirtschaftlich zugrunde richten; jn töten. Hergenommen vom Töten des Geflügels oder vom Teufel, der seinen Opfern den Hals umdreht, so daß das Gesicht nach rückwärts blickt. 1600 ff.
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69. von etw den Hals vollhaben = einer Sache überdrüssig sein. Ursprünglich bezogen auf Gefräßigkeit bzw. Überfütterung. 19. Jh.
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70. den Hals vollhaben = betrunken sein. 1900 ff.
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71. den Hals nicht vollkriegen (können) = gefräßig, geldgierig sein. 1800 ff.
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72. den Hals vollnehmen = sich aufspielen; prahlen. Analog zu »das Maul vollnehmen«. 1950 ff.
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73. sich den Hals (von innen) waschen = trinken. 1930 ff.
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74. jm etw an den Hals werfen = jm etw schenken, um ihn loszuwerden oder um etw von ihm zu erreichen. 1900 ff.
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75. sich jm an den Hals werfen = sich jm aufdrängen; sich jm unverlangt anbieten. Hergenommen von der Umhalsung als Gebärde der Liebe, dann verengt zur Bedeutung unerwünschter, lästiger Anhänglichkeit.
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Seit dem 18. Jh. Vgl franz »se jeter à la tête de quelqu'un«.
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76. jm alles auf den Hals werfen = jn mit Arbeit überhäufen. Versteht sich nach Hals 9. Seit dem 19. Jh.
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77. jm etw vom Hals wimmeln = jn einer Unannehmlichkeit entledigen. wimmeln. 1900 ff.
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78. sich etw vom Hals wimmeln = sich etw fernhalten; eine leidige Sache abgeben. wimmeln. 1900 ff.
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79. jm etw an den Hals wünschen = wünschen, daß jm eine Widerwärtigkeit, eine Unannehmlichkeit zustößt. Die Redewendung gehört zu der alten Vorstellung, man könne seinen Mitmenschen Krankheit usw. anwünschen. Vgl Pest 15. Seit dem 19. Jh.
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80. sich etw an (auf) den Hals ziehen = etw selber verschulden; sich etw zuziehen. 1500 ff.
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81. den Hals aus der Schlinge ziehen = sich mit knapper Not aus einer sehr gefährlichen Lage befreien. Vom gefangenen Wild hergenommen oder vom zum Tod am Galgen Verurteilten, der mit knapper Not (im letzten Augenblick) dem Strang entkommt. 1500 ff.
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82. jm den Hals zudrücken = a) jn wegen einer Geldschuld energisch mahnen. Eigentlich soviel wie »würgen«. Seit dem 19. Jh. – b) jm die Existenzmöglichkeit nehmen. 1900 ff.
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