Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Gesicht
Gesicht n \
1. Gesäß. Verkürzt aus »zweites Gesicht«. 1900 ff.
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2. Gesicht von der Stange = Gesicht ohne individuelle Züge. Es ist verwechselbar wie Konfektionsware. Stange. 1950 ff.
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3. Gesicht mit entgleisten Zügen = enttäuschte, ratlose Miene; geohrfeigtes Gesicht. Wortspiel mit Eisenbahnzügen und Gesichtszügen: wenn die einen entgleisen können (denkt man scherzhaft in der Umgangssprache), können es auch die anderen. 1950 ff.
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3 a. abgesehenes Gesicht = allgemeinbekanntes, zu oft gesehenes Gesicht. 1960 ff.
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4. das andere Gesicht = nacktes Gesäß. Gesicht 12. 1950 ff.
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5. dreckiges Gesicht = hämische, überhebliche, dumm- freche Miene. dreckig 6. 1900 ff.
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6. farbenfreudiges Gesicht = übermäßig geschminktes Gesicht. 1950 ff.
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7. hinteres Gesicht = Gesäß, Rücken. Man kann einen Menschen auch »mit dem Rücken ansehen«. 1900 ff.
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8. hosenreifes Gesicht = widerlich feistes Gesicht. Es ähnelt so sehr dem Gesäß, daß es eigentlich in die Hose gehört. 1935 ff.
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9. polizeiwidriges Gesicht = verdächtiges Gesicht; Verbrecherphysiognomie. polizeiwidrig. 1840 ff.
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10. schmalziges Gesicht = weiches, leicht feistes, energieloses Gesicht 1950 ff.
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11. verlängertes Gesicht = Glatze. 1900 ff.
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12. zweites Gesicht = a) Gesäß; unbekleidetes Gesäß. Eine gewisse Formähnlichkeit der »Backen« ist unverkennbar. 1900 ff. – b) Gasmaske o. ä. Ein »Gesicht«, das man über das eigentliche stülpt. Sold 1939 bis heute. – c) Make-up. 1960 ff.
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13. nur auf sein schönes Gesicht hin = ohne irgendwelche materielle oder vertragliche Sicherheit (nur auf sein schönes Gesicht hin hat er ihm 20 Mark geliehen). Vgl Auge 6. 1930 ff.
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14. vors Gesicht!: Warnruf. Umgestaltet aus »Vorsicht!«. 1920 ff.
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15. das ganze Gesicht eine Schnauze = Gesichtsausdruck des Demagogen bei seinen Reden. Schnauze = Großmäuligkeit. 1900 ff.
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16. jm das Gesicht ablecken = jn küssen. 19. Jh.
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17. jn mit dem hinteren Gesicht ansehen = jm den Rücken zuwenden. Gesicht 7. 1900 ff.
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18. jm eine ins Gesicht bewegen = jn ohrfeigen. Hinter »eine« ergänze »Hand«. Seit dem 19. Jh.
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19. wenn ich dein Gesicht hätte, täte ich eine Hose drüberziehen!: Redewendung an einen Feistgesichtigen, im Gesicht Aufgeschwemmten. Gesicht 8. Wahrscheinlich seit 1914; sicher seit 1930.
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20. die Brotschnitte ist auf das Gesicht gefallen = die Brotschnitte ist mit der bestrichenen (belegten) Seite auf den Boden gefallen. 1920 ff.
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21. mit dem Gesicht in die Butter fallen = Glück haben; eine gefährliche Lage gut überstehen. 1900 ff.
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22. ihm geht das Gesicht aus dem Leim = er strahlt über das ganze Gesicht Leim. 1920 ff.
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23. ihm ist das Gesicht aus dem Leim gegangen = er hat die Fassung verloren. Er blickt ratlos, bestürzt; seine Gesichtszüge erscheinen verzerrt. 1920 ff.
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24. dieses Gesicht gehört in die Hose = dieses Gesicht ist feist schwammig, ausdruckslos. Gesicht 8. 1900 ff.
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25. sich einen ins Gesicht gießen = Alkohol trinken. Der Mund als Eingußöffnung des Gesichts. 1900 ff.
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26. es hat Gesicht = es ist bedeutend, gewichtig, ordnungsgemäß. Veranschaulichung von »ansehnlich«. 1900 ff.
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27. mein Onkel hat auch so ein Gesicht, aber er setzt sich drauf: Redewendung angesichts eines feisten, schwammigen Gesichts. 1920 ff.
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28. das Gesicht voller Rausch haben = schwerbezecht, volltrunken sein. 1920 ff.
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29. ein Gesicht zum Reinhauen haben = ein feistes Gesicht haben. Das sogenannte »Ohrfeigengesicht« reizt zum Dreinschlagen. 1930 ff, schül .
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30. ein langes Gesicht haben = unzufrieden, enttäuscht aussehen. Läßt man den Unterkiefer herabhängen, nimmt das Gesicht eine längliche Form an. Seit dem 19. Jh.
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31. sein Gesicht bleibt hängen = sein Gesicht prägt sich ein. Es haftet in der Erinnerung. Fernsehspr. 1960 ff.
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32. ich muß mir ein Schnitzel (o. ä.) ins Gesicht hauen = ich muß etwas essen, habe Hunger. 1900 ff.
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33. ein Gesicht kaputtmachen = ein Konterfei (Porträtfoto) zu oft an die Öffentlichkeit bringen. Es wird langweilig, verliert seine Reizwirkung. 1960 ff.
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34. das Gesicht kriegt Junge = das Gesicht ist voller kleiner Eiterbläschen. Den Vorgang (vor allem in der Zeit der Pubertät) deutet man scherzhaft als Schwangerschaft des Gesichts. 1955 ff.
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35. leih mir mal dein Gesicht, ich will meinen Hund (die Kinder) bang(e)machen!: Redewendung auf einen mürrischen Gesichtsausdruck. Jug 1930 ff.
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36. ein Gesicht machen = verdrießlich dreinschauen. Meint das durch seelische Verstimmung entstellte Gesicht. Seit dem 18. Jh.
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37. ein langes Gesicht machen = enttäuscht blicken. Vgl Gesicht 30. Seit dem 18. Jh.
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38. ein Gesicht machen, mit dem man kleine Kinder ins Bett treiben kann = mürrisch blicken. Vgl Gesicht 35. 1900 ff.
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39. dieses Gesicht paßt ihm nicht mehr = diesen Menschen kann er nicht mehr leiden, möchte er nicht mehr sehen. 1920 ff.
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40. jm das Gesicht polieren = jm ins Gesicht schlagen. Sprachlich feiner als »jm die Fresse polieren«. 1930 ff.
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41. jm das Gesicht beiseiterücken = jm ein paar heftige Ohrfeigen versetzen. Das Gesicht nimmt schiefe
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Züge an. Aus der Boxersprache hervorgegangen. 1925 ff.
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42. jm ins Gesicht schlagen = jn schwer beleidigen. Der Schlag ins Gesicht gilt als tätliche Beleidigung. 1920 ff.
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43. da schlägt mir das Gesicht nach hinten!: Ausdruck des Erstaunens, der Enttäuschung oder der zornigen Überraschung. Vor Erregung fällt man auf den Rücken; oder man möchte dem Verursacher sein (anderes, hinteres, zweites) » Gesicht 12« in Anspielung auf » Götz von Berlichingen« nahebringen. 1940 ff.
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44. jm mit einer Nachricht ins Gesicht springen = jn mit einer Nachricht überraschen. Was einem »in die Augen springt«, tritt einem plötzlich entgegen. 1950 ff.
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45. sich ins Gesicht spucken = sich sehr oberflächlich waschen. 1900 ff.
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46. sich eine ins Gesicht stecken = eine Zigarre (Zigarette, Pfeife o. ä.) in den Mund stecken. 1840 ff.
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47. steck dir eine ins Gesicht, damit man weiß, wo vorn und hinten ist: Redewendung auf ein unsympathisches, feistes Gesicht. Vgl das Vorhergehende. 1900 ff.
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48. sein Gesicht strahlt vom einen Ohr zum anderen = er macht eine zufriedene, glückliche Miene. 1920 ff.
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49. etw aus dem Gesicht verlieren = sich erbrechen. 1920 ff.
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50. viel Gesicht zu waschen haben = kahlköpfig sein. Vgl Gesicht 11. 1920 ff.
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51. sich ein zweites Gesicht zulegen = sich einer Schönheitsoperation im Gesicht unterziehen. 1920 ff.
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52. sich das Gesicht zuwachsen lassen = sich nicht mehr rasieren. 1950 ff.
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