Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Gefühl
Gefühl n \
1. Gefühl von der Stange = unechtes, anderen nachgeahmtes Gefühl. Es ist nicht Maßschneiderarbeit, sondern Konfektionsware. Stange. 1950 ff.
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2. das höchste der Gefühle = das Äußerste; der erschwingliche Höchstbetrag. Meint eigentlich das Hochgefühl, die stärkste Empfindung von Lust. Geht zurück auf das Textbuch zu Mozarts »Zauberflöte«. Etwa seit dem ausgehenden 19. Jh.
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3. mit Gefühl und Hammerschlag = grob, oberflächlich, nach bestem Können. Der Widerspruch verdeutlicht, daß kein »Fingerspitzengefühl« o. ä. waltet. 1959 ff. Berlin.
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4. ich habe ein Gefühl als ob = a) ich habe eine böse Ahnung. Hinter »Gefühl« ergänze »als ob es sich zum Schlimmeren entwickelte«. 1910 ff. – b) ich habe eine zärtliche Anwandlung, ein Verlangen nach Geschlechtsverkehr. Hinter »Gefühl« vervollständige »als ob es mich zum anderen Geschlecht hindrängte«. 1910 ff.
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5. rosarotes Gefühl = anspruchslose Sentimentalität. rosarot. 1960 ff.
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6. umgekipptes Gefühl = in Haß verwandelte Liebe.
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Das Gefühl ist gekentert wie ein Boot. 1950 ff.
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7. mit Gefühl und Spucke = a) mit Ausdauer. Fußt auf dem unter » Geduld 1« in einer Variante mitgeteilten Vers: »Mit Gefühl und Spucke / fängt man eine Mucke; mit Gefühl und Speie / fängt man auch wohl zweie«. Berlin 19. Jh. – b) nach Gutdünken. 1900 ff.
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8. seinen Gefühlen kein Korsett antun = seine Gefühle rückhaltlos offenbaren. Veranschaulicht aus dem Folgenden. 1930 ff.
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9. seinen Gefühlen keinen Zwang antun = ungezwungen sich äußern; seine Meinung unumwunden erklären. Seit dem späten 19. Jh.
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10. ein (komisches) Gefühl um die Rosette haben = Angst haben; böse Ahnungen haben. Meint eigentlich das Vorgefühl von Durchfall. Rosette. 1935 ff.
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11. dreckige Gefühle haben = a) hinterhältig eine Unbill zu rächen trachten. Dreckig = in sittlicher Hinsicht schmutzig. 1914 ff. – b) böswillig, bösartig sein. Hängt sinngemäß zusammen mit » anscheißen« und » bescheißen«. 1914 ff. – c) Stuhldrang verspüren. 1914 ff. – d) amoralische Absichten hegen. 1914 ff.
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12. ein knuspriges Gefühl um die Rosette haben =
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heftigen Stuhldrang verspüren. Knusprig = prickelnd. Rosette. Sold in beiden Weltkriegen.
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13. für jn warme Gefühle hegen = für jn homosexuell empfinden. warm. 1900 ff.
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14. nicht für seine Gefühle können = nicht Herr seiner (verbrecherischen) Triebe sein. 1920 ff.
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15. seinen Gefühlen freien Lauf lassen = a) rücksichtslos einen Darmwind entweichen lassen. Gefühl ist hier der körperliche Drang. 1900 ff. – b) ohne Hemmung seine Notdurft verrichten; harnen. 1900 ff.
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