Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Fuß
Fuß m \
1. abgekochte Füße = wundgelaufene Füße. Die Haut löst sich wie beim Kochen das Fleisch von den Knochen. BSD 1965 ff.
\
2. amphibische Füße = Schweißfüße. Die Füße sind naßkalt wie von Amphibien. BSD 1965 ff.
\
3. blonde Füße = hellgelbe Schuhe. 1900 ff.
\
4. eingeschlafene Füße = Mineralwasser. Reststück eines Witzes: Mineralwasser schmeckt wie eingeschlafene Füße (Anspielung auf das Prickeln der Kohlensäurebläschen). 1900 ff.
\
5. falscher Fuß = Fuß, der dem anderen an Stoßkraft unterlegen ist. Fußballerspr. 1920 ff.
\
6. ondulierte Füße = seitwärts gebogene Beine (Waden). Die Konturen der Beine ergeben eine Wellenlinie. 1930 ff.
\
7. runde Füße = wundgelaufene Füße. Bei wundgelaufenen Fersen und Zehen geht man auf der Fußmitte wie auf einer Kugel. BSD 1965 ff.
\
8. ein Stück Brot zu Fuß = ein einzelnes Stück Brot, ohne Teller gereicht. Zu Fuß = ohne Hilfsmittel. 1950 ff.
————
9. sich die Füße ablaufen (abrennen) = a) viele Wege machen. Bein 22. 18. Jh. – b) als Prostituierte auf Männerfang unterwegs sein. 1900 ff.
\
10. mit den Füßen abstimmen = das Vaterland verlassen; auswandern. Abstimmung. 1955 ff.
\
11. mit dem linken (falschen) Fuß zuerst aufgestanden sein = frühmorgens mürrisch sein. Bein 26. 1700 ff.
\
12. etw zu Fuß ausrechnen = etw ohne Zuhilfenahme des Rechenschiebers (Taschenrechners) ausrechnen. Vgl Fuß 8. 1950 ff.
\
13. sich einen Fuß ausreißen = sich angestrengt bemühen. Bein 28. 1800 ff.
\
13 a. den Fuß in der Tür behalten = die Möglichkeit zum Eingreifen (Verhandeln) nicht aufgeben. Fuß 30. 1960 ff.
\
14. immer auf die Füße fallen = stets in vorteilhafte Lage zu kommen wissen. Hergenommen von der Katze, die stets mit den Füßen auf dem Boden aufkommt, wenn man sie wirft. 1500 ff. Vgl engl »to fall on one's feet (or legs)«.
\
15. von den Füßen fallen = sehr müde sein. Man kann sich nicht länger auf den Beinen halten. 1900 ff.
————
16. die Füße falten = die Füße über Kreuz setzen. Geht wohl zurück auf: »Sie falten die kleinen Zehlein, die Rehlein« aus den »Galgenliedern« von Christian Morgenstern (1905). 1950 ff.
\
17. bei dem werde ich auch mal festen Fuß fassen = dem werde ich mal fest ins Gesäß treten; Drohrede. »Festen Fuß fassen« meint eigentlich »sich niederlassen und eingewöhnen«. 1933 ff.
\
18. jm etw unter den Fuß geben = jn (heimlich) auf etw hinweisen. Leitet sich her von dem leichten Stoß mit der Fußspitze bei Verständigung unter dem Sichtschutz des Tisches. Oder man schiebt jm etwas unter (z. B. Geld), damit er festeren Stand bei Verhandlungen o. ä. gewinnt. 19. Jh.
\
19. jm nicht von den Füßen gehen = einen Ballspieler decken. Sportl 1950 ff.
\
20. über den Fuß gespannt sein = verfeindet sein. Hergenommen von der gespannten Fußstellung von Ringern, Fechtern o. ä. in Erwartung des gegnerischen Angriffs. 18. Jh.
\
21. eiskalte Füße haben = sehr starke Bedenken hegen. Fuß 41. 1900 ff.
\
22. kalte Füße haben = a) mittellos sein. Der Betreffende hat sich nicht nach der Decke gestreckt, hat
————
über seine Verhältnisse gelebt und hat daher jetzt kalte Füße. 1900 ff. – b) vor längerer Zeit gestorben sein. Sold 1939 ff. – c) Bedenken haben; einer Sache nicht länger trauen. Fuß 41. 1900 ff.
\
23. krumme Füße haben = Treffer auf das Fußballtor (bei günstiger Ausgangslage) verfehlen. Nicht Ungeschicklichkeit, sondern eine Verkrüppelung soll dafür verantwortlich sein. Sportl 1950 ff.
\
24. zwei linke Füße haben = a) ungeschickt sein; leicht stolpern; schlecht tanzen. Analog zu »zwei linke Hände haben«. 1910 ff. – b) eine schlechte Eisläuferin sein. 1950 ff.
\
25. einen linken Fuß haben = im linken Fuß die größere Stoßkraft haben. Sportl 1920 ff.
\
26. die Füße naß haben (nasse Füße haben) = betrunken sein. Der Bezechte ist durch Gossen und Pfützen getorkelt. 1900 ff.
\
27. runde Füße haben = betrunken torkeln. Der Bezechte hat auf den Füßen keinen Halt, als wären sie kugelig. Vgl Fuß 7. 1700 ff.
\
28. bei jm einen weißen Fuß haben = bei jm viel gelten. Weiße Füße gelten als stattlich, vornehm und als Zeichen der Lauterkeit. 1700 ff.
————
29. etwas an den Füßen haben = vermögend sein. Schuhwerk am Fuß läßt auf Wohlstand schließen, Barfüßigkeit zeigt Armut an. 19. Jh.
\
30. den Fuß in der Tür haben = seinen Einfluß beibehalten; sich Vorrechte verschafft haben; Verhandlungsmöglichkeiten im Auge behalten. Die zugeworfene Tür versinnbildlicht den Abbruch der Beziehungen; der Fuß zwischen Tür und Rahmen gibt zu erkennen, daß man die Lage nicht als gescheitert ansieht. 1960 ff.
\
31. er hat von seinen Füßen einen zum Schwimmen und einen zum Klettern = er hat ungeschickte, plumpe Füße. Auf ebener Erde kommt er damit nicht voran. BSD 1965 ff.
\
32. von seinen Füßen hat er einen zum Schwimmen und einen zum Waldbrände-Austreten = er hat ungeschickte, plumpe Füße. Vgl das Vorhergehende. BSD 1965 ff.
\
33. ein Tor (o. ä.) auf dem Fuß haben = Gelegenheit zu einem Tortreffer haben. Fußballerspr. 1950 ff.
\
34. einer Person oder Sache auf die Füße helfen = jm (einer Sache) aufhelfen; jn (eine Sache) fördern. Bein 72. 1900 ff.
\
35. er muß zum Tischler, sich die Füße hobeln lassen
————
= er torkelt betrunken. Fuß 27. BSD 1965 ff.
\
36. sich kalte Füße holen = auf etw vergeblich warten; Mißerfolg erleiden. Fuß 41. 1900 ff.
\
37. jn von den Füßen holen = jn niederwerfen. Stammt aus der Ringer- oder Boxersprache. 1920 ff.
\
38. die Füße jucken ihn (es juckt ihn in den Füßen) = er ist wanderlustig, möchte gern weggehen. jucken 1. 1900 ff.
\
39. auf die Füße kommen = wirtschaftlich sich verbessern. Der zuvor Darniederliegende steht auf, bekommt » Boden unter die Füße«. 1900 ff.
\
40. es hat Füße gekriegt = es ist gestohlen worden. In iron Auffassung ist es bloß davongelaufen. 19. Jh.
\
41. kalte Füße kriegen = a) böse Erfahrungen machen; die Lust verlieren; Bedenken bekommen. Leitet sich her von der zu kurzen Bettdecke oder vom vergeblichen langen Warten beim Stelldichein. Auch sind kalte Füße nervösen Naturen eigen, vor allem angesichts unerfreulicher Lebenslagen. 19. Jh. Vgl engl »to get cold feet«. – b) kein Geld mehr haben und deswegen nicht weiterspielen können. 19. Jh. – c) viel gewonnen haben und den Gewinn in Sicherheit bringen wollen. 19. Jh. – d) sterben; soeben gestorben sein. Sold 1939 ff. – e) sich schuldig fühlen; schuld-
————
bewußt werden. 1920 ff. – f) durch schlechten Geschäftsgang mißmutig werden. 1920 ff.
\
42. keinen Fuß an die Erde kriegen = keinen Stich bekommen. Kartenspielerspr. 1900 ff.
\
42 a. einen Fuß in die Tür kriegen = Einfluß gewinnen. Vgl Fuß 30. Politikerspr. 1960 ff.
\
43. nasse Füße kriegen = sich verschätzen; falsch spekulieren. Vgl Fuß 26. 1935 ff.
\
44. runde Füße kriegen = a) viele Wege machen. Durch vieles Gehen schleifen sich die Füße ab wie Steine im Gebirgsbach. Vgl aber auch Fuß 7. 1920 ff. – b) bezecht torkeln. Fuß 27. 1900 ff.
\
45. einen weißen Fuß kriegen = in der Achtung steigen. Fuß 28. 1900 ff.
\
46. auf großem Fuß leben = a) einen kostspieligen Lebenswandel führen. Leitet sich vielleicht von den großen Schnabelschuhen her, wie sie im Mittelalter die Vornehmen trugen; doch ist »Fuß« auch eine (im Deutschen veraltete) Maßeinheit. Etwa seit 1750. Vgl franz »vivre sur un grand pied«. – b) große, breite Füße haben. Aus dem Vorhergehenden in wortwörtlicher Bedeutung scherzhaft entwickelt. 1900 ff.
\
47. mit jm auf gespanntem Fuß leben (stehen) = mit jm verfeindet sein. Fuß 20. 18. Jh.
————
48. auf leichtem Fuß leben = ein leichtfertiges Leben führen. Leicht = leichtbeweglich, behende. Leichtfuß. 1920 ff.
\
49. an kalten Füßen leiden = ständig in Angst sein; gefährlichen Lebenslagen sich zu entziehen suchen. Fuß 41. Sold 1939 ff. Vgl engl sold »to suffer from cold feet«.
\
50. jm Füße machen = jn zur Eile antreiben; jn vertreiben. Bein 93. 1500 ff.
\
51. sich einen weißen Fuß machen (brennen) = sich für untadelig auszugeben suchen; sich vom Verdacht reinigen; sich in Gunst setzen (zu setzen trachten). Fuß 28. 18. Jh.
\
52. mach dir die Füße nicht naß! = paß auf, daß man dich nicht übertölpelt! Der Betreffende soll wohl betrunken gemacht und dann betrogen werden. Fuß 26. 1920 ff.
\
53. den Fuß von der Bremse nehmen = a) sich schneller bewegen. Gern in der Befehlsform gebraucht. Der Kraftfahrtpraxis entlehnt. BSD 1965 ff. – b) eine Sache nicht länger hemmen. 1965 ff.
\
54. mit kalten Füßen phantasieren = nicht ganz bei Verstand sein. Vgl Fuß 22. 1900 ff.
————
55. es reißt einem die Füße vom Teppich!: Ausdruck höchster Anerkennung. Fußt auf der Vorstellung, daß einer jm den Teppich unter den Füßen wegzieht und ihn dadurch zu Fall bringt. Erstaunen wird umgangssprachlich gern durch ein Niederstürzen ausgedrückt. 1964 ff.
\
56. sich die Füße wundschießen = viele Torbälle treten. schießen. Fußballerspr. 1950 ff.
\
57. es schmeckt wie eingeschlafene Füße = a) es ist Mineralwasser. Fuß 4. 1900 ff. – b) es schmeckt fade, widerlich. Vom (warmen) Mineralwasser ohne Geschmack übertragen. 1910 ff.
\
58. seine eigenen Füße nicht sehen können = beleibt sein. Der Blick kann sich nicht über den Bauch wölben. Schül 1950 ff.
\
59. von den Füßen sein = sehr überrascht sein. Fuß 55. 1920 ff.
\
60. moralisch von den Füßen sein = fassungslos, ratlos sein. 1920 ff.
\
61. geh auf deinen eigenen Füßen spazieren!: Zuruf an einen, der einem auf die Füße tritt. 1900 ff.
\
62. mit jm auf gespanntem Fuß stehen; Fuß 47.
\
63. sich die Füße in den Bauch stehen = lange stehen
————
und warten; Posten stehen. 19. Jh.
\
64. mit einem Fuß im Grabe stehen = seinem Ende nahe sein. 17. Jh. Vgl franz »avoir un pied dans la tombe«; engl »to have one foot in the grave«.
\
65. seine Füße stehen den ganzen Tag im Schatten = er ist sehr beleibt. 1958 ff.
\
66. es steht auf tönernen Füßen = es ist unsicher, haltlos, ohne gediegene Grundlage. Geht zurück auf den Begriff »Koloß auf tönernen Füßen« nach Daniel 2, 31 ff. 19. Jh.
\
66 a. einander auf den Füßen stehen = dichtgedrängt stehen und auf Abfertigung warten. 1920 ff.
\
67. jm auf den Füßen stehen = a) den gegnerischen Spieler decken, um ihn vom Spiel möglichst auszuschalten. Sportl 1950 ff. – b) jn hartnäckig verfolgen; jn nicht aus den Augen lassen. Aus dem Sportlerdeutsch übernommen. Halbw 1965 ff.
\
68. jm auf die Füße steigen = jn nachdrücklich zu etw auffordern. Vgl treten = mahnen. 1950 ff.
\
69. die Füße unter eines anderen Tisch stellen (strecken) = geldlich von einem anderen abhängig sein; bei jm unentgeltlich in Kost sein. 1700 ff.
\
70. seine Füße unter den eigenen Tisch stellen = einen
————
eigenen Haushalt führen; sein eigenes Geld verdienen. Spätestens seit 1800.
\
71. er braucht bloß die Füße unter den Tisch zu stellen (zu strecken) = er setzt sich an den gedeckten Tisch, ohne Haushaltsarbeit verrichten zu müssen. Redewendung emanzipatorisch-polemischen Charakters, vor allem im Munde berufstätiger Frauen und mit Bezug auf die männlichen Kollegen. 1950 ff.
\
72. sich auf eigene Füße stellen = sich selbständig machen. Man will nicht länger von Erwachsenen getragen werden wie ein kleines Kind. 1900 ff.
\
73. sich auf die hinteren Füße stellen = aufbegehren. Hinterbeine. 1900 ff.
\
74. mit den Füßen telegrafieren = sich unter dem Tisch mit den Füßen verständigen. Vgl telefonieren. 1910 ff.
\
75. jm auf den Fuß (auf die Füße) treten = jn kränken. Veranschaulichende und vergröbernde Analogie zu »jm zu nahe treten«. 1500 ff.
\
76. mit den Füßen trillern = moderne Tänze tanzen. Hierbei wechseln die Tritte so schnell, wie die Tonhöhen beim Trillern. 1950 ff, halbw .
\
77. mit den Füßen voran das Haus verlassen = als Toter aus dem Haus getragen werden. Die heutige
————
Sitte hat einen mystischen Hintergrund: In primitivem Glauben kann der Leichnam körperlich zu neuem Leben erwachen und zurückkommen, und seine Füße finden den Weg zum Haus dann leichter zurück, wenn sie dieses zuletzt verlassen und auch zuletzt am Grab ankommen. Um dies zu verhindern, dreht man die Leiche so, daß die Füße zuerst über die Schwelle getragen werden. 18. Jh.
\
78. sich die Füße vertreten = vor drohender Gefangennahme fliehen. Meint eigentlich »nach längerem Stillsitzen sich etwas Bewegung machen«. Sold 1939 ff.
\
79. den besten Fuß vorsetzen = eine hohe Karte aufspielen. Bein 142. Kartenspielerspr. seit dem späten 19. Jh.
\
80. mit dem Obst ist es wie mit den Füßen – zuviel Waschen verdirbt das Aroma: spöttische Redewendung auf einen, dessen Füße nicht gewaschen sind. 1950 ff.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Fuß