Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Dorf
Dorf n \
1. Stadt, Großstadt (abf ). Meist bezogen auf das Fehlen zivilisatorischer Errungenschaften, auf Enggeistigkeit usw. Wahrscheinlich aus dem Folgenden verallgemeinert. 19. Jh.
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2. großes Dorf = Berlin. In der Biedermeierzeit aufgekommen, als in Berlin teilweise noch sehr dörfliche Verhältnisse herrschten.
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3. auf die Dörfer gehen = a) Dumme suchen, die man übertölpeln kann. Anspielung auf die geistige Überlegenheit des Städters. 1910 ff. – b) auf Tournee gehen (vom einzelnen Schauspieler gesagt und auch vom Ensemble). Die Künstler reichen für den Geschmack der Städter nicht mehr aus. 1900 ff. – c) mit hohen Karten nur kleinwertige einheimsen. Hergenommen vom Hausierer, der seine Ware nicht mehr in der Stadt absetzen kann und deswegen auf die Dörfer geht. Etwa seit 1850.
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4. aus (in) jedem Dorf einen Hund haben = a) beim Skatspielen Karten jeder Farbe haben. 19. Jh. – b) eine bunt zusammengewürfelte Zimmereinrichtung besitzen. 1950 ff.
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5. aus jedem Dorf einen Köter haben = die Spielkarten sind so verteilt, daß keiner eine »geschlossene«
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Karte hat. 19. Jh.
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6. auf den Dörfern lebt man wohl = Redewendung, wenn man mit kleinwertiger Trumpfkarte einen Stich mit vielen Augen macht. 1920 ff.
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7. nach Dorf riechen = unbeholfen, stadtungewohnt wirken. 1900 ff.
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8. hier riecht's nach Dorf = wir haben einen oder mehrere Dümmlinge unter uns. Dorfbewohner gelten als dumm. Sold 1914 ff.
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