Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
Bahnhof
Bahnhof m \
1. Gesicht, Kopf. Wegen der Gesichts»züge«. 1900 ff.
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2. Gesäß, Sitzfläche. Spielt an entweder auf die Geltung des Gesäßes als »zweites Gesicht« oder auf seinen Gebrauch als »Bahnhof« für den Penis des Homosexuellen. Vgl »Bauernbahnhof = stark entwickelte Hüften«. 1900 ff.
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3. Bordell. Entweder Anspielung auf den starken Geschlechts-»Verkehr« oder auf »Puff« (= Schallnachahmung des ausgeblasenen Lokomotivdampfes und = Bordell). BSD 1965 ff.
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4. Bahnhof von Athen = Haus der Deutschen Kunst in München, erbaut 1933-1937.
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5. Bahnhof Hindemith (Hindemithbahnhof) =Konzertsaal der Hochschule für Musik in Berlin, Hardenbergstraße. Ein schmuckloser Zweckbau wie ein Bahnhofsgebäude. Benannt nach dem Komponisten Paul Hindemith (1895-1963). 1954 ff.
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6. Bahnhof zum Mond = Cape Kennedy (Cape Canaveral) in Florida. 1960 ff.
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7. bei mir Bahnhof! = ich weiß von nichts! Mit dem Ein- und Ausfahren der Züge veranschaulicht man die
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Wahrnehmungen, die »zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausgehen«, ohne den Umweg über das Gedächtnis einzuschlagen. 1930 ff.
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8. Gesicht wie ein Bahnhof = a) regelmäßige Gesichtszüge; ebenmäßiges Gesicht. 1930 ff. – b) Gesicht mit unregelmäßigen Zügen. Gedacht wird an das Schienengewirr eines Bahnhofs. 1930 ff.
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9. großen Bahnhof haben (mit großem Bahnhof empfangen werden) = beim Eintreffen des Zuges lebhaft umjubelt werden; mit allen diplomatischen (militärischen, gesellschaftlichen) Ehrungen am Bahnhof, am Flughafen o. ä. empfangen werden. In der NS-Zeit aufgekommen und bis heute sehr volkstümlich geblieben.
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10. keinen Bahnhof kennen (mehr kennen) = keine Hemmung gelten lassen; nicht Maß noch Ziel kennen; die Beherrschung verloren haben; allzu großzügig wirtschaften. Wer sich nicht halten läßt (sich nicht Einhalt gebieten läßt), gleicht dem Eisenbahnzug, der an keinem Bahnhof anhält. 1930 ff.
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11. du kriegst ein paar vor den Bahnhof, daß sämtliche Züge entgleisen!: Drohrede. Fußt auf der Gleichsetzung von Gesichtszügen und Eisenbahnzügen. 1930 ff.
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12. du kriegst eine vor den Bahnhof, daß du denkst, der Zug fährt ab!: Drohrede. 1925 ff.
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13. jetzt mach aber einen Bahnhof! = nun verstumme endlich! nun unterbrich endlich deinen Redefluß! Österr 1930 ff, jug .
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14. wenn er »Bahnhof« sagt, versteh' ich Kofferklauen!: Redewendung, wenn man eine Sache nur in einer bestimmten Richtung versteht. 1950 ff, schül .
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15. auf dem falschen Bahnhof stehen = homosexuell sein. Verwertet das Bild eines, der sich im »Verkehr« (doppelsinnig!) irrt. 1940 ff.
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16. ich verstehe immer (nur) Bahnhof!: Redewendung, wenn man eine unangenehme oder unwillkommene Mitteilung ablehnt. Hergenommen vom Erlebnis des Fronturlaubers, der keinen Sinn mehr für Dienstliches hat und nur noch an seine Heimfahrt und somit an den Bahnhof denkt. Um 1920 in Berlin aufgekommen.
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17. Bescheid am Bahnhof wissen = sich zu helfen wissen. Nur erfahrene Leute finden sich in der vielgliedrigen, verwickelten Organisation eines Bahnhofs zurecht. 1930 ff.
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