Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
angeben
angeben v \
1. intr tr = die erste Austeilung der Spielkarten vornehmen. Soviel wie »mit dem Geben beginnen«. Kartenspielerspr. 19. Jh.
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2. intr = reagieren, antworten; sich rühren. Hergenommen aus der Jägersprache: der Hund gibt an, wenn er Laut gibt. 19. Jh.
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3. intr = aus Eitelkeit Reichtum, Erfahrung, Können vorspiegeln; prahlen; sich aufspielen. Die Herkunft ist umstritten; das Wort kam früher vor in der Bedeutung »befehlen; angeben, welche Arbeit und wie sie zu verrichten ist«; ferner kann es verkürzt sein aus »den Ton angeben«, wie es der Chorleiter tut. Sänger, Arbeiter (Gesellen) und Soldaten legten das Anordnen als ein Sichaufspielen aus. Wohl von Berlin um 1830/40 ausgegangen.
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4. intr = übertreiben; sich wild gebärden; toben, lärmen, wüten. Leitet sich wohl her von der Bedeutung »befehlen; sich Befehlsgewalt zulegen«. 1850 ff.
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5. intr = schimpfen. Seit dem späten 19. Jh.
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6. angeben, daß die Fenster anlaufen = übermäßig prahlen. Vor solcher Prahlerei beginnen sogar die Fensterscheiben zu schwitzen. 1920 ff.
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7. angeben wie sechs wilde Affen = stark prahlen. Anspielung auf die tobenden und kreischenden Affen im Zoo. 1920 ff.
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8. angeben wie zehn nackte Affen = sich brüsten. Jug 1930 ff.
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9. angeben wie tausend Affen (wie eine Kiepe voll Affen; wie eine Lore Affen; wie eine Steige voll Affen) = heftig lärmen; stark prahlen. 1920 ff.
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10. angeben wie ein Wald voll Affen = sich aufspielen. Beeinflußt von »nicht für einen Wald von Affen«. 1920 ff.
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11. angeben wie ein wildgewordener Affe = lärmen; prahlen. 1920 ff.
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12. angeben wie ein wildgewordener Affenpinscher = prahlen. Affenpinscher toben possierlich. 1920 ff.
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13. angeben wie ein Arschloch mit Dünnschiß = prahlen. Durchfall kann explosionsartig (laut) abgehen. Sold 1935 ff.
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14. angeben wie eine Tüte Bienen = prahlen. Lautes Summen = starkes Prahlen. 1920 ff.
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15. angeben wie Lord Blumenkohl = Reichtum lautstark vortäuschen. 1920 ff.
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16. angeben wie eine offene Brause = sehr viel mehr scheinen wollen, als man ist. Die in der geöffneten Flasche Brauselimonade aufsteigenden und sich buchstäblich »in Luft auflösenden« Kohlensäurebläschen versinnbildlichen die Substanzlosigkeit. 1920 ff.
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17. angeben wie ein Brummer an der Scheibe = lärmen; prahlen. Brummer = Brummfliege. 1920 ff.
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18. angeben wie ein Brummer in einer Trommel = lärmen; laut prahlen. 1920 ff.
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19. angeben wie ein Sack Flöhe = sich aufspielen. 1910 ff.
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20. angeben wie eine Bürste ohne Haare = toben; unberechtigterweise sich brüsten. »Bürste ohne Haare« ist ein Widerspruch in sich; ähnlich unsinnig ist das Prahlen. 1920.
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21. angeben wie eine Handvoll Dreck = ungebührlich prahlen. Dreck gilt als frech und dreist, weil er sich ungebeten auf die Kleidung der Fußgänger setzt. 1920 ff.
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22. angeben wie ein Elefant = prahlen. Hergenommen von der lauten Stimme des Elefanten. 1920 ff.
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23. angeben wie ein nackter Fürst = toben; prahlen. Ein Zusammenhang mit dem Märchen von »Des Kaisers neue Kleider« erscheint möglich. 1930 ff.
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24. angeben wie ein Pfund Gehacktes = prahlen. 1930 ff.
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25. angeben wie eine englische Gouvernante = sich mit seiner angeblichen Vornehmheit brüsten. Nordd 1920 ff.
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26. angeben wie der Großmogul = mit seinem Geld prahlen. 1920 ff.
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27. angeben wie ein wilder Hamster = sich aufspielen. 1920 ff.
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28. angeben wie ein wildgewordener Handfeger = toben; prahlen. 1920 ff.
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29. angeben wie eine unbenutzte Hure = seine Wut anhaltend und laut äußern. Prostituierte werden üblicherweise erst nach dem Beischlaf bezahlt und sind daher aufgebracht, wenn der Kunde den Beischlaf nicht vollzieht. 1920 ff.
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30. angeben wie ein Irrer = lärmen und toben. 1920 ff.
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31. angeben wie Graf Koks von der Gasanstalt = sich unecht-vornehm geben. Koks. 1930 ff.
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32. angeben wie eine Stange Lauch = lärmen. Lauch erzeugt Blähungen. 1930 ff.
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33. angeben wie zehn wilde Männer = toben. 1930 ff.
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34. angeben wie ein frischer Morgenwind = lärmen; prahlen. »Morgenwind« meint hier wohl den ersten am Morgen entweichenden Darmwind. 1930 ff.
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35. angeben wie eine Lore Mücken = prahlen. 1930 ff.
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36. angeben wie eine Tüte Mücken = a) prahlen; übertrieben berichten. Mücken (Fliegen) in geschlossener Tüte schwirren und summen und verursachen ein lautes Geräusch, als dessen Urheber man Fliegen nicht vermuten würde. 1910 ff. – b) wild schießen. Sold 1939 ff.
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37. angeben wie eine Tüte voll toter Mücken = prahlen. 1930 ff.
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38. angeben wie zehn Pfund nackte Mücken = poltern. 1920 ff.
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39. angeben wie eine Tüte Mückenfett = prahlen. 1930 ff.
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40. angeben wie eine Tüte voll Nackter (voll Nackiger) = toben, wüten. 1930 ff.
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41. angeben wie ein gelernter Nazi = sich Wichtigkeit anmaßen; mit seinem (angeblichen) Können prunken. 1933 ff.
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42. angeben wie ein nackter Neger (wie ein Dutzend nackter Neger; wie ein Waggon nackter Neger; wie zehn nackte Neger auf dem Fensterbrett; wie zehn nackte Neger in der Kipplore) = lärmen, toben. Hergenommen vom einstigen Auftreten vertragsgemäß sich wild gebärdender Negergruppen im Zirkus, auf Tierschaufesten, Jahrmärkten u.a. 1900 ff.
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43. angeben wie ein ganzer Waggon nackter Oberlehrer = toben; mehr scheinen wollen als sein. 1930 ff, schül .
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44. angeben wie ein Pudding in der Kurve = sich brüsten. 1930 ff.
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45. angeben wie ein Pup im Schnupftuch = prahlen. 1930 ff.
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46. angeben als wäre er Rothschild = den Eindruck eines überaus Wohlhabenden erwecken wollen. 1930 ff.
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47. angeben wie Graf Rotz von der Backe = Wohlhabenheit, Vornehmheit u. ä. vortäuschen. Rotz. 1930 ff.
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48. angeben wie Rotz am Ärmel = dreist prahlen. 1930 ff.
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49. angeben wie tausend Russen = wüst lärmen, krei-
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schen. Abklatsch eines eingelernten Feindbildes. Sold 1941 ff.
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50. angeben wie eine gesengte Sau = toben, prahlen. Sau. 1930 ff.
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51. angeben wie eine nackte Sau = lärmen; sich aufspielen; sich unnötig aufregen. 1930 ff.
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52. angeben wie ein nackter (nackiger) Schullehrer = sich in die Brust werfen; aufbegehren; prahlen. 1930 ff.
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53. angeben wie ein Seemann = übertreibend berichten. Anspielung auf seemännische Lügengeschichten. 1930 ff.
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54. angeben wie zehn Sack Seife (Schmierseife) = übermäßig prahlen. Anspielung auf beachtliche Schaumschlägerei (aus zehn Sack Seife) oder auf die Gleitfähigkeit von Schmierseife. 1920 ff.
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55. angeben wie eine offene Selters = prahlen. angeben 16.. Seit dem ausgehenden 19. Jh.
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56. angeben wie ein junger Spund = heftig prahlen. Spund. 1950 ff.
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57. angeben wie 7 Morgen Streuselkuchen = prahlen. 1920 ff.
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58. angeben wie ein Sack (ein Teller; ein Pfund; eine Tüte) Sülze = mehr scheinen wollen als sein. Sülze als Gallertmasse gilt als substanzlos: sie längt die Speise, ohne sie wesentlich schmackhafter oder nahrhafter zu machen. 1900 ff.
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59. angeben wie ein Waggon Sülze in der Kurve = sich aufspielen. 1930 ff.
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60. angeben wie eine Tüte voll(er) Teufel = toben, prahlen. 1930 ff.
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61. angeben wie ein Truthahn = poltern; laut prahlen. 1930 ff.
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62. angeben wie eine Tüte Wanzen (wie eine Tüte nackter Wanzen) = lärmen, prahlen. 1930 ff.
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63. angeben wie zehn nackte Wilde (wie ein Dutzend nackter Wilder; wie eine Horde Wilder aus dem Busch; wie eine Horde wildgewordener Bantuneger) = toben, kreischen; prahlen. Vgl angeben 42. 1900 ff.
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64. angeben wie eine Lore Wind = sich wichtig machen. 1950 ff.
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65. angeben wie ein Wirbelwind = prahlen. 1920 ff.
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66. wer angibt, hat mehr vom Leben = mit Prahlerei macht man sich das Leben angenehmer. 1920 ff.
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67. wer angibt, hat's nötig = der Prahler ist im Grunde ein Versager, und das weiß er. 1930 ff.
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