Duden - Das Herkunftswörterbuch
scheren
1scheren»abschneiden«: Das altgerm. starke Verb mhd. schern, ahd. sceran, niederl. scheren, engl. to shear, schwed. skära geht mit verwandten Wörtern in anderen idg. Sprachen (z. B. griech. keírein »abschneiden, scheren«, lit. skìrti »trennen«, air. scaraim »ich trenne«) auf die idg. Wurzel * ‹s›ker- »schneiden« zurück, die u. a. »ein-, abschneiden; abhäuten; kratzen; verstümmeln; trennen«, übertragen auch »geistig unterscheiden« bedeutet. Zu dieser Wurzel gehört eine umfangreiche idg. Sippe, die sich im dt. Wortschatz vor allem um drei Bedeutungsbereiche gruppiert: 1. »Einschnitt, Kerbe« in ↑ "Scharte" und ↑ "Schramme". 2. »Abgeschnittenes« in den Wortgruppen um 1↑ "Schar" (eigentlich »Abteilung; Anteil«; s. auch ↑ "bescheren"), ↑ "Schirm" (eigentlich »Fell«), ↑ "Schurz" und dem frühen Lehnwort ↑ "kurz", weiter in schwed. skär »Klippe« (↑ "Schäre") und wohl auch in ↑ "Schornstein". Als »Zeit des Pflückens« stellt sich noch ↑ "Herbst" hierher. 3. »schneidend; scharfes Werkzeug« in 2↑ "Schar" »Pflugeisen«, ↑ "Schere", ↑ "scharf" (hierzu auch ↑ "schürfen", ↑ "schröpfen") und ↑ "Scherbe" (hierzu auch ↑ "Schorf", ↑ "schroff"), vielleicht auch in ↑ "herb".
Mit der Grundbedeutung »scharren, kratzen, rupfen« gehören wahrscheinlich auch die Sippen von ↑ "raffen" und ↑ "raspeln" hierher. Die Wurzelform * ‹s›keru-, * ‹s›kreu- liegt den Sippen von ↑ "schroten" »hauen, schneiden« und ↑ "schrubben" zugrunde.
Zu der Wurzelform * ‹s›krē̆i-, * ‹s›krĭ̅- in der Bedeutung »‹aus›scheiden, sieben« gehören z. B. griech. krínein »scheiden, urteilen« (in der Fremdwortgruppe um ↑ "kritisch") und lat. cernere »sondern, scheiden« (in den zahlreichen unter ↑ "Dezernent" genannten Wörtern) sowie die dt. Sippe von ↑ "rein" (eigentlich »gesiebt«) und die Lehn- und Fremdwortgruppe um ↑ "schreiben". Vielleicht gehört auch ↑ "Harn" im Sinne von »Ausgeschiedenes« hierher. – »Scheren« bedeutete im Dt. schon früh »glatt, kahl schneiden« (zu der alten umfassenden Bedeutung s. den Artikel ↑ "Geschirr", eigentlich »das ‹Zurecht›geschnittene«). Bis in die nhd. Zeit steht »scheren« auch für »rasieren« (heute noch niederl. ).
Auf die Schaf- und Bartschur bezog sich die heute nur mundartliche übertragene Bedeutung »ausbeuten, quälen«, die ugs. im Partizip ungeschoren (bleiben oder lassen), in der Ableitung Schererei »Unannehmlichkeit, unnötige Schwierigkeit« und reflexiv als schwach gebeugtes »sich ‹nicht› um etwas scheren« für »sich kümmern« nachklingt. Letzteres ist wohl von dem unverwandten 2scheren (s. d.) beeinflusst. Eine Substantivbildung zu 1scheren ist ↑ "Schur".
2scheren,
sich »laufen, sich fortmachen«: Das schwach gebeugte, heute nur ugs. Wort (spätmhd. schern »schnell weglaufen«, niederl. zich wegscheren »sich packen«) geht zurück auf ahd. scerōn »ausgelassen sein«. Das ahd. Verb ist z. B. mit griech. skaírein »hüpfen, tanzen« verwandt und beruht auf einer idg. Wurzel * ‹s›ker- »springen«, die erweitert auch den Wortgruppen um ↑ "Scherz" und ↑ "schrecken" zugrunde liegt. Mit »2scheren« identisch ist wohl das seemännische 3scheren »seitlich abtreiben, ausweichen«, vor allem bekannt in der Zusammensetzung ausscheren »aus dem Kurs laufen; aus dem Schiffsverband herausfahren; eine Linie, Gruppe (seitlich ausbiegend) verlassen«, ugs. »eigene Wege gehen«. Dieses »scheren« ist niederd. seit dem 18. Jh. bezeugt und bedeutet ursprünglich »in Bogen Schlittschuh laufen; hin und her schweben«.
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