Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Zeit
Zeit, die; -, -en [mittelhochdeutsch, althochdeutsch zīt, eigentlich = Abgeteiltes, Abschnitt]:1. Ablauf, Nacheinander, Aufeinanderfolge der Augenblicke, Stunden, Tage, Wochen, Jahre:
die Zeit vergeht [schnell, wie im Fluge], verstreicht, verrinnt, scheint stillzustehen;
die Zeit anhalten, zurückdrehen wollen;
im Laufe der Zeit (mit der Zeit);
Ü die Zeit arbeitet für jemanden (die Entwicklung nimmt mit der Zeit für jemanden ohne sein Zutun eine günstige Richtung, dient seinen Zwecken);
Das Paradies ist nicht Raum und ist nicht Zeit (Thielicke, Ich glaube 187);
ich war kein moderner Mensch noch auch ein altmodischer, ich war aus der Zeit herausgefallen (Hesse, Steppenwolf 185);
Wir sind am Ende veraltet und von der Zeit überholt worden (Strittmatter, Wundertäter 303);
S die Zeit heilt [alle] Wunden (irgendwann vergeht jeder Schmerz, ist jede Enttäuschung, Verärgerung usw. überwunden); kommt Zeit, kommt Rat (wenn man geduldig abwartet, findet sich eine Lösung);
mit der Zeit (im Laufe der Zeit, nach und nach, allmählich: mit der Zeit wird er es schon lernen; Doch mit der Zeit zogen viele Flüchtlinge weg in die Stadt [Wimschneider, Herbstmilch 108]);
für Zeit und Ewigkeit (gehoben; für immer).
2. a) (umgangssprachlich) Zeitpunkt; eng begrenzter Zeitraum (in Bezug auf seine Stelle im Zeitablauf), Augenblick:
feste Zeiten;
die Zeit der Ernte;
die Zeit für etwas ist gekommen, steht bevor;
es ist jetzt nicht die Zeit, das zu erörtern;
ihre Zeit (gehoben veraltend; die Zeit ihrer Niederkunft) ist gekommen;
seine Zeit war gekommen (gehoben verhüllend; sein Tod stand bevor);
seine Zeit (die für jemanden, für sein Handeln, sein erfolgreiches Wirken günstigste Zeit) für gekommen halten;
eine Zeit, Zeit und Ort mit jemandem vereinbaren;
etwas auf unbestimmte Zeit vertagen;
außer der Zeit/außerhalb der üblichen Zeit;
seit der, dieser Zeit;
um diese Zeit;
vor der Zeit (vor der festgelegten Zeit, verfrüht);
er ruft immer zu den unmöglichsten Zeiten an;
zu jeder Zeit (jederzeit, immer);
zur selben/zur gleichen/zu gleicher Zeit (gleichzeitig);
zu gegebener (passender, dafür vorgesehener) Zeit;
nur zu bestimmten Zeiten;
zur Zeit der Tat;
zu der Zeit, als/(gehoben:) da sie ihr Kind bekam;
Jungsein hat seine Zeit, und Älterwerden hat seine Zeit (Gregor-Dellin, Traumbuch 133);
ich bin schon über die Zeit (in Verzug, verspätet; Becker, Amanda 126);
Zur rechten Zeit (rechtzeitig) erfuhr er, dass ihm die Gestapo auf der Spur war (Niekisch, Leben 358);
R alles zu seiner (zu passender) Zeit (nach Pred. 3, 11); wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss nehmen/essen/sehen, was übrig bleibt (wer zu spät kommt, darf sich nicht beklagen, wenn er nur noch wenig oder nur noch weniger Gutes abbekommt);
es ist, wird Zeit (der Zeitpunkt ist gekommen, kommt, etwas zu tun: es ist Zeit, wird allmählich Zeit [für mich]; Die Genossen meinen, für mich wird es Zeit wegzukommen [Kühn, Zeit 84]; Bei uns erzählen sie, der Krieg ist aus. Wird auch Zeit [Bieler, Bonifaz 53]);
es ist hohe/[die] höchste/allerhöchste Zeit (es ist dringend [notwendig], es eilt sehr: es ist [die] höchste Zeit [damit anzufangen]; Außerdem musste er jetzt wirklich daran denken, sich davonzumachen. Es war allerhöchste Zeit [Thieß, Legende 49]);
alle heiligen Zeiten einmal (österreichisch; [bedauerlicherweise] sehr selten; eigentlich = nur zu den kirchlichen Feiertagen: Ehe du alle heiligen Zeiten einmal zu mir kamst, musste ich dir lange Bittgesuche einreichen [Brod, Annerl 52]);
es ist an der Zeit (es ist so weit, der Zeitpunkt ist gekommen: es ist an der Zeit, dass wir uns darüber einigen; Ich finde, dass es für die Regierung hoch an der Zeit ist, sich zu einer entschlossenen Haltung aufzuraffen! [Musil, Mann 840]);
es an der Zeit halten (den richtigen Zeitpunkt für gekommen halten: Carl Brenton hielt es an der Zeit, die allgemeine Besorgnis zu zerstreuen [Bredel, Väter 113]; Herr Coax hielt es noch nicht an der Zeit, seine Karten aufzulegen [Brecht, Groschen 54]);
von Zeit zu Zeit (ab und zu, manchmal, gelegentlich: ich treffe ihn von Zeit zu Zeit);
zur Zeit (1. zu einer Zeit: weil … er annahm, dass ein vernünftiger Mensch nur ein einziges Abonnement zur Zeit habe [Remarque, Obelisk 21]. 2. veraltend; frühzeitig genug, rechtzeitig: Ich sage es dir schon zur Zeit [Remarque, Obelisk 208]; wir sind miteinander ins Theater gekommen und beinahe zur Zeit [Frisch, Gantenbein 147]);
zu guter Zeit (veraltet; zeitig, frühzeitig: Wir kamen überein, dass ich ihn und die Seinen zu guter Zeit mit meinem Wagen am Fuß der Seilbahn erwarten solle [Th. Mann, Krull 427]);
zu/(selten auch:) bei nachtschlafender Zeit (nachts, wenn man eigentlich schläft bzw. schlafen möchte, sollte: das Verlassen unserer Betten bei nachtschlafender Zeit [Bergengruen, Rittmeisterin 278]);
b) Uhrzeit:
die Zeit: [Es wird] dreizehn Uhr;
welche Zeit ist es?;
hast du [die] genaue Zeit?;
die Zeit ansagen;
ich habe mir die Zeiten notiert;
jemanden nach der Zeit fragen;
jeden Tag um dieselbe Zeit;
zu welcher Zeit?;
c) [der jeweiligen Zonenzeit entsprechende] Einheitszeit, Normalzeit:
in Saudi-Arabien gilt Moskauer Zeit;
die in New York gültige Zeit heißt Eastern Standard Time;
Um zehn Uhr zwanzig fernöstlicher Zeit landeten wir (Habe, Namen 319).
3. a) Zeitraum (in seiner Ausdehnung, Erstreckung, in seinem Verlauf); Zeitabschnitt, Zeitspanne:
die Zeit des Studiums;
die schönste Zeit des Lebens/im Leben;
es verging viel Zeit, bis sie wieder zurückkam;
er hat Zeiten, in denen er sehr reizbar ist;
eine schöne Zeit verbringen, verleben;
der Vorfall liegt schon einige Zeit zurück;
sie sind schon längere Zeit verheiratet;
er hat die ganze Zeit (ständig, ununterbrochen) telefoniert;
das Auto steht die meiste Zeit (während des größten Teils der Zeit) in der Garage;
[eine] kurze Zeit warten;
sich erst eine Zeit (eine Zeit lang) erholen;
eine [kurze] Zeit lang;
eine Zeit lang/Zeitlang schweigen, krank sein;
er hat eine Zeit lang/Zeitlang als Taxifahrer gearbeitet;
für einige, längere Zeit verreist sein;
ich kenne ihn aus meiner Berliner Zeit (aus der Zeit, als ich in Berlin lebte);
jemanden für die Zeit (Boxen; bis er ausgezählt ist) auf die Bretter schicken;
für alle Zeit/Zeiten (für immer);
in der vorlesungsfreien Zeit;
in kurzer Zeit fertig sein;
in der nächsten/in nächster/die nächste Zeit;
in absehbarer Zeit;
in der letzten/in letzter/die letzte Zeit;
er war, lag in der Zeit (besonders Sport; hat das Zeitlimit nicht überschritten);
nach kurzer Zeit;
seit, vor langer Zeit;
während dieser Zeit;
zu aller Zeit/allen Zeiten (allezeit);
Aglaja wird die erste Zeit (in der ersten Zeit) in ihrem Kinderwagen schlafen (Kinski, Erdbeermund 260);
die längste Zeit (umgangssprachlich; [lange genug und daher] künftig nicht mehr: Wenn es nach Ihnen ginge, dann wäre ich die längste Zeit Kommandant gewesen [Apitz, Wölfe 242]);
auf Zeit (für eine befristete Zeit: ein Vertrag auf Zeit; er ist Soldat, Beamter auf Zeit; zur Entziehung der Fahrerlaubnis durch Richterspruch, für immer oder auf Zeit [Straßenverkehrsrecht 15] [Abk.: a. Z.]);
b) verfügbarer Teil des Nacheinanders, der Abfolge von Augenblicken, Stunden, Tagen usw.:
uns bleibt noch Zeit, es ist noch Zeit genug, das zu erledigen;
dafür ist mir meine Zeit zu schade;
jemandem wird die Zeit lang;
die Zeit drängt (es ist Eile geboten);
[keine, wenig, eine Stunde] Zeit [für jemanden, für etwas] haben;
sie gönnt sich kaum [die] Zeit zum Essen;
noch nicht die Zeit [dazu] gefunden haben, etwas zu tun;
seine Zeit einteilen, nutzen, hinbringen, mit etwas verbringen;
viel Zeit [und Mühe] an etwas wenden, auf etwas verwenden;
seine Zeit vergeuden;
Zeit sparen;
ein Zeit sparendes Verfahren;
eine [viel] Zeit raubende, fressende Arbeit;
etwas braucht, kostet, erfordert Zeit, dauert seine Zeit, nimmt Zeit in Anspruch, frisst Zeit;
wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren (müssen uns beeilen);
sie verloren keine Zeit mit Höflichkeiten (hielten sich nicht mit Höflichkeiten auf);
jemandem die Zeit stehlen (umgangssprachlich; jemanden unnötig lange aufhalten);
mit einer möglichst kurzen Zeit (Fotografie; Belichtungszeit) fotografieren;
dass Zeit zu kostbar ist, um sie dem Geldverdienen zu opfern (Bruyn, Zwischenbilanz 47);
Die Seeleute hatten viel freie Zeit (Ott, Haie 166);
es dauerte sein Zeitchen (umgangssprachlich scherzhaft; seine Zeit), bis er zu einem einigermaßen reißfesten Gesprächsfaden fand (Freie Presse 22.6.89, 6);
S spare in der Zeit, so hast du in der Not (wenn es einem wirtschaftlich gut geht, soll man sich etwas für schlechte Zeiten zurücklegen); Zeit ist Geld (man soll die Zeit nicht ungenutzt lassen; Zeitverlust bedeutet materiellen Verlust; vielleicht nach der antiken Vorstellung, wonach Zeit ein kostbares Gut ist oder Lehnübersetzung von englisch »time is money«);
jemandem, sich die Zeit [mit etwas] vertreiben (eine bestimmte Zeitspanne durch unterhaltsame, ablenkende o. ä. Beschäftigung überbrücken: Jeder vertreibt sich die Zeit, so gut er eben kann [Langgässer, Siegel 49]);
die Zeit vertreiben (schweizerisch; sich die Zeit vertreiben);
die Zeit totschlagen (umgangssprachlich abwertend; seine Zeit nutzlos verbringen);
Zeit gewinnen (es erreichen, dass sich das Eintreten bestimmter, besonders ungünstiger Umstände verzögert und man Zeit für entsprechendes Handeln hat: etwas nur tun, um Zeit zu gewinnen; wir müssen Zeit gewinnen);
Zeit nehmen [müssen] (Boxen Jargon; sich anzählen lassen [müssen]: Breitbarth … musste zweimal Zeit nehmen [NNN 28.9.87, 3]);
jemandem Zeit lassen (jemandem Gelegenheit lassen, etwas in Ruhe zu tun, zu erwägen);
sich Zeit lassen (etwas ohne Überstürzung tun);
sich [für jemanden, etwas] Zeit nehmen (sich ohne Übereilung, Überstürzung mit jemandem, etwas beschäftigen);
etwas hat/mit etwas hat es [gute] Zeit (etwas eilt nicht, verträgt Aufschub: er brauche mit Schuldenabzahlen gar nicht zu eilen, das habe gute Zeit [R. Walser, Gehülfe 40]);
auf Zeit spielen (1. Sportjargon; das Spiel verzögern, um ein bestimmtes Ergebnis zu halten. 2. darauf setzen, dass man sein Ziel erreichen wird, indem man einfach Zeit verstreichen lässt: Die Russen spielen auf Zeit [Dönhoff, Ära 214]);
c) (Sport) für eine Leistung, besonders zum Zurücklegen einer Strecke benötigter Zeitraum:
das war bisher meine beste Zeit;
eine gute Zeit laufen, fahren;
die Zeit stoppen, nehmen;
d) (Sport) Dauer eines Spiels, Wettkampfs:
einen Vorsprung über die Zeit bringen (bis zum Ende des Spiels, Wettkampfs halten);
über die Zeit kommen (Boxen; nicht vorzeitig, nicht durch K. o. besiegt werden).
4. Zeitraum, Zeitabschnitt des Lebens, der Geschichte, Naturgeschichte usw. (einschließlich der herrschenden Verhältnisse):
eine vergangene, eine neue, die heutige, die wilhelminische, die Weimarer Zeit;
kommende, künftige Zeiten;
die Zeit Goethes, des Barocks;
die Zeit, als es noch kein elektrisches Licht gab;
das waren böse, finstere Zeiten;
das waren [noch] Zeiten (das war eine schöne Zeit);
die Zeit war noch nicht reif dafür (die Entwicklung war noch nicht genug fortgeschritten);
sie hat schon bessere Zeiten gesehen, gekannt (es ging ihr früher besser);
dieser Schrank hat auch schon bessere Zeiten gesehen, gekannt (scherzhaft; war einmal in einem besseren Zustand);
sie ist ihrer Zeit weit voraus;
das größte Genie aller Zeiten (das je gelebt hat);
das ist ein Zug der Zeit (der gegenwärtigen Zeit);
der Geist der Zeit (Zeitgeist);
aus vorgeschichtlicher Zeit stammen;
eine Sage aus alter Zeit;
in jüngster Zeit;
in früheren Zeiten;
das war in seinen besten Zeiten (als es ihm noch sehr gut ging);
in Zeiten der Not;
in der schlechten Zeit (durch Entbehrungen, Mangel geprägten Zeit während des Krieges, nach dem Krieg);
das war nach, vor meiner Zeit (umgangssprachlich; damals war ich nicht mehr, noch nicht dabei, dort; damals hatte ich das Amt, die Position o. Ä. nicht mehr, noch nicht inne);
seit ewigen Zeiten (umgangssprachlich übertreibend; schon lange) nicht mehr;
zu jener Zeit;
zu allen Zeiten (immer);
zu keiner Zeit (niemals);
zu seiner Zeit (als er noch lebte);
zur Zeit Karls des Großen;
Am westlichen Flussufer stehen Befestigungsanlagen aus der Zeit Napoleons (a & r 2, 1997, 69);
Die Zeit ist zu ernst geworden für dergleichen Scherze (St. Zweig, Fouché 167);
Die Zeit war erfüllt (es war so weit; Feuchtwanger, Erfolg 661);
Die Verrückten haben ihre hohe Zeit (2"Hochzeit"; Strauß, Niemand 206);
Das Eigenlob gilt dem Powerbook 3400, dem schnellsten Laptop aller Zeiten (den es je gegeben hat; Woche 21. 3. 97, 14);
Auch in unseren wehrpolitischen Vorstellungen sind wir 30 Jahre hinter der Zeit zurück (Augstein, Spiegelungen 65);
in der guten alten Zeit, da es das Kaisertum Österreich noch gab (Musil, Mann 32);
R die Zeiten ändern sich (die Verhältnisse ändern sich); andere Zeiten, andere Sitten;
[ach] du liebe Zeit! (Ausruf der Verwunderung, Bestürzung, des Bedauerns o. Ä.: Und wenn da ein paar raue Worte gefallen sind, du liebe Zeit, wenn Not am Mann ist, dann wählt man seine Worte doch nicht so fein [Hausmann, Abel 105]);
aus der Zeit sein (österreichisch: altmodisch, rückständig sein);
mit der Zeit gehen (sich der Entwicklung, den jeweiligen Verhältnissen anpassen, fortschrittlich sein: »Man geht mit der Zeit«, erklärte Frau Hohlfeld nicht ohne Stolz [Erich Kästner, Fabian 36]);
seit, vor undenklicher Zeit/undenklichen Zeiten (seit, vor unvorstellbar langer Zeit);
vor Zeiten (dichterisch; vor langer Zeit: Grabplatten …, unter denen vor Zeiten Kleriker, Gelehrte und fromme Wohltäter bestattet wurden [Fest, Im Gegenlicht 404]);
zu jemandes Zeiten, zu Zeiten einer Sache (in einer Zeit, als es eine bestimmte Person, Sache noch gab, etwas Bestimmtes noch üblich war: zu Cäsars Zeiten, zu Zeiten Cäsars; zu Zeiten der Postkutsche; zu Zeiten der Weimarer Republik [Fraenkel, Staat 256]).
5. (Sprachwissenschaft) Zeitform, Tempus:
die mit dem Perfektstamm gebildeten Zeiten;
in welcher Zeit steht dieser Satz, das Prädikat?
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