Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Wesen
We|sen, das; -s, - [mittelhochdeutsch wesen, althochdeutsch wesan = Sein; Aufenthalt; Hauswesen; Wesenheit; Ding, Substantivierung von mittelhochdeutsch wesen, althochdeutsch wesan, ↑ "wesen"]:1. a) das Besondere, Kennzeichnende einer Sache, Erscheinung, wodurch sie sich von anderem unterscheidet:
das ist nicht das Wesen der Sache;
das liegt im Wesen der Kunst;
… symbolisiert die Eiche nur zu genau deutsches Wesen, das zwischen streitsüchtiger Rohheit und monastischer Verinnerlichung schwankt (Stern, Mann 42);
b) (Philosophie) etwas, was die Erscheinungsform eines Dinges prägt, ihr zugrunde liegt, sie [als innere allgemeine Gesetzmäßigkeit] bestimmt:
das Wesen der Dinge, der Natur;
Wesen und Erscheinung eines Dinges;
Sein Wesen ist uns wie das Wesen aller Dinge unbekannt und wird es bleiben, weil wir die Einzelheiten seines Seins, deren Summe erst sein Wesen ausmacht, nicht kennen (Stern, Mann 334).
2. Summe der geistigen Eigenschaften, die einen Menschen auf bestimmte Weise in seinem Verhalten, in seiner Lebensweise, seiner Art, zu denken und zu fühlen und sich zu äußern, charakterisieren:
ihr Wesen blieb ihm fremd;
sein ganzes Wesen strahlt Zuversicht aus;
ein freundliches, einnehmendes, angenehmes, aufdringliches Wesen haben;
sein wahres Wesen zeigte sie nie;
seinem [innersten] Wesen nach ist er eher scheu und zurückhaltend;
von liebenswürdigem Wesen sein.
3. a) etwas, was in bestimmter Gestalt, auf bestimmte Art und Weise (oft nur gedacht, vorgestellt) existiert, in Erscheinung tritt:
fantastische, irdische, körperliche Wesen;
das höchste Wesen (Gott);
der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen;
der Mensch als gesellschaftliches Wesen;
weit und breit war kein menschliches Wesen (Mensch) zu sehen;
sie glaubten nicht an ein höheres Wesen;
höhere Wesen, die noch nicht Gott sind, doch auch nicht mehr Mensch (Stern, Mann 196);
Das einzige Wesen, das er je damit erschossen hatte, war eine Krähe (Kronauer, Bogenschütze 210);
b) Mensch (als Geschöpf, Lebewesen):
sie ist ein freundliches, stilles Wesen;
das arme Wesen wusste sich nicht zu helfen;
das kleine Wesen (Kind) wimmerte kläglich;
Elfriede, das sanfte, kränkliche Wesen, war nicht wieder zu erkennen (Danella, Hotel 189);
weil außer der Stewardess … kein weibliches Wesen (keine Frau) in Sichtweite war (Ziegler, Labyrinth 119).
4. (veraltet) Tun und Treiben:
das war ein Wesen!;
sein Wesen treiben (sich tummeln, herumtreiben; Unfug treiben: Die Possenreißer, die hier ihr Wesen treiben, machen dennoch schlechte Geschäfte [Schädlich, Nähe 173]);
viel Wesens/kein Wesen [aus/um/von etwas] machen (umgangssprachlich; einer Sache [keine] große Bedeutung beimessen, sie [nicht] sehr wichtig nehmen, [nicht] viel Aufhebens von ihr machen: Die literarische Öffentlichkeit hatte … Fräulein Bernadette eben erst für sich entdeckt und so gleich ein gehöriges Wesen gemacht um die ausgefallene … Autorin [Strauß, Niemand 159]; Orangenkübel, Zwergpalmen und Kakteen …, an denen Lustig eine besondere Freude hatte, ohne viel Wesens daraus zu machen [Bieler, Mädchenkrieg 43]).
5. Besitztum, Anwesen:
Denn ich habe auch noch in Rom eine offene Werkstatt, Arbeiter und verschiedene Geschäfte. Habe ich nur einmal erst den Ablass, so will ich das ganze römische Wesen einem meiner Zöglinge überlassen (Goethe, Benvenuto Cellini I, 2, 4);
Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen andern herzustellen, und sagte, sie sollten den Acker nur verkaufen (Keller, Romeo 6).
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