Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
werden
1wer|den [mittelhochdeutsch werden, althochdeutsch werdan, eigentlich = (sich) drehen, wenden und verwandt mit 1"Wurm"; vgl. auch lateinisch vertere, ↑ "Vers"]:1. a) in einen bestimmten Zustand kommen, eine bestimmte Eigenschaft bekommen:
arm, reich, krank, müde, frech, zornig, böse werden;
ich bin zu spät wach geworden;
sind die beiden glücklich geworden?;
warum wirst du denn immer gleich rot?;
das Wetter wurde schlechter;
sie ist 70 [Jahre alt] geworden;
heute soll, wird es sehr heiß werden;
es ist sehr spät geworden;
in den letzten Jahren ist es still geworden um ihn;
K der Müller ward nach und nach arm, wie sehr auch seine arme Frau dagegen sich wehrte (Gotthelf, Elsi 121);
Hauptmann! Was machst du? Bist du wahnsinnig worden? (Schiller, Räuber V, 2);
Wohl euch, dass Ihr mit dem Verräter nicht näher verwandt worden (Goethe, Götz III);
b) als ein bestimmtes Gefühl bei jemandem auftreten:
jemandem wird [es] übel, schwindelig, kalt, heiß;
Mir wird, als bade ich in verdorrten, modernden Blumen (Fels, Kanakenfauna 122).
2. a) eine Entwicklung durchmachen:
Arzt werden;
sie hatte einmal Sängerin werden wollen;
was willst du werden?;
ein ordentlicher Mensch werden;
sie wurde seine Frau;
Vater werden;
er will kein Held werden;
etwas wird Mode;
ein Traum ist Wirklichkeit geworden;
wenn das kein Erfolg wird!;
<1. Partizip:> eine werdende Mutter (eine Frau, die ein Kind erwartet);
ich erachte die Gabe der Bewunderung für die allernötigste, um selbst etwas zu werden (Reich-Ranicki, Th. Mann 73);
dass ich gerade dadurch mehr ich selbst geworden bin (mich stärker verwirklichen, meine Fähigkeiten entwickeln konnte) als je zuvor (Denneny [Übers.], Lovers 85);
K <2. Partizip worden:> Schatzmeister bin ich bei ihm worden (Lessing, Nathan I, 3);
b) sich zu etwas entwickeln:
das Kind ist zum Mann geworden;
über Nacht wurde das Wasser zu Eis;
das wird bei ihm zur fixen Idee;
das wurde ihm zum Verhängnis;
Wenn es in den obersten Führungsetagen nur um Ergebnisse … geht, wird Moral schnell zum Störfaktor (Woche 28. 2. 97, 11);
Eine Ideologiekritik jedoch … kann leicht von einem Instrument der Wahrheitsfindung zu einem der Rechthaberei werden (Sloterdijk, Kritik 60);
Ein mysteriöser Unfall irgendwann in der Vergangenheit hat das Nichtfeiern von Geburtstagen zur Familientradition der Malerbas werden lassen (Woche 14. 11. 97, 47);
c) sich aus etwas entwickeln:
aus Liebe wurde Hass;
aus diesem Plan wird nichts;
was soll bloß aus dir werden!;
Ich komme erst zurück, wenn etwas aus mir geworden ist (Ziegler, Labyrinth 88);
d) sich einem bestimmten Zeitpunkt nähern:
in wenigen Minuten wird es 10 Uhr;
es wird [höchste] Zeit zur Abreise;
morgen wird es ein Jahr seit unserem letzten Treffen.
3. a) entstehen:
es werde Licht!;
(dichterisch, sonst veraltet:) es ward (wurde) Licht;
jeder Tag, den Gott werden lässt;
werdendes Leben;
große Dinge sind im Werden;
Nachdem ich den Mörtel von den Händen gerieben habe, gehe ich, bevor dieser Tag wird (Frisch, Montauk 142);
Wie oft … gehen dieselben Kräfte, die sich heute so sehr um den Schutz des ungeborenen Lebens sorgen, verantwortungslos mit dem gewordenen Leben um! (Kelly, Um Hoffnung 109);
Der Zufall von der Existenz der Erde und der Gattung kann aber nicht so weit gehen, dass der Gattung zum Sein noch ein Sinn mitgegeben wird, während die Natur ja keinen Sinn und daher auch keine Geschichte kennt, sondern nur Werden und Vergehen, Kreislauf und ewige Wiederkehr (Menasse, Phänomenologie 22);
Im Zentrum der bürgerlichen Bildung stand das geschichtliche Werden unserer nationalen Kultur (Rhein. Merkur 8, 1976, 29);
R was nicht ist, kann noch werden;
b) (umgangssprachlich) sich so im Ergebnis zeigen, darstellen, wie es auch beabsichtigt war:
das Haus wird allmählich;
sind die Fotos geworden?;
die Zeichnung ist nichts geworden (ist misslungen);
wirds bald? (energische Aufforderung, sich zu beeilen);
die Pflanze wird nicht wieder (geht ein);
das wird [et]was werden! (das wird großen Spaß geben);
was soll bloß werden (geschehen), wenn …;
mit den beiden scheint es etwas zu werden (sie scheinen ein Paar zu werden);
Alle Fotos … sind etwas geworden. Das beste schicke ich euch (Freizeitmagazin 10, 1978, 53);
Was sie sich wünschte, wurde (gelang), traf ein (Grass, Butt 157);
nicht mehr/nicht wieder werden (salopp; aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, fassungslos sein: plötzlich hängt sie mir am Hals, als wär sie zwanzig. Ich denk, ich werd nicht wieder [Brot und Salz 199]).
4. (gehoben) jemandem zuteilwerden:
jedem Bürger soll sein Recht werden.
2wer|den [identisch mit 1"werden"]:
1.
a) zur Bildung des Futurs; drückt Zukünftiges aus:
es wird [bald] regnen;
wir werden nächste Woche in Urlaub fahren;
das Kind wird für diese Arbeit gelobt werden;
<2. Futur:> bis du zurückkommst, werde ich meine Arbeit beendet haben, wird sie bereits fortgegangen sein;
b) kennzeichnet ein vermutetes Geschehen:
sie werden bei dem schönen Wetter im Garten sein;
sie wird schon wissen, was sie tut;
<2. Futur:> er wird den Brief inzwischen bekommen haben.
2.
du wirst gerufen;
der Künstler wurde um eine Zugabe gebeten;
es wurde gemunkelt (man munkelte), sie hätte in einer Nacht ein Vermögen verspielt;
jetzt wird aber geschlafen! (energische Aufforderung; ihr sollt jetzt schlafen!);
Die Neigung wurde gefördert (Lentz, Muckefuck 100);
Denn geschossen und getroffen wurde (Grass, Butt 145);
K Alles andere, was zur Sicherheit und Trocknis des Gebäudes dienen konnte, ward beraten und ausgeführt (Goethe, Tag- und Jahreshefte 1818);
Er zog bei dem Pachter ein und ward zu dessen Familie gerechnet (Tieck, Runenberg 37).
3.
a) zur Umschreibung des Konjunktivs, besonders bei Verben, die keine unterscheidbaren Formen des Konjunktivs bilden können; drückt vor allem konditionale oder irreale Verhältnisse aus:
sonst würden wir dort nicht wohnen;
wenn sie mich rufen würden, käme ich sofort;
ich würde kommen/gekommen sein, wenn das Wetter besser wäre/gewesen wäre;
würdest du das bitte erledigen? (höfliche Umschreibung des Imperativs; bitte erledige es!);
ich würde sagen (ich bin der Meinung), hier haben alle versagt;
b) zur Umschreibung des Futurischen, des Noch-nicht-Begonnenen:
er sagte, dass er morgen zum Arzt gehen würde;
Zum ersten Mal, seit Gunilla unsere Lehrerin war, sammelten wir uns nicht bei Musik. Heute war nichts wie sonst. Wie würde es erst werden nach dem, was Freitag bei Fanny auf der Fete passiert ist? (Thor [Übers.], Ich 7).
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