Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
vertragen
ver|tra|gen [mittelhochdeutsch vertragen, althochdeutsch fartragan = ertragen]:1. a) widerstandsfähig genug sein, um bestimmte äußere Einflüsse, Einwirkungen o. Ä. physisch, psychisch zu ertragen, auszuhalten, ohne Schaden zu nehmen:
die Pflanze verträgt keinen Zug, kann [keine] Sonne vertragen;
das Klima [nicht] gut vertragen;
Rauch, Lärm, Belastungen, Aufregungen schlecht vertragen;
Else konnte den Geruch bratender Kartoffeln nicht vertragen (Jägersberg, Leute 74);
Ü das Geschäft verträgt nicht die geringste Belastung (Brecht, Groschen 62);
Ein solchermaßen organisiertes Chaos wie das Spätroms hätte kein von außen gefährdeter Staat auf die Dauer vertragen können (Thieß, Reich 286);
b) jemandem bekommen; jemandem, besonders jemandes Magen, Herz o. Ä., zuträglich sein:
keinen Kaffee, Alkohol vertragen;
er kann nicht viel, kann eine Menge vertragen (umgangssprachlich; [nicht] viel Alkohol trinken, ohne dass er betrunken wird);
das Essen, fette Sachen vertragen (unbeschadet essen können);
ein Medikament gut, schlecht vertragen;
ihr Magen verträgt alles (ist unempfindlich);
ich könnte jetzt einen Schnaps vertragen (umgangssprachlich; hätte ihn nötig, würde ihn gern trinken);
ich vertrage keinen Whisky mehr (Frisch, Homo 233);
c) (umgangssprachlich) leiden können; ohne Verärgerung, Kränkung, Widerspruch ertragen, hinnehmen:
[keine] Kritik, [keinen] Widerspruch vertragen;
ich kann das Gezänk nicht vertragen (es ist mir zuwider);
er verträgt einen Spaß;
ich kann alles vertragen, nur nicht, dass man mich belügt;
die Sache verträgt keinen Aufschub (gehoben; darf nicht aufgeschoben werden);
sie vertrug keinen Abschied, keine Szenen am Bahnhof (Fries, Weg 38).
2. ohne Streit, in Eintracht mit jemandem leben; mit jemandem auskommen:
sich [miteinander] vertragen;
ich vertrage mich gut mit meinen Nachbarn;
er hat sich immer mit allen vertragen (war sehr verträglich);
sich mit keinem vertragen (über kurz oder lang immer Streit bekommen);
die beiden vertragen sich wieder (umgangssprachlich; sind wieder einig);
Ü die beiden Farben vertragen sich nicht (umgangssprachlich; passen nicht zusammen);
sein Verhalten verträgt sich nicht mit seiner gesellschaftlichen Stellung (ist nicht damit vereinbar);
Sixta … fragte, wie Sophie sich mit seiner Mutter vertragen hatte (Bieler, Mädchenkrieg 499).
3. (landschaftlich) ↑ "abtragen" (3):
ein Kleidungsstück schnell vertragen.
4. (schweizerisch) (Zeitungen o. Ä.) austragen:
Zeitungen vertragen.
5. (landschaftlich) an einen anderen Ort bringen; wegtragen:
Der am Seil Hängende versuchte sich durch lautes Schreien mit dem Sichernden zu verständigen. Es gelang ihm aber nicht, da der … Wind alle Laute vertrug (Eidenschink, Fels 51).
6. a) gütlich ↑ "austragen" (3 a):
Es hieß ja, alles wäre vertragen und geschlichtet (Goethe, Götz I);
b) vertraglich vereinbaren:
Drum hat der edle Graf von Rochepierre … in dieser höchsten Not vertragen mit dem Feind …, sich zu ergeben (Schiller, Jungfrau I, 3).
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