Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
vergessen
1ver|gẹs|sen [mittelhochdeutsch vergeʒʒen, althochdeutsch firgeʒʒan, zu einem Verb mit der Bedeutung »fassen, ergreifen« und eigentlich = aus dem (geistigen) Besitz verlieren]:1. aus dem Gedächtnis verlieren; nicht behalten, sich nicht merken können:
die Hausnummer, das Datum, die Vokabeln vergessen;
ich habe seinen Namen vergessen;
ich habe vergessen, was ich sagen wollte;
ich vergesse sehr leicht (habe ein schlechtes Gedächtnis).
2. nicht [mehr] an jemanden, etwas denken:
jemanden, etwas sein Leben lang, sein Lebtag nicht vergessen [können];
seinen Ärger, seine guten Vorsätze vergessen;
er wollte diese Frau, dieses Erlebnis so rasch wie möglich vergessen;
seine Umgebung, sich völlig vergessen (völlig versunken sein);
ich habe meinen Schirm im Zug vergessen (liegen lassen);
seine Schlüssel vergessen (nicht daran denken, sie einzustecken, mitzunehmen);
sie wird noch einmal ihren Kopf vergessen (umgangssprachlich scherzhaft; lässt immer Dinge irgendwo liegen);
ich habe ganz, völlig vergessen, dass heute Sonntag ist;
(bei Aufzählungen:) gestern kamen Vater, Mutter und Großmutter, nicht zu vergessen Tante Erna;
der Kummer war bald vergessen;
sie glaubte sich vom Leben schon vergessen;
Weihnachten war längst vergessen (lag schon weit zurück);
sie hatten über dem Erzählen ganz die Arbeit vergessen;
das vergisst man/das vergisst sich nicht so leicht;
vergiss dich selbst nicht! (familiär; nimm dir auch etwas [zu essen, zu trinken!]);
das kannst du vergessen! (umgangssprachlich; das ist jetzt nicht mehr aktuell; daraus wird nichts);
den Mantel kannst du vergessen (umgangssprachlich; er ist nicht mehr brauchbar);
eine vergessene (heute unbekannte) Dichterin;
in einer neuen Umgebung vergisst man leichter;
vergiss nicht deiner Pflichten! (veraltet, noch gehoben; denke an deine Pflichten!);
er vergisst jedes Jahr auf/(seltener:) an ihren Geburtstag (süddeutsch, österreichisch; denkt nicht daran, zu gratulieren);
sie hatte völlig darauf vergessen (süddeutsch, österreichisch; nicht daran gedacht), dass ihr Sohn heute kommen wollte;
vergessen gehen (schweizerisch; vergessen werden, in Vergessenheit geraten);
Angesichts der Nashörner vergisst er alle Würde und rettet sich durch einen Sprung (natur 9, 1991, 54);
Dies nämlich war es, was ihn … alle Vorsicht vergessen … ließ (Maass, Gouffé 182);
Es war etwas Besonderes an diesem Abend im Park … Wir spielten miteinander und vergaßen alles andere (Thor [Übers.], Ich 1998);
Die üblichen Lokale, die lang geöffnet haben, kann ich vergessen Dort sitzen Bullen (Sobota, Minus-Mann 234);
Schmalfilmer, die auf Video umsteigen wollen, sollten … alles vergessen, was sie … mit der Filmkamera gelernt haben (Hörzu 9, 1981, 93);
Er … ermahne ihn noch einmal eindringlich, seines Schwurs nicht zu vergessen (Süskind, Parfum 140);
jemandem etwas nie/nicht vergessen (jemandem für sein Verhalten in einer bestimmten Situation immer dankbar bzw. böse sein: und das vergesse ich ihm bis zur Rente nicht [Loest, Pistole 183]; K Könnt ich der Zeiten vergessen, da sie mich liebte [Goethe, Egmont I]; Jetzt vergaß ich meiner Würde [Rosegger, Waldbauernbub 143]);
etwas vergessen können (umgangssprachlich: 1. etwas vernachlässigen, sich etwas ersparen können [weil keine Aussicht auf Erfolg besteht, weil es wertlos, unbrauchbar ist o. Ä.]: den Mantel kannst du vergessen, der ist bei dem Wetter viel zu warm. 2. mit etwas nicht rechnen können, etwas nicht zu erwarten brauchen: das neue Fahrrad kannst du vergessen – bei den Schulnoten!)
3. die Beherrschung über sich selbst verlieren:
sich im Zorn völlig vergessen;
wie konntest du dich so weit vergessen, ihn zu schlagen?;
Denn nie durfte er sich vergessen, nie aus der Fassung geraten (Reich-Ranicki, Th. Mann 33).
2ver|gẹs|sen [eigentlich adjektivisches 2. Partizip von 1"vergessen"]:
vergesslich:
Wir aber müssten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind (Goethe, Egmont IV);
Die Jugend ist vergessen aus geteilten Interessen; das Alter ist vergessen aus Mangel an Interessen (Goethe, Zahme Xenien V).
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