Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
treiben
trei|ben [mittelhochdeutsch trīben, althochdeutsch trīban, Herkunft ungeklärt]:1. jemanden, ein Tier, etwas (durch Antreiben, Vor-sich-her-Treiben o. Ä.) dazu bringen, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, an einen bestimmten Ort zu begeben:
die Kühe auf die Weide treiben;
Gefangene in ein Lager treiben;
er ließ sich von der Strömung treiben;
der Wind treibt das Laub durch die Alleen (weht es vor sich her);
den Ball vor das Tor treiben (durch wiederholtes Anstoßen vor das Tor spielen);
Wild, Hasen treiben (Jägersprache; bei einer Treibjagd den Schützen zutreiben);
Ü er lässt sich zu sehr treiben (verhält sich zu passiv im Leben);
der ewige Streit in der Familie hat die Kinder aus dem Haus getrieben (sie zum Verlassen des Elternhauses veranlasst);
ihre Anschuldigungen trieben ihm das Blut, den Zorn, die Zornesröte ins Gesicht;
der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen;
der Boom hat die Preise in die Höhe, nach oben getrieben (eine Preissteigerung zur Folge gehabt);
Am Sonntagabend verlor der 21-Jährige … die Herrschaft über sein Motorrad, wonach er die rechtsseitige Böschung hinab gegen eine Bachmauer getrieben wurde (LNN 31. 7. 84, 13);
Noch immer treibt der Wind mit Dünger vermischten Ackerstaub … gegen die Stallwände (Frischmuth, Herrin 18);
Allein der Favorit retournierte selbst extrem in die Spielfeldecken getriebene (mit Treibschlag gespielte) Bälle glänzend (NZZ 13. 10. 84, 45);
am allerwenigsten trieb es ihn an den Tisch, wo seine Notizen lagen (H. Weber, Einzug 241);
dem Manager aber treiben seine Extravaganzen oft die Schweißperlen auf die Stirn (Kicker 82, 1981, 39).
2. jemanden (durch sein Verhalten o. Ä.) in einen extremen Seelenzustand versetzen, dazu bringen, etwas Bestimmtes (Unkontrolliertes) zu tun:
jemanden in den Tod, in den, [bis] zum Selbstmord, in den Wahnsinn, zur Raserei, zum Äußersten treiben;
alles wäre ideal, wenn nicht unsere Älteste, jetzt vierzehn, uns zur Verzweiflung triebe (Hörzu 45, 1975, 123).
3. jemanden ungeduldig, durch Drängen zu etwas veranlassen:
jemanden zur Eile, zum Aufbruch treiben;
er trieb die Männer zur schnellen Erledigung der Arbeit;
muss man dich immer treiben, damit du etwas tust?;
treib [ihn] nicht immer so!;
es trieb ihn, ihr zu danken;
Ü seine Eifersucht hatte ihn zu dieser Tat getrieben;
Eine Zeit lang trieb es ihn, kreuz und quer in der Stadt nach ihr zu suchen (Strauß, Niemand 102);
Hoffnung hat ihn getrieben, sinnt May, nicht Hoffnung auf Ruhm und Geld, sondern auf Lohn aus der eigenen Brust (Loest, Pistole 22).
4. ↑ "antreiben" (2):
das Wasser treibt die Räder;
die Maschine wird von Wasserkraft getrieben.
5. a) von einer Strömung [fort]bewegt werden:
etwas treibt auf dem, im Wasser;
das Schiff treibt steuerlos auf dem Meer;
Eisschollen trieben auf dem Fluss;
Treibgut war/hatte auf dem Fluss getrieben;
Nebelschwaden treiben in der Luft;
treibende (am Himmel dahinziehende) Wolken;
Ü er hat die Dinge zu lange treiben lassen (sich selbst überlassen);
sich treiben lassen (sich planlos und mehr oder weniger passiv verhalten);
An ein Stück Treibholz geklammert, war er von thailändischen Fischern gerettet worden, nachdem er den ganzen Tag im Wasser getrieben war (Welt 10. 8. 79, 1);
b) in eine bestimmte Richtung, auf ein Ziel zu bewegt werden:
der Ballon treibt landeinwärts;
Treibgut war ans Ufer getrieben;
man weiß nicht, wohin die Dinge treiben (wie sie sich entwickeln).
6. (Jägersprache) (von männlichen Tieren in der Paarungszeit) das weibliche Tier verfolgen, vor sich hertreiben:
die Böcke treiben die Ricken.
7.
a) (durch Schläge mit einem Werkzeug o. Ä.) in etwas eindringen lassen; hineintreiben, einschlagen:
einen Keil in den Baumstamm, Pflöcke in den Boden treiben;
In die Wände waren Nägel getrieben, an denen unförmige Gummikittel hingen (Fels, Unding 175);
b) (von Hohlräumen bestimmter Art) durch Bohrung o. Ä. irgendwo herstellen, schaffen:
einen Schacht [in die Erde] treiben;
einen Tunnel durch den Berg, in den Fels treiben;
Stollen sind in die Berghänge getrieben worden, waagrechte Schächte hin zum Kern der allerersten Gluten (Fels, Kanakenfauna 86);
c) zum Zerkleinern o. Ä. durch eine bestimmte Maschine, ein Gerät ↑ "durchpressen" (1):
etwas durch ein Sieb, durch den Fleischwolf treiben.
8.
a) (zu Platten dünn ausgewalztes Metall) in kaltem Zustand mit dem Hammer, der Punze formen, gestalten:
Silber, Messing treiben;
eine Schale aus getriebenem Gold;
b) durch Treiben (8 a) herstellen:
ein Gefäß [aus, in Silber] treiben;
Zum weit gefächerten Thema Umwelt sind stark abstrahierte, vor allem aber sehr plastische Formen von Pflanzen und Bäumen sowie Tieren aus Kupfer und Aluminium getrieben (NNN 24. 3. 87, 3).
9. (umgangssprachlich) harntreibend, schweißtreibend sein, wirken:
Bier, Lindenblütentee treibt;
ein treibendes Medikament.
10.
a) sich mit etwas, was man zu erlernen o. Ä. sucht, kontinuierlich befassen:
Französisch, Philosophie treiben;
sie treibt neuerdings wieder mit großem Eifer ihre Studien;
b) (umgangssprachlich) sich mit etwas beschäftigen; etwas machen, tun:
Unfug treiben;
was habt ihr bei dem schlechten Wetter, den ganzen Tag getrieben?;
Allerhand Jux wird getrieben in einer durch spaßhaften Gleichschritt verbundenen Gruppe (Richartz, Büroroman 77);
Solange es ihn nicht trifft, kümmert es Herrn Biedermann wenig, dass Brandstifter in der Stadt ihr Unwesen treiben (Hörzu 37, 1976, 66);
In den letzten beiden Jahren hatte ich für nichts sonst Zeit, aber vorher hab' ich 'ne Menge anderes getrieben (Loest, Pistole 192);
c) sich mit etwas zum Zwecke des Erwerbs befassen:
Handel, ein Gewerbe, ein Handwerk treiben;
Ackerbau und Viehzucht treiben;
für alle, die keinen Schwarzhandel trieben, lohne es sich nicht (Härtling, Hubert 209);
d) (in verblasster Bedeutung in Verbindung mit Substantiven) drückt aus, dass etwas mit bestimmter Konsequenz betrieben, verfolgt wird:
Spionage treiben (spionieren);
Verschwendung, Luxus, Aufwand treiben (verschwenderisch, luxuriös, aufwendig leben);
seinen Spott mit jemandem treiben;
Missbrauch mit etwas treiben;
Man durfte die Vertraulichkeit nicht zu weit treiben, sonst würde die Schwester womöglich lästig (Danella, Hotel 83).
11.
a) (umgangssprachlich abwertend) etwas in einem Kritik herausfordernden Übermaß tun:
es toll, zu bunt, zu arg treiben;
er hat es zu weit getrieben (in seinem Verhalten den Bogen überspannt);
so kann er es nicht mehr treiben (man wird seine Machenschaften aufdecken);
Ü er wirds nicht mehr lange treiben (salopp; er wird bald sterben);
b) mit jemandem in einer Kritik herausfordernden Art umgehen:
sie haben es übel mit den Flüchtlingen getrieben;
es [mit jemandem] treiben (umgangssprachlich verhüllend; [mit jemandem] geschlechtlich verkehren: mit der stämmigen Sennerin Friedi treibt er's auch [MM 9./10. 2. 91, 58]).
12. (seltener) (besonders von Hefe oder entsprechend versetztem Teig) ↑ "aufgehen" (4):
die Hefe, der Hefeteig muss noch treiben;
das Backpulver treibt den Teig (lässt ihn aufgehen).
13.
a) ↑ "austreiben" (4 a), ↑ "ausschlagen" (9):
die Bäume, Sträucher beginnen zu treiben;
b) ↑ "austreiben" (4 b):
Sträucher und Bäume treiben Blüten;
Die Wurzeln treiben jährlich Stängel, die über zehn und mehr Jahre geschnitten werden können (natur 3, 1991, 30).
14. (Gartenbau) im Treibhaus o. Ä. unter besonderen Bedingungen züchten, heranziehen:
Maiglöckchen, Flieder, Paprika in Gewächshäusern treiben;
im Frühbeet getriebener Salat.
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