Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
tief
tief [mittelhochdeutsch tief, althochdeutsch tiuf, ursprünglich = eingesunken, hohl]:1. a) von beträchtlicher Ausdehnung senkrecht nach unten; weit nach unten reichend:
ein tiefer Abgrund;
tiefe Spalten, Risse im Gestein;
tiefe Wurzeln;
tiefer Schnee (Schnee, der so hoch liegt, dass man darin einsinkt);
das Wasser, der Brunnen, Fluss, See ist [sehr] tief;
tief graben, bohren;
tief pflügen (rigolen);
tief im Schnee, Schlamm einsinken;
tief verschneite (mit viel Schnee bedeckte) Wälder;
Ü tief in Gedanken [versunken] sein;
er steckt tief in Schulden;
er ist tief gefallen, gesunken (moralisch verkommen);
die alte, tief zwischen angekohlten Ästen und weißer Asche verborgene Glut (Ransmayr, Welt 239);
b) eine bestimmte Ausdehnung nach unten aufweisend; in einer bestimmten Weite, Ausdehnung nach unten reichend:
eine fünf Meter tiefe Grube;
sie malte sich aus, wie sie da einige Klafter tief in die Erde hineinfalle (Alexander, Jungfrau 226);
c) sich in geringer Entfernung vom [Erd]boden befindend; ↑ "niedrig" (1 b):
tiefe Wolken;
tief hängende Zweige;
das Flugzeug fliegt tief;
die tief stehende Sonne;
d) [weit] nach unten (zum [Erd]boden, zur unteren Begrenzung von etwas hin) gehend, reichend:
eine tiefe Verbeugung machen;
sich tief ducken, über ein Buch beugen;
die Mütze tief in die Stirn ziehen;
ein tief ausgeschnittenes Kleid;
… damit er sich beim Sammeln der Lumpen, Flaschen und Knochen nicht so tief zu bücken brauchte (Sommer, Und keiner 42);
e) in niedriger Lage [befindlich]:
das Haus liegt tiefer als die Straße;
eine Etage tiefer (weiter unten) befinden sich Ladenräume;
die tiefer (weiter unten am Berg) liegenden Wälder;
tief (weit) unten im Tal;
sie wohnt eine Treppe tiefer (Schädlich, Nähe 29);
f) auf einer Skala, innerhalb einer Werte-, Rangordnung im unteren Bereich sich befindend; niedrig:
tiefe Temperaturen;
das Barometer steht tief (zeigt niedrigen Luftdruck an);
die Kosten sind zu tief veranschlagt;
tiefer liegende Messwerte;
ein moralisch tief stehender Mensch;
Länder ohne Kernkraft … hätten tiefere Strompreise als die Bundesrepublik (NZZ 5. 9. 86, 13);
Legt eine Bauherrschaft Wert auf Dauerhaftigkeit und Erhaltung des Wohnwertes, um die Unterhaltskosten tief zu halten, … (Tages Anzeiger 12.11.91, 4);
g) (von Geschirr o. Ä.) nicht flach, sondern [zur Mitte hin] vertieft:
ein tiefer Teller;
eine tiefe Schüssel.
2. a) von beträchtlicher Ausdehnung nach hinten; von der vorderen Grenze eines Raumes, Geländes [relativ] weit in den Hintergrund reichend:
ein tiefer Schrank;
ein sehr langes, aber auch tiefes Gebäude;
ein tiefer Wald;
die Bühne ist sehr tief;
b) eine bestimmte Ausdehnung nach hinten aufweisend:
ein 30 cm tiefes Regal;
die Bühne ist nach dem Umbau 5 Meter tiefer.
3. a) von beträchtlicher Ausdehnung nach innen; [relativ] weit ins Innere von etwas [reichend, gerichtet]:
eine tiefe Wunde;
sich tief in den Finger schneiden;
die Höhle erstreckt sich tief in den Berg hinein;
der Feind drang tief ins Land ein;
tief (kräftig) [ein-, aus]atmen;
Viele von euch glauben sicher, dass Gesichtsmassagen nur … gut für tiefe Falten sind (Freizeitmagazin 26, 1978, 42);
bei jemandem nicht tief gehen (jemanden nur wenig beeindrucken, berühren);
b) eine bestimmte Ausdehnung nach innen aufweisend:
eine 10 cm tiefe Stichwunde;
die Höhle schien zunächst nur wenige Meter tief zu sein;
c) weit innen, im Innern von etwas [befindlich]:
im tiefen, tiefsten Afrika;
er hat tief liegende Augen;
ich wollte in die tiefe Provinz fahren (Ruge, Land 395);
von ihrer tief im Gebirge gelegenen Stadt (Ransmayr, Welt 228);
… den Campingplatz am Mühlenteich …, tief versteckt im Wald (Freizeitmagazin 12, 1978, 11).
4. a) zeitlich weit vorgeschritten; weit (in einen bestimmten Zeitraum hineinreichend); spät:
bis tief in die Nacht, den Herbst [hinein];
Echo … schlief bis tief in den November unter freiem Himmel (Ransmayr, Welt 101);
b) zeitlich auf dem Höhepunkt stehend; (in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum) mitten (darin):
im tiefen Winter;
Es ist tief in der Nacht (Jens, Mann 69).
5. a) (als solches) intensiv vorhanden, gegeben, stark ausgeprägt:
tiefe Stille, Ruhe;
tiefer Schlaf;
tiefe Freude, Sehnsucht;
in tiefer Bewusstlosigkeit liegen;
ein tiefer Glaube sprach aus seinen Worten;
Nichts trat ein, die Konfirmation war eine tiefe Enttäuschung (Loest, Pistole 57);
Wir stecken aber in einer tiefen Rezession (Woche 14. 3. 97, 33);
er wollte und konnte auch nie verheimlichen, wie tief und grausam die Leiden waren (Reich-Ranicki, Th. Mann 217);
b) sehr, zuinnerst:
jemanden tief beeindrucken, beschämen;
etwas tief bedauern;
tief beleidigt, betroffen, betrübt, erschüttert sein;
er war tief gekränkt;
er sprach mit tief bewegter Stimme;
jemandem sein tief empfundenes Beileid aussprechen;
eine tief gefühlte Verbundenheit;
(gehoben:) mein tief inneres, tief innerliches Bedürfnis;
sie waren tief, aufs Tiefste/(auch:) tiefste empört;
er ist tief religiös;
Durch die Errichtung der Macht der Arbeiterklasse … erhielt ihre Arbeit einen tief humanistischen Sinn (Sonntag 7. 11. 76, 3).
6. nicht oberflächlich, vordergründig, sondern zum Wesentlichen vordringend:
eine tiefe Einsicht;
eine tief blickende, dringende Analyse;
tief reichende Fragen stellen;
eine tief gehende Umgestaltung der Gesellschaft;
was ist der tiefere (eigentliche) Sinn dieser Maßnahmen?;
Das schließt nicht aus, dass jene … sich … den Anschein eines grüblerischen, tiefen Geistes zu geben versuchen (Stern, Mann 149);
Die späte Forderung nach erhöhtem Kindergeld offenbart den tief greifenden strategischen Dissens (Woche 18. 4. 97, 1).
7. a) im Farbton sehr intensiv; kräftig, voll, dunkel:
ein tiefes Blau;
Gegen den wolkenbedeckten Nachthimmel stand … das tiefere Schwarz der Zypressen (Fest, Im Gegenlicht 329);
das Grün (= des Buschwerkes) leuchtete tief (Doderer, Abenteuer 99);
b) (von der Stimme, von Tönen) dunkel klingend:
eine tiefe Stimme;
spiel das Lied bitte eine Terz tiefer;
die Frau in langen Hosen … sagte kehlig tief: »Rennen Sie doch nicht weg …« (Erné, Fahrgäste 292).
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