Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
streichen
strei|chen [mittelhochdeutsch strīchen, althochdeutsch strīhhan, verwandt mit ↑ "Strahl"]:1.
a) mit einer gleitenden Bewegung [leicht, ebnend, glättend] über etwas ↑ "hinfahren" (3), hinstreichen:
jemandem freundlich, zärtlich, liebevoll durch die Haare, über den Kopf, das Gesicht streichen;
sie strich mehrmals mit der Hand über die Decke;
er strich sich nachdenklich über den Bart/(auch:) strich sich den Bart;
er streicht die Geige (veraltend; er spielt auf der Geige);
das Maß sollte gestrichen voll (genau bis zum Rand gefüllt) sein;
ein gestrichener (bis zum Rand gefüllter, aber nicht gehäufter) Esslöffel Mehl;
der Aschenbecher ist mal wieder gestrichen (umgangssprachlich; übermäßig) voll;
Die Geiger strichen (spielten auf Streichinstrumenten) den Kammerton (Wellershoff, Körper 262);
Ü Der Strahl aus Schwester Noras Taschenlampe strich über die Ziegelmauer (Sebastian, Krankenhaus 86);
K wie eine Katze schnurret, wenn man sich mit ihr anlässt, ihr den Balg streicht (streichelt; Gotthelf, Spinne 94);
b) mit einer streichenden (2 a) Bewegung irgendwohin befördern:
mit einer raschen Bewegung strich sie die Krümel zur Seite, vom Tisch;
ich strich ihm das Haar, eine Strähne aus der Stirn;
mit einem Spachtel Kitt in die Fugen streichen;
die gekochten Tomaten durch ein Sieb streichen (Kochkunst; durchschlagen, passieren);
Er nahm ihr das Brettchen mit den würflig geschnittenen Zwiebeln ab und strich sie mit dem Küchenmesser in die Sauce (M. L. Fischer, Kein Vogel 32).
2.
a) mit streichenden (1 a) Bewegungen [mithilfe eines Gerätes] in einer Schicht über etwas verteilen, irgendwo auftragen:
Butter, Marmelade [dick] aufs Brot streichen;
er strich mit dem Spachtel Salbe auf die Wunde;
b) durch Streichen (2 a) mit einem Brotaufstrich versehen; bestreichen:
ein Brötchen mit Leberwurst, Honig, Marmelade streichen;
der Vater streicht den Kindern die Brote;
c) mithilfe eines Pinsels o. Ä. mit einem ↑ "Anstrich" (1 b) versehen; anstreichen:
die Decke, die Wände streichen;
sie hat die Türen, die Gartenmöbel mit Ölfarbe gestrichen;
ein mit grüner Ölfarbe gestrichener Zaun;
Vorsicht, frisch gestrichen!;
Das Fenster musste gestrichen werden (H. Gerlach, Demission 270).
3. (etwas Geschriebenes, Gedrucktes, Aufgezeichnetes) durch einen oder mehrere Striche ungültig machen, tilgen; ausstreichen:
einen Satz [aus einem Manuskript, in einem Text] streichen;
er hat einige Passagen der Rede, einige Szenen des Theaterstückes gestrichen;
du kannst sie, ihren Namen aus der Liste streichen;
Nichtzutreffendes bitte streichen!;
Ü du musst diese Angelegenheit aus deinem Gedächtnis streichen (musst sie vergessen, darfst nicht mehr daran denken);
der Auftrag wurde gestrichen (zurückgezogen);
Zuschüsse, Subventionen streichen (nicht länger gewähren, abschaffen);
dem Häftling sind alle Vergünstigungen gestrichen worden (werden ihm nicht länger gewährt);
deinen Urlaub, diese Pläne kannst du streichen (umgangssprachlich; aufgeben, fallen lassen);
Es versteht sich, dass ich kein Wort gestrichen habe (Reich-Ranicki, Th. Mann 266);
Kann ich zehn Jahre aus meinem Leben streichen? (sie als nicht da gewesen betrachten?; Seidel, Sterne 143);
dass ihm ein Kredit erst zugesagt und dann auf unerklärliche Weise wieder gestrichen worden sei (H. Weber, Einzug 78);
Der Computerhersteller … soll innerhalb von zwei Jahren 40 000 Stellen streichen (abschaffen, abbauen; Tages Anzeiger 26. 11. 91, 5).
4.
a) ohne erkennbares Ziel, ohne eine bestimmte Richtung einzuhalten, irgendwo umhergehen; sich irgendwo umherbewegen:
durch Wälder und Felder streichen;
abends streicht sie durch die Straßen, um ihr Haus;
die Katze streicht (bewegt sich mit leichten, gleitenden Bewegungen) mir um die Beine;
wenn er mit den Kindern durch die Gegend strich (Harig, Ordnung 19);
b) (besonders Jägersprache) in ruhigem Flug [in geringer Höhe] fliegen, irgendwo umherfliegen:
ein paar Enten, Wasservögel streichen aus dem Schilf;
Ein Flugzeug strich über die Wolken (Loest, Pistole 78);
c) irgendwo gleichmäßig, nicht sehr heftig wehen:
ein leichter Wind streicht durch die Kronen der Bäume, über die Felder, um die Mauern;
Kühl streicht Morgenluft über meine Schultern (Lentz, Muckefuck 21);
War der kühle Wind, der bei einem Morgenbad über das spiegelglatte Meer strich, schuld? (Gregor-Dellin, Traumbuch 101).
5.
a) (Geologie) (von schräg verlaufenden Schichten) in bestimmtem Winkel eine gedachte horizontale Linie schneiden;
b) (Geografie) (von Gebirgen) in eine bestimmte Richtung verlaufen, sich erstrecken:
das Gebirge streicht nach Norden, entlang der Küste.
6. (Rudern) (das Ruder) entgegen der Fahrtrichtung bewegen oder stemmen, um zu bremsen oder rückwärtszufahren:
sie haben die Riemen gestrichen.
7. (Seemannssprache veraltet) herunterlassen, einziehen, einholen:
die Segel, die Stenge streichen.
8. (landschaftlich) ↑ "melken" (1).
9. verprügeln; züchtigen; schlagen:
Wenn die Burschen schwimmen und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehn (Goethe, Egmont II);
die Mutter … nahm mich und strich mich eine lange Zeit mit der Rute (Rosegger, Waldbauernbub 178).
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