Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Stich
Stịch, der; -[e]s, -e:1. [mittelhochdeutsch stich, althochdeutsch stih]
a) das Eindringen einer Stichwaffe o. Ä. [in jemandes Körper]; der Stoß mit einer Stichwaffe o. Ä.:
ein tödlicher Stich mit dem Messer;
der Stich traf sie mitten ins Herz;
Ü ein Stich [von hinten] (versteckte spitze, gehässige Bemerkung, boshafte Anspielung);
Ihr Gatte hat mich provoziert. Nicht dass mir seine Stiche (Sticheleien) unter die Haut gehen (Erné, Kellerkneipe 198);
b) [schmerzhaftes] Eindringen eines Stachels, Dorns o. Ä. [in die Haut]; das ↑ "Stechen" (2):
der Stich einer Biene, Wespe;
einen heftigen Stich spüren;
c) (selten) Einstechen, Einstich:
Schmerzhaft war der Stich in das beängstigend weit zurückgewichene Zahnfleisch (Böll, Haus 35).
2. a) Verletzung, die jemandem durch einen Stich (1 a, b) zugefügt wird, durch einen Stich (1 a, b) entstanden ist:
der Stich eitert, ist angeschwollen, schmerzt, juckt noch;
er brachte ihm mehrere schwere Stiche mit einem Stilett, Messer bei;
wobei seine … Brust, mit den Narben unzähliger Stiche gezeichnet, fast schamlos zum Vorschein kam (Langgässer, Siegel 499);
b) (seltener) Einstich[stelle].
3. (Fechten) Stoß, der mit dem Florett oder Degen geführt wird.
4. a) das Einstechen mit der Nadel und das Durchziehen des Fadens (beim Nähen, Sticken):
mit kleinen, großen Stichen nähen;
sie heftete das Futter mit ein paar Stichen an;
Er flickte seine Backstubenhose, nähte eifrig, machte kleine, feine Stiche (Strittmatter, Wundertäter 101);
b) der Faden zwischen den jeweiligen Einstichen:
ein paar Stiche sind aufgegangen.
5. stechender Schmerz; Schmerz, der wie ein Stich (1) empfunden wird:
Stiche in der Herzgegend haben, verspüren;
Ich rannte erst noch ein Stückchen;
dann kriegte ich Stiche (Schnurre, Bart 8);
Ü bei der Nennung des Namens Coax ging ihm ein Stich durchs Herz (Brecht, Groschen 52);
Diese Erinnerung versetzte Otto Brasch einen nadelfeinen Stich (Loest, Pistole 165);
Karin war nicht nach Hause gekommen, es gab mir einen Stich (traf mich sehr), als ich ihr Bett unberührt vorfand (v. d. Grün, Glatteis 127).
6. Kurzform von ↑ "Kupferstich" (2), ↑ "Stahlstich" (2):
ein wertvoller Stich;
Stiche eines alten Meisters;
Im Salon hingen alte Stiche von Hamburg (Simmel, Stoff 313);
Ebenso sind Stiche nach Figuren der Antike … als Lehrmittel weit verbreitet gewesen (Bild. Kunst III, 9).
7. leichter Farbschimmer, der in einem anderen Farbton mitspielt, ihn wie ein getönter Schleier überzieht:
das Foto hat einen Stich ins Blaue;
ihr Haar zeigte einen Stich ins Rötliche;
sein Gesicht war kreidig mit einem Stich ins Grünliche:;
Ü einen Stich (ein bisschen) zu korrekt;
sie hat einen Stich ins Ordinäre, Pathetische;
über alles das hinaus hatte sie auch noch einen Stich ins Pazifistische (Kant, Impressum 306);
Hat nicht das Verhältnis zwischen Arthur und mir auf verquere Art einen Stich von Zuhälterei? (Kant, Impressum 139).
8.einen [leichten] Stich haben (1. umgangssprachlich; [von Speisen, Getränken] nicht mehr ganz einwandfrei, leicht verdorben sein: die Milch, Wurst, das Bier hat einen Stich. 2. salopp; nicht recht bei Verstand, verrückt sein: du hast ja 'n Stich!; Die Fremden haben schon einen Stich [Konsalik, Promenadendeck 329].] 3. landschaftlich; betrunken sein).
9. (landschaftlich) (besonders von Speisefett) kleinere Menge, die mit einem Messer o. Ä. herausgestochen worden ist:
einen Stich Butter dazugeben;
schales Bier, das mit einem Stich Essiggurke und einer Messerspitze Zigarrenasche versetzt war (Bieler, Mädchenkrieg 253).
10. (Kartenspiele) Karten, die ein Spieler mit einer höherwertigen Karte durch Stechen an sich bringt; ↑ "Point" (1 a):
alle Stiche machen;
einen Stich abgeben;
nicht einen Stich bekommen;
Ü Als die faschistische Demagogie vordrang, sog sie die bürgerliche Mitte auf, gegenüber den Arbeiterparteien gewann sie keinen Stich (konnte sie nichts ausrichten; Loest, Pistole 46);
Beim Meisterschaftsmehrkampf … ließ Daniel Giubellini seinen Konkurrenten keinen Stich (Tages Anzeiger 26. 11. 91, 14).
11.jemanden im Stich lassen (1. sich um jemanden, der in eine Notlage geraten ist, sich in einer kritischen Situation befindet, nicht mehr kümmern: ich hätte mich darüber beschwert, dass uns Kennedy im Stich gelassen habe [W. Brandt, Begegnungen 31].] 2. jemanden, mit dem man verbunden war, verlassen: das dünne Mädchen, um dessentwillen er jenes andere Mädchen im Stich gelassen hatte [Seghers, Transit 240]. 3. umgangssprachlich; jemandem den Dienst versagen: sein Gedächtnis ließ ihn im Stich; Seine Augen fingen an, ihn zuweilen im Stiche zu lassen [Th. Mann, Hoheit 220]) [wohl eigentlich = jemanden [im Kampf] den Stichen des Gegners ausgeliefert lassen];
etwas im Stich lassen (etwas aufgeben, zurücklassen);
Stich halten (einer Nachprüfung standhalten, sich als richtig erweisen; wohl eigentlich = dem Stich des Gegners im Kampf standhalten: seine Argumentation, ihr Alibi hielt Stich; meine scherzhaften Bemerkungen über den Pariser Verkehrstrubel und die französische Art des Autofahrens würden heute nicht mehr Stich halten [Sieburg, Paris 62]).
12. [mittelhochdeutsch stich] (landschaftlich) jäher Anstieg einer Straße.
13. (Hüttenwesen) [einmaliger] Durchgang des Walzgutes durch die Walzen.
14. [gekürzt aus: Stichentscheid] (schweizerisch) Wettschießen.
15. (Architektur) Pfeilhöhe.
16. (Jägersprache) (beim Haarwild) ↑ "Grube" (4) an der vorderen Seite des Halses:
auf den Stich schießen.
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