Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Stelle
Stẹl|le, die; -, -n [wohl frühneuhochdeutsche Rückbildung aus ↑ "stellen", ursprünglich = Ort, wo etwas steht, hingestellt wurde (für gleichbedeutend mittelhochdeutsch stal, ↑ "Stall")]:1. a) Ort, Platz, Punkt innerhalb eines Raumes, Geländes o. Ä., an dem sich jemand, etwas befindet bzw. befunden hat, an dem sich etwas ereignet [hat]:
das ist eine schöne Stelle zum Campen;
ich kenne hier im Wald eine Stelle, wo Pilze wachsen;
an einigen Stellen liegt noch Schnee;
sich an der vereinbarten Stelle treffen;
an dieser Stelle hat sich der Unfall ereignet, soll ein Denkmal errichtet werden;
das Bild hängt an der richtigen Stelle;
er hat die Sachen an die falsche Stelle gestellt;
stell den Stuhl wieder an seine Stelle (an den Platz, wo er üblicherweise steht)!;
die schwere Truhe ließ sich kaum von der Stelle rücken;
sie blieb unentwegt auf der gleichen Stelle stehen;
sich nicht von der Stelle rühren (am gleichen Platz stehen oder sitzen bleiben);
Ü sie ist an die Stelle ihrer Kollegin getreten (hat ihren Platz eingenommen);
ich an deiner Stelle würde das nicht machen (wenn ich du wäre, würde ich das nicht machen);
ich möchte nicht an seiner Stelle sein/stehen (möchte nicht in seiner Lage sein);
sich an jemandes Stelle setzen (etwas von jemandes Lage aus betrachten);
etwas an die Stelle von etwas setzen (etwas durch etwas anderes ersetzen);
An einer lichten Stelle zeigten sich Äcker mit fahlgrüner Saat (Gaiser, Jagd 192);
Im 13. Jh. treten dann Laienkünstler an die Stelle der Malermönche (Bild. Kunst III, 69);
an Stelle (1, 2"anstelle");
auf der Stelle (noch in demselben Augenblick; sofort, unverzüglich, augenblicklich: lass ihn auf der Stelle los!; die Verunglückte war auf der Stelle tot; ich könnte auf der Stelle einschlafen; wenn ich dich erwisch', dass du Alkohol süffelst, fliegst du auf der Stelle [Fels, Unding 297]);
auf der Stelle treten (umgangssprachlich: in einer bestimmten Angelegenheit nicht vorankommen; [in Bezug auf die Entwicklung von etwas] keine Fortschritte machen);
nicht von der Stelle kommen (↑ "Fleck" [3]);
zur Stelle sein (im rechten Moment [für etwas] dasein, sich an einem bestimmten Ort einfinden: doch hielt man es bald für selbstverständlich, dass immer jemand zur Stelle war [Ossowski, Liebe ist 356]);
sich zur Stelle melden (besonders Militär; seine Anwesenheit melden);
b) lokalisierbarer Bereich am Körper, an einem Gegenstand, der sich durch seine besondere Beschaffenheit von der Umgebung deutlich abhebt:
eine raue, entzündete Stelle auf der Haut;
eine schadhafte Stelle im Gewebe;
eine kahle Stelle am Kopf;
die Äpfel haben Stellen (Druckstellen);
genau an dieser Stelle tut es mir weh;
an einigen Stellen der Tür ist die Farbe abgeblättert;
das ist seine empfindliche, verwundbare Stelle (in dieser Beziehung ist er sehr empfindlich, leicht verwundbar);
ihre Argumentation hat eine schwache Stelle (ist in einem Punkt nicht stichhaltig);
Unter den Sohlen schmiegte der Sand sich fest und fügsam; kühle und brutwarme Stellen wechselten (Gaiser, Jagd 159);
ihre Beine … sie blieben unzuverlässig, hatten offene Stellen (Ossowski, Liebe ist 71);
Er zog sein Taschentuch … und hielt es gegen die schmerzende Stelle (Schröder, Wanderer 69);
Vergine … blies den Rauch gegen die schadhafte Stelle der Tapete (Thieß, Legende 152).
2. a) [kürzeres] Teilstück eines Textes, Vortrags, [Musik]stücks o. Ä.; Abschnitt, Absatz, Passage, Passus:
eine spannende, wichtige, interessante Stelle;
eine Stelle aus dem Buch herausschreiben, zitieren, vorlesen;
einige Stellen am Rand ankreuzen;
ich kriege diese Stelle der Sonate einfach nicht in den Griff;
Die entscheidende Stelle des bedeutsamen Beschlusses lautete: … (Leonhard, Revolution 204);
In seinen Reden gibt es schwache Stellen, auch Wiederholungen (Thieß, Reich 407);
Wortlos zeigte ich ihm die betreffende Stelle der »Prawda« (Leonhard, Revolution 162);
… möchte ich doch hier jene köstliche Stelle aus der Chronik des Ammianus Marcellinus anführen (Thieß, Reich 317, Anm.);
ich hatte unter dem Tisch ein Exemplar, und da merkte ich, dass er (= der Lehrer) alle schlüpfrigen Stellen wegließ (Kempowski, Immer 93);
Fänä ließ sich die Stelle in dem Buch zeigen (Degenhardt, Zündschnüre 20);
b) Punkt im Ablauf einer Rede o. Ä.:
an dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, …;
etwas an passender, unpassender Stelle (im rechten, im falschen Augenblick) bemerken;
Die Herausgeber möchten den Herren … auch an dieser Stelle bestens danken (Fraenkel, Staat 9).
3. a) ↑ "Position" (1 b) (innerhalb einer hierarchischen Ordnung); Platz, den jemand, etwas in einer Rangordnung, Reihenfolge einnimmt:
etwas steht, kommt an oberster, vorderster, erster Stelle;
in einem Wettkampf an achter Stelle liegen;
er steht in der Wirtschaft an führender Stelle;
Mit 25 Treffern liegt Klaus Fischer in der »ewigen Torjägerliste« der Nationalelf schon an sechster Stelle (Kicker 82, 1981, 15);
Die jungen Leute, die heute überall an den verantwortlichen Stellen sitzen (Dönhoff, Ära 190);
b) (Mathematik) (bei der Schreibung einer Zahl) Platz vor oder hinter dem Komma, an dem eine Ziffer steht:
die erste Stelle hinter, nach dem Komma;
eine Zahl mit vier Stellen.
4. Arbeitsstelle, Posten, Beschäftigung:
eine freie, offene, gut bezahlte Stelle;
in dieser Firma ist eine Stelle als Sekretärin frei;
ihr wurde an der Universität eine halbe Stelle (Planstelle) angeboten;
sich eine Stelle suchen;
eine Stelle ausschreiben;
eine Stelle finden, bekommen, antreten;
seine Stelle aufgeben, wechseln;
sich um eine Stelle bemühen, bewerben;
Franca hat zwei Stellen als Putzfrau (Chotjewitz, Friede 236);
ich hatte eine gute Stelle in einer Textilfabrik (Böll, Erzählungen 45);
Frieda hatte ihre Stelle verloren und saß nun fast immer zu Hause (Schnurre, Bart 33);
sie werden Karin doch nicht die Stelle aufkündigen? (v. d. Grün, Glatteis 273).
5. Kurzform von ↑ "Dienststelle":
eine amtliche, kirchliche, staatliche Stelle;
sich an die vorgesetzte Stelle wenden;
sich bei höherer Stelle beschweren, erkundigen;
… die Memoranden würden an die »zuständige Stelle« weitergeleitet (Maass, Gouffé 20);
Ein paar Freunde in einflussreichen Stellen (Remarque, Triomphe 395).
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