Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Spitze
Spịt|ze, die; -, -n [mittelhochdeutsch spitze, althochdeutsch spizza, spizzī]:1. a) spitzes, scharfes Ende von etwas:
die Spitze des Pfeils, einer Nadel;
bei allen Bleistiften war die Spitze abgebrochen;
einer Sache die Spitze abbrechen/nehmen (einer Sache die Schärfe, die Gefährlichkeit nehmen: die Auffassung …, mit dem Verzicht auf Kühltürme könne man der Opposition die Spitze brechen [Baselland. Zeitung 21. 3. 85, 1]);
jemandem, einer Sache die Spitze bieten (veraltend; jemandem, einer Sache mutig entgegentreten; eigentlich = jemandem die Spitze des Degens, Schwertes entgegenhalten, um ihn zum Zweikampf herauszufordern);
auf Spitze und Knopf stehen (↑ "Spitz" [4 b]);
b) Ende eines spitz zulaufenden Teils von etwas:
die Spitze eines Giebels, eines Dreiecks;
Sein Kopf glich einem auf die Spitze gestellten Dreieck (Sommer, Und keiner 38);
c) Ende, vorderster Teil von etwas lang Gestrecktem oder Länglichem:
die Spitzen der Finger;
die Spitze des Fußes;
die Spitzen (den vordersten Teil der Schuhsohlen) erneuern lassen;
die Spitzen der Stiefelabdrücke zeigten bei jedem Schritt in eine andere Richtung (Schnurre, Bart 47);
Darum sagte ich … mit den Spitzen der Lippen, säuselnd und die Nase dünkelhaft über alle Welt erhoben (Th. Mann, Krull 174);
Mit der Spitze des Ellenbogens fiel ich auf den Beton (Bieler, Bonifaz 67);
d) oberes Ende von etwas hoch Aufgerichtetem:
die Spitze des Masts, des Kirchturms;
die Spitze (der Gipfel) des Berges;
Wäre der Wald drüben nicht, man sähe die Spitzen der Schlote (Doderer, Wasserfälle 5);
die Spitze des Eisbergs (der offen zutage liegende, kleinere Teil einer üblen, misslichen Sache, die in Wirklichkeit weit größere Ausmaße hat: ich fürchte, die jetzt bekannt gewordenen Korruptionsfälle sind nur die Spitze des Eisbergs; Diese Gruppe ist nur die Spitze des Eisbergs, was die Information über vorhandene Möglichkeiten betrifft [Praunheim, Armee 187]);
e) Kurzform von ↑ "Zigarrenspitze" (1), ↑ "Zigarrenspitze" (2), ↑ "Zigarettenspitze".
2. a) Anfang, vorderster, anführender Teil:
die Spitze des Zuges, der Kolonne, des Feldes;
die Spitze bilden;
an der Spitze marschieren, fahren;
sich an die Spitze setzen, stellen;
… sind amerikanische Panzerkräfte nach Osten durchgebrochen. Ihre Spitzen haben den Main … erreicht (Apitz, Wölfe 117);
Kaum ist Bonaparte an der Spitze seiner Reiterei … ausgerückt … (St. Zweig, Fouché 102);
b) (Ballspiele) in vorderster Position spielender Stürmer:
der Hamburger soll Spitze spielen, als Spitze eingesetzt werden;
mit zwei Spitzen operieren.
3. vordere, führende Position (besonders in Bezug auf Leistung, Erfolg, Qualität):
die Spitze [über]nehmen, halten, abgeben;
an der Spitze liegen, stehen;
sich an die Spitze setzen;
was die Qualität der Geräte angeht, liegen die Japaner heute an der Spitze;
Nun gelingt es natürlich nicht mit jedem Beruf, Peters Interesse zu wecken. Willy hält da einsam die Spitze (Schnurre, Ich 119);
Die ganze Zeit hielt Egon Spitze (Loest, Pistole 188);
Nur ein ganzer Kerl … kann sich im Sport unserer Jahre so lange an der Spitze halten (Maegerlein, Piste 75);
an der Spitze einer Sache stehen (die höchste Position in einem bestimmten Bereich innehaben: an der Spitze des Staates, des Konzerns, der Partei, des Senders, einer Organisation, einer Verschwörung stehen; an der Spitze der Tabelle stehen [Sport; Tabellenführer sein]; … gelangte Hitler … im Inflationsjahr 1923 an die Spitze der rechtsradikalen Umsturzbewegung in Bayern [Fraenkel, Staat 206]).
4. a) Spitzengruppe (bezüglich Leistung, Erfolg, Qualität):
die Spitze bilden;
b) führende, leitende Gruppe:
die gesamte Spitze des Verlags, der Partei, des Konzerns ist zurückgetreten;
Angesichts der Erfahrungen der Hitlerzeit … ließ sich einiges für die monarchische Spitze sagen (Rothfels, Opposition 110);
c) führende, einflussreiche Persönlichkeiten:
die Spitzen der Gesellschaft, der Partei, von Kunst und Wissenschaft;
Die Monarchien von Preußen, Österreich und Russland besaßen lernwillige Spitzen (Sloterdijk, Kritik 164);
Er pflegte die Beziehungen zu den Spitzen des Reiches, zur kaiserlichen Familie (Delius, Siemens-Welt 17).
5. a) Höchstwert, Höchstmaß, Gipfel:
die Verkaufszahlen erreichten im letzten Jahr die absolute Spitze;
das Auto fährt, macht 180 km Spitze (umgangssprachlich; als Höchstgeschwindigkeit);
in der Spitze (Jargon; Zeit der höchsten Belastung) brach die Stromversorgung zusammen;
»Wir bekommen im Schnitt täglich 60 Anträge, die Spitze war mehr als 120«, sagte uns der Leiter der Passstelle (MM 9./10. 8. 69, 8);
Das erste Auto, … einen Vierzylinder mit 35 PS und 72 Stundenkilometern Spitze, konstruierte wiederum … (W. Schneider, Sieger 66);
etwas auf die Spitze treiben (etwas bis zum Äußersten treiben);
b) (umgangssprachlich) höchste Güte, Qualität (in Bezug auf besonders hervorragende, Begeisterung oder Bewunderung hervorrufende Leistungen):
die Musik, der Film, das Bier, die Mannschaft, die Band ist [absolute, einsame] Spitze;
Auch seine Begleiterinnen müssen Spitze sein und den anderen Männern zumindest einen Pfiff zwischen den Zähnen abverlangen (Dierichs, Männer 180);
Im Eieressen sind wir Spitze (Hörzu 13, 1983, 132).
6. (Wirtschaft)
a) bei einer Aufrechnung übrig bleibender Betrag:
die Spitzen beim Umtausch von Aktien;
eine Spitze von 20 Euro;
b)freie Spitzen (DDR; landwirtschaftliche Erzeugnisse, die über das Ablieferungssoll hinausgehen und zu höheren Preisen verkauft werden dürfen).
7. gegen jemanden gerichtete boshafte Bemerkung:
seine Bemerkung war eine Spitze gegen dich, gegen das Regime;
der Redner teilte einige Spitzen aus;
eine Spitze parieren;
Zuerst waren es einfach nur nette kleine Spitzen, aber dann begann sie einen verächtlichen Ton anzuschlagen (Bukowski, Fuck 29);
Diese Feststellung enthielt natürlich eine Spitze, auf mich gerichtet (Hildesheimer, Legenden 119).
8. [nach den Zacken des Musters] in unterschiedlichen Techniken aus Fäden hergestelltes Material mit kunstvoll durchbrochenen Mustern:
eine geklöppelte, gehäkelte Spitze;
Spitzen knüpfen, weben, wirken, stricken;
das Kleid ist mit Spitzen besetzt;
dort, wo der … Samt ihres Prinzesskleides in durchsichtige Spitze überging (Th. Mann, Krull 98).
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