Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
schneiden
schnei|den [mittelhochdeutsch snīden, althochdeutsch snīdan, ursprünglich = mit scharfem Gerät schneiden oder hauen]:1. a) (mit dem Messer oder einem anderen Schneidewerkzeug) durch einen oder mehrere Schnitte o. Ä. zerteilen, zerlegen:
Papier, Pappe, Holz, Glas, Blech, Stoff, Rohre, Stahlträger, Baumstämme schneiden;
Käse, Fleisch, Wurst, Schinken, Brot schneiden;
schneidest du bitte mal die Torte, den Braten;
etwas in Scheiben, Stücke, Würfel, Streifen, zwei Hälften schneiden;
Zwiebeln in Ringe schneiden;
die Stämme zu Brettern schneiden;
Ü hier ist eine Luft zum Schneiden (sehr schlechte, verbrauchte Luft);
b) (mit dem Messer oder einem anderen Schneidewerkzeug) von etwas abtrennen, ablösen; abschneiden; aus etwas herausschneiden:
Blumen, Weidenkätzchen, Weidenruten, Rosen schneiden;
jemandem, sich eine Scheibe Brot, ein Stück vom Schinken schneiden;
einen Artikel aus der Zeitung schneiden;
eine faule Stelle aus dem Apfel schneiden;
Gras, Korn schneiden (mähen);
im Wald wird Holz geschnitten (werden Bäume gefällt);
Wenn er die Frauenbildnisse ansah, die er in seiner Junggesellenzeit aus illustrierten Zeitschriften geschnitten hatte … (Musil, Mann 345);
Meistens kennen sie nur die Bauern, die im Winter rausgehen und Schilf schneiden (Simmel, Stoff 95);
Zwei Wochen haben wir zusammen Roggen geschnitten (gemäht; Loest, Pistole 251).
2. durch Schneiden (1 b) kürzen [und in eine bestimmte Form bringen]; beschneiden; stutzen:
jemandem das Haar schneiden;
jemandem, sich die Fingernägel schneiden;
den Rasen, die Hecken, die Sträucher, die [Obst]bäume schneiden;
die Zigarre schneiden (die Spitze der Zigarre abschneiden);
sich die Haare schneiden lassen;
Bruno schnitt dem Kind … die Fußnägel (Handke, Frau 118);
Er hat sich seine Mähne kurz schneiden lassen (Remarque, Obelisk 332 f.)
3. a) (aus einem bestimmten Material) durch Bearbeiten mit einem Messer oder einem anderen Schneidewerkzeug herstellen:
sich einen Spazierstock schneiden;
Bretter, Bohlen aus den Stämmen schneiden;
Scherenschnitte aus Papier schneiden;
Er schnitt ihm Weidenpfeifchen (Hauptmann, Thiel 13);
b) (mit einem Messer oder einem dafür vorgesehenen Werkzeug) in ein Material eingravieren, ↑ "einschneiden" (1 b):
ein Herz in den Baumstamm schneiden;
eine Kerbe in einen Stock schneiden;
ein neues Profil in einen Reifen schneiden;
ein Gewinde schneiden;
und der Teufel soll ihn holen, wenn er nicht in einer Viertelstunde eure Initialen … in die Ringe geschnitten hat (Fallada, Herr 253);
c) (mit einem Messer oder einem dafür vorgesehenen Werkzeug) aus einem Material herausarbeiten:
einen Stempel, einen Druckstock, eine Gemme schneiden;
Ü ihr Gesicht war sehr fein, regelmäßig, markant geschnitten (geformt);
mandelförmig geschnittene Augen;
auf dem Weg von Limassol nach Paphos, wo die in Fels geschnittenen Königsgräber zu bewundern sind (Zeit 25. 4. 75, 41).
4. (ein Kleidungsstück) zuschneiden:
ein Kleid nach einem Muster, aus der Hand schneiden;
ein weit, gerade, gut geschnittenes Kleid;
der Mantel ist elegant, sportlich geschnitten (hat einen eleganten, sportlichen Schnitt);
eine gut geschnittene Wohnung (eine Wohnung mit einer guten Raumaufteilung).
5. (Film, Rundfunk, Fernsehen)
a) cutten:
einen Film, ein Tonband schneiden;
weich, hart schneiden;
Er … musste die beiden Filme auch noch schneiden (Wellershoff, Körper 235);
b) (selten) mitschneiden:
eine Sendung [auf Tonband] schneiden;
c) beim Schneiden (5 a) abrupt von einer Einstellung zur nächsten wechseln:
wo soll geschnitten werden?;
an dieser Stelle schneiden wir auf die Totale.
6. a) jemandem, sich eine Schnittwunde beibringen; sich mit, an etwas Scharfem verletzen:
sich beim Kartoffelschälen schneiden;
jemanden, sich beim Rasieren schneiden;
sich an einer Scherbe, an einem Glas, mit dem Messer schneiden;
ich habe mir/mich in den Finger geschnitten;
Er … schnitt sich an der Heringsbüchse, dass es blutete (Dorpat, Ellenbogenspiele 35);
b) einen Schnitt in etwas machen:
ich habe versehentlich [mit der Schere] in den Stoff geschnitten;
pass auf, dass du nicht ins Tischtuch, in die Tischplatte schneidest.
7. (landschaftlich) sich irren, sich täuschen:
Du schneidest dich eklig, wenn du das glaubst (H. Mann, Unrat 139);
Wenn Sie glauben, dass ich gleich nach meinem Einzug … zu der Gräfin ins Bett stieg, … dann haben Sie sich geschnitten (Hilsenrath, Nazi 189).
8. (Tiermedizin) kastrieren:
einen Eber schneiden.
9. a) etwas (in einem chirurgischen Eingriff) aufschneiden:
der Finger, das Geschwür ist geschnitten worden;
b) (Medizinjargon) an jemandem einen chirurgischen Eingriff vornehmen, ↑ "operieren" (1):
die Patientin musste geschnitten werden;
der Arzt sagt aber, dass ich Krebs habe. Vielleicht muss ich noch geschnitten werden (Marchwitza, Kumiaks 204);
Er wusste oft nicht einmal, wen er operierte. Durant gab ihm die Diagnose, und er begann zu schneiden (Remarque, Triomphe 49 f.)
10. a) (eine ↑ "Kurve" [2 a]) durch Verlassen der äußeren Seite der Fahrbahn abkürzen, nicht ausfahren:
der Fahrer, der Wagen hatte die Kurve geschnitten;
b) (beim Überholen, Einordnen) schräg, von der Seite her vor ein anderes Fahrzeug fahren und es dabei behindern:
ein Lkw hatte sie, ihren Wagen geschnitten;
Ein Fahrer, dessen Fahrbahn sie dabei schnitt, musste so scharf bremsen, dass … (MM 5./6. 11. 66, 4).
11. (von einer Linie o. Ä.) ↑ "kreuzen" (3):
die beiden Verkehrswege schneiden sich;
die Straße schneidet hier die Bahnlinie;
die Gerade g schneidet den Kreis k in den Punkten A und B;
zwei sich schneidende Geraden, Kurven, Ebenen;
… breite und lange, gleißende Bahnen, die sich schnitten (Gaiser, Jagd 102);
Ü Es ist unmöglich zu sagen, wo Schein und Wirklichkeit sich schneiden (Bamm, Weltlaterne 85);
Berger, obgleich sich hier Kompetenzen schnitten, ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt (Fries, Weg 231).
12. (Tennis, Tischtennis, Ballspiele) Drall verleihen:
einen Ball schneiden;
sie schneidet dauernd;
Lynn ist flinker, schneidet aber die Bälle nicht (Frisch, Montauk 122).
13. (ein bestimmtes Gesicht) machen, durch Verziehen des Gesichts hervorbringen:
eine Grimasse schneiden;
ein spöttisches, weinerliches Gesicht schneiden;
er schnitt eine Miene, als wolle er weinen;
Dann schnitt Suzette ihrem Spiegelbild eine ungeduldige Fratze (Langgässer, Siegel 347).
14. in bestimmter Weise scharf sein, geeignet sein, etwas abzuschneiden, zu zerschneiden:
das Messer, die Schere schneidet gut, schlecht;
die Sichel, die Säge schneidet nicht mehr [richtig] (ist stumpf geworden).
15. (als Friseur[in]) in bestimmter Weise mit der Schere arbeiten:
die Friseurin schneidet gut, schlecht;
er kann nicht schneiden (hat keine besondere Fähigkeit im Haareschneiden).
16. durch Hineinschneiden mit der Schere oder einem anderen Schneidewerkzeug hervorbringen, unbeabsichtigt verursachen:
mit der Schere, dem Messer ein Loch ins Tischtuch schneiden.
17. mit dem Messer zerkleinern und etwas anderem zusetzen:
Wurst, Kräuter in die Suppe schneiden.
18. etwas durch Herausschneiden in einem Material herstellen:
Gucklöcher in die Türen schneiden;
Nach einem Streit … hat er ihr nachts mit dem Glasschneider ein rundes Loch ins Fenster geschnitten (Richartz, Büroroman 226).
19. ↑ "einschneiden" (2):
die Gurte schneiden ins Fleisch;
Der Koffergriff schneidet in meine Hand (Imog, Wurliblume 232);
die Leine schnitt in die Hüften (Ott, Haie 279);
Eine grelle Flamme schnitt in die Nacht (Hahn, Mann 127);
aus der Halle schneidet ein Lichtstreifen in den Saal (Müller, Fuchs 127);
und der grelle Lokomotivenpfiff eines Güterzugs schnitt durch die unbewegte und noch jungfräuliche Stille (Langgässer, Siegel 445).
20. (besonders von Wind, Kälte u. Ä.) einen scharfen Schmerz (auf der Haut) verursachen:
das eiskalte Wasser schneidet;
ein schneidender Wind;
schneidende Kälte;
ein schneidendes (quälendes, schmerzendes) Hungergefühl;
Ü mit schneidender (scharfer) Stimme, mit schneidendem Hohn sprechen;
der Schnee schnitt den Läufern ins Gesicht (Maegerlein, Triumph 107);
Es schnitt ihm ins Herz (gehoben; bereitete ihm Schmerz), sie so lachen … zu hören (Sebastian, Krankenhaus 90).
21. [Lehnübersetzung von englisch to cut a person] jemanden bei einer Begegnung absichtlich, demonstrativ nicht beachten, übersehen und ihm damit zeigen, dass man nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte:
die Nachbarn, Kollegen schneiden ihn;
seitdem wird er von einigen Leuten geschnitten;
Hatten die vier Brüder sie doch um die Wette ihr Lebtag lang geschnitten (A. Kolb, Daphne 93).
22. (Skat) mit einer Karte stechen, aber dabei eine höhere Karte zurückhalten, bis mit ihr eine große Punktzahl gestochen werden kann:
mit dem König schneiden, um sich mit dem Ass die Zehn zu holen.
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