Duden ‒ Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
gerade
1ge|ra|de [mittelhochdeutsch gerat, althochdeutsch girat = gleich zählend, gerade, verwandt mit ↑ "Rede"] (Mathematik):(von Zahlen) durch zwei ohne Rest teilbar:
Der eine (= Fahrstuhl) hält in allen geraden, der andere in allen ungeraden Stockwerken (Reinig, Schiffe 112).
2ge|ra|de, (umgangssprachlich:) gra|de [mittelhochdeutsch gerade, gerat = schlank aufgewachsen, lang; gleich(artig), althochdeutsch rado (Adverb) = schnell, verwandt mit 2"Rad"]:
1. a) in unveränderter Richtung fortlaufend, nicht krumm, gekrümmt; unverbogen:
eine gerade Linie;
der Weg ist gerade (ändert die Richtung nicht; ist eben, steigt nicht an);
den Draht wieder gerade biegen, klopfen, machen;
der Rock ist gerade geschnitten (nicht eng und nicht ausgestellt);
Ü er stammt in gerader (direkter) Linie von den Habsburgern ab;
b) in natürlicher Richtung [fortlaufend], nicht schief; aufrecht:
ein gerader Baumstamm;
er hat eine gerade (aufrechte) Haltung, ist gerade gewachsen;
den Kopf, die Schultern, sich selbst gerade halten;
sitz, steh gerade!;
einen verbogenen Zaun gerade richten;
die Bücher im Regal gerade stellen (so stellen, dass sie aufrecht stehen);
er konnte nicht mehr gerade stehen (verhüllend; war betrunken);
c) nicht schief; waagerecht, horizontal:
das Bild hängt nicht gerade;
den Teller, die Kerze gerade halten;
das Besteck wieder gerade legen.
2. aufrichtig, offen seine Meinung äußernd, ohne sich durch Rücksichtnahme auf andere beirren zu lassen:
ein gerader Mensch;
Ein Pfaffe mit einem geraden Maul (Andersch, Sansibar 29);
sie sieht mich an, gerade und klar (Remarque, Obelisk 160).
3. genau, auch im Kleinsten übereinstimmend:
Doch die Anne war das gerade Gegenteil von Margot (Schnabel, Anne 15).
3ge|ra|de, (umgangssprachlich:) gra|de [vgl. 2"gerade"]:
a) in diesem Augenblick, soeben, momentan:
er telefoniert gerade;
ich komme gerade [erst] zurück;
wir waren gerade beim Essen, als das Unglück passierte;
als er ankam, war sie gerade (kurz vorher) gegangen;
der Politiker hat da zu stehn, wo grade der Erfolg ist (Tucholsky, Werke II, 484);
b) (umgangssprachlich) rasch, geschwind, für [ganz] kurze Zeit:
bring doch gerade [mal] das Buch herüber!;
c) unmittelbar, 1"direkt" (1):
er wohnt gerade um die Ecke;
der Schuss traf gerade ins Herz;
d) mit Mühe und Not, knapp:
wir kamen gerade [noch] rechtzeitig an;
das Geld, die Zeit reicht gerade [aus] für …;
Sie sind alle ziemlich schwach, denn sie erhalten gerade so viel, dass sie nicht verhungern (Remarque, Westen 136);
beim internationalen Sportfest … hatte er es als Fünfter gerade mal auf 10,78 s gebracht (Junge Welt 12. 10. 76, 16);
e) (umgangssprachlich) erst recht:
jetzt [tue ich es] gerade [nicht]!
4ge|ra|de, (umgangssprachlich:) gra|de [zu 2"gerade"]:
1. drückt eine Verstärkung aus, weist mit Nachdruck auf etwas hin:
gerade das wollte ich ja;
gerade er sollte ruhig sein;
gerade Kinder brauchen viel Zuneigung;
»Das ist es ja gerade«, erklärt Frau Niebuhr mit schöner Logik (Remarque, Obelisk 194);
Im zweiten Teil werden ihm gerade jene Eigenschaften, die die Voraussetzung für seine bisherige Wirkung waren, zum Verhängnis (Dönhoff, Ära 14).
2. drückt Ärger, Verstimmung o. Ä. aus; ausgerechnet:
warum muss gerade ich das tun?;
gerade jetzt wird sie krank;
»Was lachst du«, schreit Eduard wütend. »Gerade du hast keinen Grund dazu« (Remarque, Obelisk 151).
3. (umgangssprachlich) schwächt eine Verneinung ab, mildert einen Tadel o. Ä.:
ich verdiene nicht gerade viel;
du hast das nicht gerade exakt ausgeführt;
du hast dich nicht gerade professionell verhalten;
sie ist nicht gerade fleißig;
er war gerade kein Held;
Gegenüber den bisherigen Versammlungen war diese nicht gerade feierlich zu nennen (Leonhard, Revolution 48).
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