Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Vorsehung
   (lat. ”providentia“, griech. ”pronoia“) ist nicht ein biblisches Wort, sondern ein Begriff bereits der frühen griech. Philosophie, die mit ihm die gezielte Steuerung der Weltordnung durch den göttlichen vernünftigen Geist bezeichnete, ohne daß die menschliche Freiheit geleugnet würde. Die biblischen Aussagen über Gott als den Schöpfer u. als den sein Volk führenden u. richtenden Bundesherrn, über seine Sorge für die einzelnen Menschen (Mt 6, 25–34; 10, 29 ff.) bei bleibender menschlicher Freiheit u. Verantwortung, über seine ”Ratschlüsse“ u. über seine Steuerung der Heilsgeschichte zur eschatologischen Vollendung (Röm 9–11) wurden von der griech. Theologie mit den philosophischen Auffassungen zur Lehre von einer göttlichen Pädagogik kombiniert, bei der Gott sowohl in Schöpfungsabläufe als auch in einzelne Schicksale eingreift. Systematisierende Zusammenfassungen beider Linien einer Theologie der V. (Weltregierung u. individuelle ”Fügungen“) finden sich bei Augustinus († 430) u. Thomas von Aquin († 1274). Zweifel der Aufklärung an dieser Konzeption der V., verbunden mit den aufkommenden Fragen der [c darkviolet]Theodizee, führten zum Verzicht auf den Gedanken an göttliche Eingriffe in denWeltablauf: Deismus. Für G. W. F. Hegel († 1831) steht der Geschichtsablauf unter den Gesetzen absoluter Notwendigkeit, die von der Weltvernunft etabliert sind. Nicht zu verkennen ist, daß die konkreten Einsichten in die Unvollkommenheit der Schöpfung (Krankheiten, Naturkatastrophen) u. das Schweigen Gottes angesichts des massenmörderischen Mißbrauchs der menschlichen Freiheit den traditionellen Glauben an die V. Gottes ebenso wie den an seine Allmacht in eine tiefe Krise gestürzt haben. Die Hoffnung, Gott möge mit dem individuellen Leben u. mit der Schöpfung vollendend sein Ziel erreichen u. dabei den Sinn von allem enthüllen, verbindet sich mit der Einsicht in evolutive Naturabläufe, bei denen Eingriffe u. ”Fügungen“ Gottes unwahrscheinlich sind. Seine welt- u. menschenverändernd wirksamen Impulse wären demgegenüber durch den im menschlichen Herzen an die Freiheit appellierenden Heiligen Geist gegeben, dessen Eingebungen freilich durch menschliche Verweigerungen zunichte gemacht werden können. Die Konsequenzen für das Bittgebet wären deutlich.
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