Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Volk Gottes
Die bleibende Erwählung Israels zum Eigentumsvolk Gottes ist das Zentrum der Gottesoffenbarung an Israel u. des jüdischen Selbstverständnisses (Haupttexte: Ex 6, 7; Lev 26, 12; Dtn 26, 16–19). Die Auserwählung Israels zum V. G. steht im Dienst der Rettung der ”Völker“ (Sach 2, 14 f.; Jes 49, 6). Die Heilszusage gilt nicht nur einem elitären ”Rest“, sondern ”ganz Israel“ (Röm 11, 25 f.). Im NT wird Jesus Christus als ”Licht zur Erleuchtung der Völker“ u. als ”Herrlichkeit seines (!) Volkes Israel“ gepriesen (Lk 2, 30 ff.). Ohne polemische Absichten, ohne Israel sein Privileg der Erstberufung abzusprechen, bezeichnet 1 Petr 2, 9 f. die Christen als V. G. u. als Gottes Eigentumsvolk. Nirgendwo im NT heißen die Christen das ”neue V. G.“ im Gegensatz zum ”alten“. Die antisemitische Entgegensetzung beider unter diesen Begriffen begegnet erst im Barnabasbrief (5, 7; 7, 5; 1, 1) um 130 n.Chr. Fortan wurde der Begriff V. G. von der Kirche in beiden Perspektiven in Anspruch genommen, affirmativ ohne antijüdische Tendenz u. polemisch im Sinn einer Ablösung des alten Volkes Gottes durch ein neues. Freilich trat der Begriff V. G. gegenüber andern Bezeichnungen u. Metaphern für die Kirche eher in den Hintergrund. Das II. Vaticanum erachtete es als glücklichen Gedanken, die Gemeinsamkeit aller Glaubenden ungeachtet der hierarchischen Unterschiede durch den Begriff V. G. zum Ausdruck zu bringen; so ist in LG das Kap. II ”Das V. G.“ den weiteren Kapiteln über die hierarchische Verfassung der Kirche u. über Laien u. Ordensleute vorangestellt. Im Begriff V. G. fand man außer der grundlegenden Gemeinsamkeit aller Glaubenden auch den ”Pilgercharakter“ der Kirche ausgesprochen. Bei allen positiven Aussagen des II. Vaticanums über das Judentum u. über das Fortbestehen seiner Erwählung wird mit der Formulierung ”neues Volk Gottes“ (LG 9 u. ö.) doch unglücklicherweise die Beerbung Israels nahegelegt (so auch im ”Personenrecht“ des Kirchenrechts von 1983). Auch die fatale Formulierung ”V. G. im neuen Bund“ hat sich, ohne Bewußtsein für Wirkung u. Folgen, nach dem Konzil weit verbreitet. Es bleibt nur zu betonen, daß es nur ein von Gott selber erwähltes Eigentumsvolk gibt, das der Juden, u. zwar nicht nur der gläubigen Juden, u. daß die Anwendung von V. G. auf die Kirche eine in jedem Fall interpretationsbedürftige Metapher ist.
Die bleibende Erwählung Israels zum Eigentumsvolk Gottes ist das Zentrum der Gottesoffenbarung an Israel u. des jüdischen Selbstverständnisses (Haupttexte: Ex 6, 7; Lev 26, 12; Dtn 26, 16–19). Die Auserwählung Israels zum V. G. steht im Dienst der Rettung der ”Völker“ (Sach 2, 14 f.; Jes 49, 6). Die Heilszusage gilt nicht nur einem elitären ”Rest“, sondern ”ganz Israel“ (Röm 11, 25 f.). Im NT wird Jesus Christus als ”Licht zur Erleuchtung der Völker“ u. als ”Herrlichkeit seines (!) Volkes Israel“ gepriesen (Lk 2, 30 ff.). Ohne polemische Absichten, ohne Israel sein Privileg der Erstberufung abzusprechen, bezeichnet 1 Petr 2, 9 f. die Christen als V. G. u. als Gottes Eigentumsvolk. Nirgendwo im NT heißen die Christen das ”neue V. G.“ im Gegensatz zum ”alten“. Die antisemitische Entgegensetzung beider unter diesen Begriffen begegnet erst im Barnabasbrief (5, 7; 7, 5; 1, 1) um 130 n.Chr. Fortan wurde der Begriff V. G. von der Kirche in beiden Perspektiven in Anspruch genommen, affirmativ ohne antijüdische Tendenz u. polemisch im Sinn einer Ablösung des alten Volkes Gottes durch ein neues. Freilich trat der Begriff V. G. gegenüber andern Bezeichnungen u. Metaphern für die Kirche eher in den Hintergrund. Das II. Vaticanum erachtete es als glücklichen Gedanken, die Gemeinsamkeit aller Glaubenden ungeachtet der hierarchischen Unterschiede durch den Begriff V. G. zum Ausdruck zu bringen; so ist in LG das Kap. II ”Das V. G.“ den weiteren Kapiteln über die hierarchische Verfassung der Kirche u. über Laien u. Ordensleute vorangestellt. Im Begriff V. G. fand man außer der grundlegenden Gemeinsamkeit aller Glaubenden auch den ”Pilgercharakter“ der Kirche ausgesprochen. Bei allen positiven Aussagen des II. Vaticanums über das Judentum u. über das Fortbestehen seiner Erwählung wird mit der Formulierung ”neues Volk Gottes“ (LG 9 u. ö.) doch unglücklicherweise die Beerbung Israels nahegelegt (so auch im ”Personenrecht“ des Kirchenrechts von 1983). Auch die fatale Formulierung ”V. G. im neuen Bund“ hat sich, ohne Bewußtsein für Wirkung u. Folgen, nach dem Konzil weit verbreitet. Es bleibt nur zu betonen, daß es nur ein von Gott selber erwähltes Eigentumsvolk gibt, das der Juden, u. zwar nicht nur der gläubigen Juden, u. daß die Anwendung von V. G. auf die Kirche eine in jedem Fall interpretationsbedürftige Metapher ist.