Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Versöhnung
   Obwohl das deutsche Wort V. auf ”Sühnen“ hinweist, hat V. nichts mit dem Abbüßen einer Schuld durch Leistung oder Strafleiden zu tun (Sühne). Näher liegend zu dem mit V. Gemeinten sind die Begriffe ”Aussöhnung“ (lat. ”reconciliatio“), ”die Gemeinschaft wieder aufnehmen “, ”Frieden stiften“. Die Botschaft der beiden biblischen Testamente bezeugt unmißverständlich, daß die Menschheit im ganzen sich Gott gegenüber verweigert u. bei sich unversöhnte Zustände schafft, daß Gott jedoch von sich aus immer neu V. ermöglicht (Lk 15, 11–32; 2 Kor 5, 18–21; Röm , 25 u. ö.) u. den mit ihm versöhnten Menschen die Befähigung schenkt, ihrerseits Frieden u. V. zu stiften. Das Leiden u. Sterben Jesu sollte nach seinem Willen andern zugute kommen, bedeutete jedoch nicht die Beschwichtigung eines maßlos zornigen, auf das Blutvergießen des Sohnes bedachten Gottes u. auch nicht, harmloser, seine ”Umstimmung “ zugunsten der Menschen. In der Theologiegeschichte tritt ein solches Mißverständnis immer wieder auf (Satisfaktionstheorie). In der ev. Theologie werden die Themen von Kreuz, Erlösung u. Rechtfertigung oft unter dem Titel ”Lehre von der V.“ behandelt. Die Bewußtseinsveränderung bei sehr vielen Christen in der neuesten Zeit bringt es mit sich, daß Gott ein Unversöhnt-Sein von vornherein gar nicht mehr zugedacht wird. Die Aufmerksamkeit gilt vielmehr der Weisung Gottes, vertrauensbildend Gegensätze u. Aggressionen zwischen Menschen abzubauen u. wo nötig auf Ursachen von Feindschaft hinzuweisen. Neben der V. unversöhnter Menschen gilt auch die V. der Menschen mit Umwelt u. Natur als vordringlich.
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