Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Toleranz
(lat. = Duldung) bedeutet zunächst die Achtung vor der Andersartigkeit eines oder vieler anderer Menschen, sodann die Anerkennung u. Förderung rechtlicher Regelungen zum Schutz dieser Andersartigkeit u. zur Sicherung einer friedlichen Koexistenz. Philosophisch hat T. nichts mit Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheitsfrage oder mit der Auffassung, alle Religionen, Bekenntnisse u. Weltanschauungen seien objektiv gleich richtig, zu tun. Sachlich begegnet die T. zuerst im religiösen Bereich, u. zwar bereits in der vorchristlichen Antike. Viele alte u. neue Religionen, darunter auch Israel u. das neue Judentum, sind im Bewußtsein, einen eigenen Gott zu haben, tolerant gegenüber den fremdländischen Anhängern anderer Götter. Religionen mit dem Anspruch auf universale Geltung verhielten sich fast immer intolerant gegenüber anderen, so auch das Christentum. Grenzen der T. zeigten sich dort, wo eine Religion oder Konfession ”Staatsreligion“ war. Nach einer Übergangszeit zu Beginn der Neuzeit, als sich in Europa allmählich Regeln zur Duldung konfessioneller Minderheiten abzeichneten, wurde die T. vom Ende des 16. Jh. an Thema staatsrechtlicher Theorien. Sie wurde von Theologen u. Philosophen der Aufklärung mit den Gedanken der Gottebenbildlichkeit aller Menschen, der begrenzten menschlichen Gotteserkenntnis, der Würde des Gewissens u. der gemeinsamenWahrheitssuche näher begründet. – Heute ist es gemeinsame christliche Überzeugung, daß eine Glaubenszustimmung gar nicht erzwungen werden kann u. daß jeder Versuch, gegen Gewissensfreiheit u. Religionsfreiheit Zwang auszuüben, in höchstem Maß unmoralisch ist. In der Sicht der neueren kath. Theologie hat jeder Mensch von seinem Wesen her einen Anspruch auf einen Raum der Freiheit, in dem er seine innere Freiheitsentscheidung konkret im Leben aktualisieren kann. Da konkret die Wahrheit nie statischer Besitz ist, sondern in geschichtlichen Prozessen gefunden werden muß, u. also auch die Kirche die ihr anvertraute Wahrheit ebenfalls nicht statisch besitzt, verhält sie sich nicht wesenswidrig, wenn sie die Existenz der Freiheitsräume Andersdenkender als legitim anerkennt. Jeder individuelle Freiheitsraum hat seine Grenze am gleichen Recht des andern, daher stellt sich der Gesellschaft die praktisch zu lösende Aufgabe, Freiheitsräume zugleich einzuräumen u. einzugrenzen. Der Staat hat von seinem Wesen her nicht die Aufgabe, die Annahme der göttlichen Offenbarung durch die Menschen u. die religiösen Interessen der Kirchen positiv zu fördern, daher steht in kath. Sicht einer Gleichberechtigung von Kirchen, Konfessionen u. Denominationen in einem Staat grundsätzlich nichts im Wege. Diese Gleichberechtigung erweist sich im Zeitalter des weltanschaulichen Pluralismus als sachgemäßer Ausdruck der T., die Christen allen andern Menschen schulden (II. Vaticanum GS 28 , 43 , 73 , 75 ; AG 11 ; DH 14 ). In vielen Fällen ist es berechtigt, daß der Staat ethische Normen auch gegen die Überzeugung einzelner Menschen im öffentlichen Leben schützt, weil er nur so den Freiheitsraum aller Menschen gegen die Übergriffe Einzelner schützen kann. Die Geschichte zeigt, daß sich sowohl in der Kirche wie im Staat ein System durchsetzen kann, das die Mitsprache aller verhindert, sich der Kontrolle durch die Öffentlichkeit entzieht u. dabei formal Äußerungen von öffentlicher Meinung u. Kritik duldet. Eine solche nur formale T. ist ein Instrument der Unterdrückung (”repressive T.“).
(lat. = Duldung) bedeutet zunächst die Achtung vor der Andersartigkeit eines oder vieler anderer Menschen, sodann die Anerkennung u. Förderung rechtlicher Regelungen zum Schutz dieser Andersartigkeit u. zur Sicherung einer friedlichen Koexistenz. Philosophisch hat T. nichts mit Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheitsfrage oder mit der Auffassung, alle Religionen, Bekenntnisse u. Weltanschauungen seien objektiv gleich richtig, zu tun. Sachlich begegnet die T. zuerst im religiösen Bereich, u. zwar bereits in der vorchristlichen Antike. Viele alte u. neue Religionen, darunter auch Israel u. das neue Judentum, sind im Bewußtsein, einen eigenen Gott zu haben, tolerant gegenüber den fremdländischen Anhängern anderer Götter. Religionen mit dem Anspruch auf universale Geltung verhielten sich fast immer intolerant gegenüber anderen, so auch das Christentum. Grenzen der T. zeigten sich dort, wo eine Religion oder Konfession ”Staatsreligion“ war. Nach einer Übergangszeit zu Beginn der Neuzeit, als sich in Europa allmählich Regeln zur Duldung konfessioneller Minderheiten abzeichneten, wurde die T. vom Ende des 16. Jh. an Thema staatsrechtlicher Theorien. Sie wurde von Theologen u. Philosophen der Aufklärung mit den Gedanken der Gottebenbildlichkeit aller Menschen, der begrenzten menschlichen Gotteserkenntnis, der Würde des Gewissens u. der gemeinsamenWahrheitssuche näher begründet. – Heute ist es gemeinsame christliche Überzeugung, daß eine Glaubenszustimmung gar nicht erzwungen werden kann u. daß jeder Versuch, gegen Gewissensfreiheit u. Religionsfreiheit Zwang auszuüben, in höchstem Maß unmoralisch ist. In der Sicht der neueren kath. Theologie hat jeder Mensch von seinem Wesen her einen Anspruch auf einen Raum der Freiheit, in dem er seine innere Freiheitsentscheidung konkret im Leben aktualisieren kann. Da konkret die Wahrheit nie statischer Besitz ist, sondern in geschichtlichen Prozessen gefunden werden muß, u. also auch die Kirche die ihr anvertraute Wahrheit ebenfalls nicht statisch besitzt, verhält sie sich nicht wesenswidrig, wenn sie die Existenz der Freiheitsräume Andersdenkender als legitim anerkennt. Jeder individuelle Freiheitsraum hat seine Grenze am gleichen Recht des andern, daher stellt sich der Gesellschaft die praktisch zu lösende Aufgabe, Freiheitsräume zugleich einzuräumen u. einzugrenzen. Der Staat hat von seinem Wesen her nicht die Aufgabe, die Annahme der göttlichen Offenbarung durch die Menschen u. die religiösen Interessen der Kirchen positiv zu fördern, daher steht in kath. Sicht einer Gleichberechtigung von Kirchen, Konfessionen u. Denominationen in einem Staat grundsätzlich nichts im Wege. Diese Gleichberechtigung erweist sich im Zeitalter des weltanschaulichen Pluralismus als sachgemäßer Ausdruck der T., die Christen allen andern Menschen schulden (II. Vaticanum GS 28 , 43 , 73 , 75 ; AG 11 ; DH 14 ). In vielen Fällen ist es berechtigt, daß der Staat ethische Normen auch gegen die Überzeugung einzelner Menschen im öffentlichen Leben schützt, weil er nur so den Freiheitsraum aller Menschen gegen die Übergriffe Einzelner schützen kann. Die Geschichte zeigt, daß sich sowohl in der Kirche wie im Staat ein System durchsetzen kann, das die Mitsprache aller verhindert, sich der Kontrolle durch die Öffentlichkeit entzieht u. dabei formal Äußerungen von öffentlicher Meinung u. Kritik duldet. Eine solche nur formale T. ist ein Instrument der Unterdrückung (”repressive T.“).